- Anzeige -
Dermatologie

Diagnose Hautkrebs

Mit Empathie und Fingerspitzengefühl aufklären

Dr. phil. Dipl.-Psych. Judith A. Bahmer

4.11.2022

Bösartige Hauttumoren werden immer häufiger diagnostiziert. Die behandelnden Dermatologen begleiten die Betroffenen dabei häufig über viele Jahre hinweg. Ein Weg, der bereits mit dem Überbringen der Diagnose beginnt, und neben Empathie auch kommunikative Fähigkeiten erfordert.

Nicht nur bei Laien hält sich hartnäckig die Annahme, dass es sich beim Melanom um eine besonders tödliche Krebsform handle. Diese Annahme trifft nicht zu, liegt doch die 10-Jahres-Überlebensrate für beide Geschlechter inzwischen bei ca. 90 %. Dennoch bedeutet allein die Diagnose „schwarzer Krebs“ eine Zäsur für Betroffene und Angehörige. Beide benötigen ein gut informiertes Gegenüber, das die Folgen der Erkrankung verstehbar macht, Behandlungsoptionen aufzeigt und die Zuversicht weckt, dass der Krebs zu besiegen ist. Zuversicht als Basis der Krankheitsbewältigung (Coping) ist ganz entscheidend von der psychischen Stabilität abhängig.

Eine vertrauensvolle, therapeutische Beziehung fördert die Motivation, sich der Erkrankung zu stellen, und steigert die Compliance. Die Erwartungen an die behandelnden Ärzte sind hoch: Diese sollen aktuelles Wissen zur Erkrankung und zu Behandlungsmöglichkeiten laienverständlich vermitteln, Informationen aus Medien und sozialen Medien kommentieren und Betroffene und Angehörige emotional auffangen und begleiten. Vor dem Hintergrund eines sich stetig erhöhenden Zeit- und Effizienzdrucks in der Praxis erscheint dies verständlicherweise als Mammutaufgabe.

Unter Beachtung einiger kommunikationspsychologischer Essentials ist es möglich, psychoonkologische Patienten in der dermatologischen Praxis kompetent zu beraten und zu behandeln:

1. Nehmen Sie sich Zeit für die Konfrontation mit der Diagnose
In einer eigenen Untersuchung zur Zufriedenheitsbefragung von Patienten mit der Erstaufklärung bei der Diagnose „Melanom“ empfand ein Drittel der Befragten die mittlere Gesprächszeit von 15 Minuten als zu gering. Allein schon die Diagnose wühlt emotional auf und verändert die Möglichkeit, klare Gedanken zu fassen und Fragen zu formulieren. Hier ist es wichtig, ohne Zeitdruck auf Fragen eingehen zu können, was wohl nur außerhalb der üblichen Sprechstundenzeiten zu leisten ist. Auch sollten Diagnosen stets im persönlichen Gespräch und nie telefonisch oder durch Praxismitarbeitende übermittelt werden.

2. Schaffen Sie eine angenehme Gesprächsatmosphäre
Betroffene wünschen sich eine ruhige und geschützte Gesprächsatmosphäre und die Möglichkeit, sich durch nahestehende Personen, seien es Angehörige, Partnerin oder Partner, Freundin oder Freund, begleiten zu lassen. Ein gemeinsames Gespräch ist emotional stützend und entlastend und bietet die Möglichkeit, die genannten Personen in den Behandlungsprozess mit einzubeziehen.

Gut geplante zeitliche Abläufe und die regelmäßige Auffrischung ihrer kommunikativen Fähigkieten sind der Schlüssel zum erfolg!

3. Transportieren Sie fundiertes und dosiertes Wissen
Das erste Gespräch sollte laienverständlich und kompakt am Wissensstand des Betroffenen orientiert nur die wichtigsten Informationen transportieren, da nach der Konfrontation mit der Diagnose „Krebs“ die weitere Aufnahmekapazität sehr begrenzt ist. Das Angebot zu einem weiteren Gespräch über offene Fragen sowie über geplante Behandlungsmethoden nimmt Druck aus der Gesprächssituation.

4. Geben Sie keine „hellseherischen“ Prognosen ab
Prognostische Aussagen sollten nur auf Nachfrage und auf Basis fundierter, epidemiologischer Daten gemacht werden. Ganz wichtig ist es, deutlich zu machen, dass Prognosen nur für Gruppen von Menschen möglich sind, nicht jedoch für Einzelne. Das bedeutet, dass selbst bei fortgeschrittenem Tumor grundsätzlich eine Überlebenschance besteht. Vage oder gar „hellseherische“ Behauptungen, Bagatellisierungen und falsche Versprechungen können die therapeutische Beziehung nachhaltig und irreparabel beschädigen.

5. Haben Sie keine Angst vor Emotionen
Die Konfrontation mit der Diagnose „Melanom“ löst bei fast allen Menschen emotionale Reaktionen aus – Wut, Verzweiflung, Verbitterung, Trauer, Angst. Befürchtungen, dass diese Emotionen übermächtig werden und gar in den Suizid führen, sind mehrheitlich unbegründet. Wichtig ist jedoch, die Patienten damit nicht alleine zu lassen, sondern sie empathisch aufzufangen und therapeutisch zu führen. Dies bedeutet, psychische Belastungen ernst zu ­nehmen und rechtzeitig auf psychologische, psychoonkologische und psychosoziale Hilfen aufmerksam zu machen.

Fazit:

Eine psychoonkologische Begleitung von Patienten ist für deren Zufriedenheit und Compliance von großer Bedeutung. In der dermatologischen Praxis lassen sich diese Aspekte ohne großen Mehraufwand berücksichtigen. Es lohnt sich, zeitliche Abläufe sowie das Setting für Aufklärungsgespräche zu prüfen und entsprechend zu modifizieren. Eine regelmäßige Auffrischung der eigenen kommunikativen Fähigkeiten durch Fortbildungen oder ein Coaching vermindert Stress und Unsicherheit auf Behandlerseite und leistet so einen Beitrag zu einem vertrauensvollen therapeutischen Bündnis.

Die Autorin

Dipl.-Psych. Dr. Judith A. Bahmer
Psychologische Psychotherapeutin
Praxis für Psychotherapie
48145 Münster

psycheundhaut@gmail.com

Literatur bei der Autorin

Weitere Artikel aus dieser Serie finden Sie hier

Bildnachweis: privat

Lesen Sie mehr und loggen Sie sich jetzt mit Ihrem DocCheck-Daten ein.
Der weitere Inhalt ist Fachkreisen vorbehalten. Bitte authentifizieren Sie sich mittels DocCheck.
- Anzeige -

Das könnte Sie auch interessieren

123-nicht-eingeloggt