Das Kontrazeptionsverhalten vor allem junger Frauen hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt und insbesondere hormonelle Methoden werden zunehmend kritisch betrachtet. Dabei haben sie unbestritten auch viele Vorteile. Wir fassen die aktuellen Trends der hormonellen Kontrazeption für Sie zusammen.
Zur Kontrazeption in Deutschland stehen sehr viele Methoden zur Verfügung. Nicht immer ist es einfach, sich hier zurechtzufinden. Es wird zwischen Kurz- und Langzeitmethoden unterschieden und auch bei den Präparaten gibt es eine große Vielfalt (Tab. 1). Eine Befragung, die bei Frauenärzten auf dem FOKO durchgeführt wurde, zeigte, dass die meisten Frauenärztinnen und Frauenärzte hormonellen Kontrazeptionsmethoden offen gegenüberstehen, diese selbst und bei den nächsten Angehörigen bevorzugen würden (Abb. 1).
Trends bei der Kontrazeption
Im Kontrast dazu steht der Anstieg der Schwangerschaftsabbrüche in den vergangenen Jahren (Abb. 2). Auch wenn der Anstieg in den vergangenen Jahren nicht mehr so stark war, bewegen wir uns doch
immer noch auf einem hohen Niveau. Dies muss im Kontext mit den Daten gesehen werden, die im November 2023 von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung publiziert wurden (Abb. 3). Hier hat das Kondom die Pille als Verhütungsmethode erstmals abgelöst. Vor allem bei jüngeren Patientinnen ist der Anteil der hormonellen Verhütungsmethoden deutlich rückläufig (Abb. 4).
Dabei ist der Anteil von oralen Kontrazeptiva noch hoch, aber tendenziell auch rückläufig (Abb. 3). Jeder kennt die Situation in der Praxis, dass die Patientin eine Hormonphobie angibt. Die Pille ist aber nicht nur eine sichere Kontrazeptionsmethode, sondern hat in vielen Fällen für die Patientin auch therapeutische Effekte (z. B. Reduktion der Dysmenorrhö, Blutungsregulation, Therapie von kutanen Androgenisierungserscheinungen).
Aktuelle Aspekte 2023/2024
Seit 2014 gibt es regelmäßig Rote-Hand-Briefe zur Bewertung des venösen thromboembolischen Risikos bei Ethinylestradiol- und Gestagenpräparaten. Auch Ende Februar 2024 erschien ein neuer Rote-Hand-Brief zu dieser Thematik, in dem auch erstmalig Daten zu EE/CMA-Pillen publiziert wurden. Diese sind im Ranking der VTE-Risiken nach den EE/LNG-Pillen eingeordnet (Tab. 2).
Des Weiteren gibt es immer wieder noch Diskussionen über das Meningeomrisiko unter der Anwendung z. B. von Ethinylestradiol-/CMA bzw. E2/NOMAC-Pillen. Hier sei nochmal darauf verwiesen, dass die Problematik ernst zu nehmen ist, die Patientin auch bezüglich ihrer Risikofaktoren befragt und darauf aufmerksam gemacht werden sollte, sich bei Symptomen zeitnah vorzustellen. Die Rote-Hand-Briefe zu diesem Thema sagen allerdings eindeutig, dass hier keine Kausalität für Kombinationspillen mit den betroffenen Gestagenen zu erwarten ist. Problematisch ist nur die Anwendung von CMA oder CPA hochdosiert als Monopräparat über einen längeren Zeitraum zu sehen. Dies sollte heute aber eher eine Ausnahmesituation sein.
Kombinierte orale Kontrazeptiva mit Estradiol
Aufgrund der seit Langem bekannten Daten zum thomboembolischen Risiko von Estradiolvalerat bzw. Estradiolpillen (INAS-Score-Studie und Pro-E2-Studie) wurde dies nun erstmalig eindeutig in den Rote-Hand-Brief mit aufgenommen, und die bekannten Daten bestätigen, dass sich diese Estradiolkombinationen auf dem gleichen VTE-Risiko-Niveau bewegen wie die Ethinylestradiol-/Levonorgestrelpillen (Tab. 2). Aufgrund der vielen Daten war diese klare Formulierung und Ergänzung überfällig. Diese Klarstellung führt hoffentlich doch zu einer vermehrten sinnvollen Anwendung von estradiolhaltigen Pillen mit ihren speziellen klinischen Vorteilen.
