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Allgemeinmedizin

Hypothyreose

Probleme mit der Schilddrüse

Dr. rer. nat. Reinhard Merz

25.7.2023

Ältere Patienten berichten häufiger von Müdigkeit oder depressiven Verstimmungen. Ist der TSH-Wert dann noch erhöht, liegt der Verdacht auf eine Unterfunktion der Schilddrüse nahe. Das heißt aber noch lange nicht, dass diese behandelt werden muss.

Die Schilddrüse bildet zwei Hormone, die das Herz-Kreislauf-System und das Wachstum wesentlich beeinflussen: Thyroxin/Tetrajodthyronin (T4) und Trijodthyronin (T3). Die Syntheseraten werden über einen Regelkreis durch das Thyreoidea-stimulierende Hormon (TSH) gesteuert (Abb. 1). Im Alter wird weniger TSH und T3 synthetisiert, die Halbwertszeit von T4 ist jedoch verlängert.

Die Prävalenz der Hypothyreose steigt mit dem Alter an und betrifft etwa 10 % der älteren Bevölkerung. Hypothyreose kann auf verschiedene Ursachen zurückgeführt werden. Neben der primären Hypothyreose kommen auch mangelnde Stimulation durch das Hypophysenhormon Thyrotropin (sekundäre Hypothyreose) oder Störungen im Hypothalamus (tertiäre Hypothyreose) infrage [1].

Die Symptome der Hypothyreose bei Senioren ­können sich von denen jüngerer Patienten unterscheiden. Neben unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit, Gewichtszunahme, Kälteintoleranz und Verstopfung können sie kognitive Beeinträchtigungen, ­Depressionen und verminderte körperliche Leistungsfähigkeit aufweisen – oder auch asympto­matisch sein [2].

Abbildung 1: Synthese von Schilddrüsenhormonen

Diagnose

Die Diagnose der Hypothyreose bei Senioren basiert auf klinischer Untersuchung, Laboruntersuchungen und Anamnese [3]. Die TSH-Messung im Serum ist der empfindlichste und spezifischste Test auf eine Hypothyreose. Ein erhöhter TSH-Wert weist auf eine primäre Hypothyreose hin, während ein niedriger oder normaler TSH-Wert bei niedrigen Schilddrüsenhormonspiegeln auf eine sekundäre oder tertiäre Hypothyreose hindeutet. Die Multimorbidität vieler geriatrischer Patienten erschwert die Diagnostik.

Abbildung 2: Einfluss auf TSH-Serumkonzentration

Management

Die medikamentöse Behandlung der Hypothyreose bei Senioren besteht in der Regel aus einer Hormonersatztherapie mit L-Thyroxin. Die Anfangsdosis sollte individuell angepasst werden, wobei das Alter, das Körpergewicht, der Schweregrad der Hypothyreose und das Vorhandensein von Begleiterkrankungen berücksichtigt werden. Bei älteren Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen sollte die Anfangsdosis niedriger sein, um das Risiko von Herzrhythmusstörungen und Osteoporose zu reduzieren.

Die Dosierung von L-T4 sollte langsam titriert werden, basierend auf den TSH- und T4-Werten und den klinischen Symptomen des Patienten [4]. Die Ziel-TSH-Werte bei älteren Patienten können etwas höher sein als bei jüngeren Patienten, um das Risiko von Nebenwirkungen zu reduzieren. Die American Thyroid Association empfiehlt einen Ziel-TSH-Wert von 4,0 bis 6,0 mU/l für ältere Patienten [5].

Allerdings wird schon länger kontrovers diskutiert, ob die Hormonersatztherapie der subklinischen Hypothyreose überhaupt zielführend ist. Im Zuge der TRUST-Studie mit insgesamt 737 > 65-Jährigen mit einem TSH-Wert zwischen 4,60 und 20 mU/l erhielt die Verumgruppe L-Thyroxin, die Kontrollgruppe Placebo [6]. Nach einem Jahr Therapie waren die Serumlevel von Thyrotropin in der Verumgruppe zwar signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe (Abb. 2), es wurden aber keine Verbesserungen von Lebensqualität und Müdigkeitsempfinden berichtet.

Auch eine Metaanalyse von 2018 fand keine Assoziation einer Thyroxingabe bei subklinischer Hypothyreose bezüglich Lebensqualität oder schilddrüsenbezogener Symptome [7]. Diese Ergebnisse sprechen gegen einen Behandlungsversuch mit L-Thyroxin bei älteren Menschen mit alleiniger TSH-Erhöhung und möglichen Symptomen einer Hypothyreose. Der Stellenwert erhöhter TSH-Werte in dieser Altersgruppe bleibt daher weiter unklar. Bei der Substitution gilt es zudem zu bedenken, dass sie zu einer iatrogenen Hyperthyreose führen kann und in der Folge zu einem erhöhten Risiko für Vorhofflimmern, kardiovaskulären Ereignissen und Osteoporose [8,9].

Ein Konsensuspapier der European Thyroid Association von 2021 schlägt neue Studiendesigns vor, um eine reale Bewertung des potenziellen Nutzens einer „physiologischen Schilddrüsenhormonsubstitution“ unter Verwendung einer T4/T3-Kombinationstherapie zu erhalten [10]. Die Ergebnisse könnten dann Grundlage zukünftiger Leitlinien für die klinische Praxis sein.

Fazit

Subklinische Hypothyreosen sind im höheren ­Lebensalter relativ häufig, sie müssen nicht zwingend therapiert werden. Bei nur leicht erhöhten Serumspiegeln sollte nach der Wait-and-see-Methode vorgegangen werden (TSH-Kontrollen). Bei einer indizierten Hormonsubstitution sollte L-Thyroxin anfangs niedrig dosiert und später auftitriert werden.

1 Chaker L et al., Lancet 2017; 390: 1550–62
2 Bensenor IM et al., Thyroid 2012; 22: 1200–35
3 Herold G, Innere Medizin, De Gruyter 2022
4 Wiersinga WM et al., Eur Thyroid J 2012; 1: 55–71
5 American Thyroid Association, Thyroid 2016; 26: 1493–1521
6 Scott DJ et al., N Engl J Med 2017; 376: 2534–44
7 Feller M et al., JAMA 2018; 320: 1349–59
8 Mooijaart SP et al., JAMA 2019; 322: 1977–86
9 Bekkering GE et al., BMJ 2019; 365: 2006
10 Jonklaas J et al., Eur Thyroid J 2021; 10: 10–38

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