Kombinierte orale Kontrazeptiva mit Estetrol
Zum KOK mit Estetrol und Drospirenon wurde noch einmal aus den deutschen Daten aus Zulassungsstudien zur Beratung analysiert und publiziert. Hier zeigte sich der Vorteil dieser kombinierten Pillen in bestimmten Situationen. Der vorteilhafte Aspekt der drospirenonhaltigen Pillen mit E4 hat sich in der Praxis bewährt und damit ihre Berechtigung, auch wenn hier naturgemäß noch keine langfristigen VTE-Daten vorliegen.
Progesteron-only-Pillen
Durch die Einführung von Drospirenon-Monopillen besteht in diesem Segment hier doch eine größere Wahlmöglichkeit, da in diesem wichtigen Teilbereich viele Jahre Desogestrel die alleinige sinnvolle Option war. Es ist stets abzuwägen, welche der Progesteron-only-Pillen vorteilhaft ist. Dies kann, z. B. bei Drospirenon aufgrund der Zusammensetzung mit Placebophase, das günstige Blutungsprofil sein, aber auch die spezifischen antiandrogenen und antimineralokortikoiden Partialeffekte können klinisch genutzt werden.
Langzeitkontrazeptionsmethoden
Die Anwendung von Spiralen insgesamt ist gestiegen, wobei der Trend hier zu Hormonspiralen geht. Die Anwendung von Kupferspiralen ist etwas überschattet vom Skandal um die zerbrochenen Cu-IUD-Produkte der Firma Eurogine, die mitterweile zu einer ganzen Reihe von Prozessen geführt hat.
Zu den Hormonspiralen wurde in aktuellen Subanalysen der KYSS-Studie mit den Daten aus Deutschland publiziert, die den größten Datenpool darstellen. Hier wird noch einmal deutlich, welche Wünsche und Motivation die Patientinnen für eine Langzeitverhütung mit Hormonspiralen haben. Die sichere Kontrazeption ist hier vor allen Dingen auch anwenderunabhängig, was in unserer schnelllebigen Zeit in vielen Situationen von Vorteil ist. Nicht zuletzt sind LNG-IUS auch in vielen Risikosituationen unersetzbar, und die wichtigen Vorteilen der günstigen Blutungsprofile gegenüber den Kupfer-IUD wissen die Frauen sehr zu schätzen. Aktuell publiziert wurde hierzu auch ein Drug Report im Thieme Verlag, der alle neuen Daten zu den Hormonspiralen auf Basis eines Expertenkonsensus und der aktuellen wichtigen Daten zusammenfasst.
Ausblick
Aktuell wurde gerade erstmals eine Leitlinie zur nicht hormonellen Kontrazeption publiziert, die Zusammenfassung der beiden Leitlinienkoordinatorinnen lesen Sie auf den Seiten 8–11. Hier die relevanten Daten und Methoden zu kennen, ist wichtig, um auch die hormonkritischen Patientinnen entsprechend wissenschaftlich fundiert informieren zu können. Auch die Arbeiten zum Update der Leitlinie zur hormonellen Empfängnisverhütung haben begonnen, um diese wichtige Leitlinie auf den neuesten Stand zu bringen.
Nur wer die Neuentwicklungen in der Kontrazeption kennt, kann Patientinnen kompetent und individuell beraten. Auch wenn das Internet als Informationsmedium zur Kontrazeption zugenommen hat, sehen die Frauen doch nach wie vor die Frauenarztpraxis als ersten Ansprechpartner. Einen besonderen Fokus sollten wir dabei auf die jungen Frauen legen. Am Ende sollte sich jede Patientin für eine Kontrazeptionsmethode entscheiden, mit der sie langfristig zufrieden ist und die sie vor einer ungewollten Schwangerschaft schützt.
Der Autor
Prof. Dr. med. Thomas Römer
Chefarzt der Frauenklinik in Köln-Weyertal
Herausgeber des Journals DER PRIVATARZT GYNÄKOLOGIE
Literatur beim Autor
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