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Allgemeinmedizin

Sekundäre Kopfschmerzen

Differenzialdiagnose bei zervikogenem Kopfschmerz essenziell

PD Dr. med. Tim Jürgens, Prof. Dr. med. Hermann Locher

3.8.2022

Der zervikogene Kopfschmerz zählt gemäß der aktuellen Kopfschmerzklassifikation (www.ichd-3.org) zu den sekundären Kopfschmerzen. Diagnostisch und therapeutisch stellt er eine Herausforderung dar. Hierbei ist es insbesondere wichtig, ihn von primären Kopfschmerzen wie der Migräne abzugrenzen.

 Der zervikogene Kopfschmerz (ZK) gilt als Folge einer Störung im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) mit den angrenzenden myofaszialen und knöchernen Strukturen. In epidemiologischen Studien liegt die Prävalenz zwischen 1 und 4,4 %. Ergebnissen einer Umfrage der DMKG zufolge steht die Diagnose eines ZK im hausärztlichen Bereich aber an zweiter Stelle, noch vor der Migräne. Erklärend kann hierfür u. a. sein, dass bei der diagnostischen Einordnung die Schmerzlokalisation entscheidend ist.

Klinisch zeichnet sich der ZK durch einseitige, meist von nuchal nach frontal ziehende mittelstarke nicht pulsierende Schmerzen, einen eingeschränkten zervikalen Bewegungsumfang sowie eine Verschlechterung durch Provokationsmanöver wie Kopfdrehung und Druck auf die Nackenmuskeln aus. Diagnostisch wegweisend sind Blockaden der entsprechenden Nerven bzw. Facettengelenke. Hier sollte v. a. der Bewegungsumfang der HWS und die Provokation von typischen Schmerzen durch Bewegung und Druck auf nuchale Strukturen berücksichtig werden. Zum Ausschluss einer symptomatischen Genese dient gerade bei neu aufgetretenen Beschwerden ein MRT der HWS, ggf. mit Gefäßdarstellung.

In einem jüngeren systematischen Review zeigte der zervikale Flexions-Rotations-Test eine besonders hohe diagnostische Treffsicherheit und Zuverlässigkeit. Hier wird der Kopf des auf dem Rücken liegenden Patienten in maximaler Flexion zur Seite rotiert. Kommt es hier zu starkem Widerstand, Provokation von Schmerzen oder einer Bewegungseinschränkung der Rotation auf ≤ 35°, ist der Test positiv.

Pathophysiologisch spielt die enge Verbindung zwischen schmerzleitenden trigeminalen Afferenzen aus dem Gesichtsbereich und den Hirnhäuten der vorderen Schädelgrube mit den sensiblen okzipitalen Afferenzen aus Nacken und den Hirnhäuten der hinteren Schädelgrube eine wichtige Rolle, die im trigeminozervikalen Komplex im Hirnstamm und dem oberen Halsmark auf aufsteigenden Neuronen zum Thalamus konvergieren (Abb.). Dies erklärt die typische Ausstrahlung der Kopfschmerzen von okzipital nach frontal. Daneben ist bekannt, dass trigeminale Neurone zugleich rezeptive Felder intra- und extrakranial haben können. So ist gut verständlich, dass eine schmerzhafte Reizung von myofaszialen Strukturen extrakranial zu einer meningealen Reizung intrakranial mit dem Eindruck von Kopfschmerzen (und umgekehrt) führen kann.

Wichtig ist die diagnostische Abgrenzung von primären Kopfschmerzen wie Migräne, was durch eine hohe Prävalenz von Nackenschmerzen erschwert wird. Sie sind bei etwa 75 % der Migränepatienten nachweisbar, bei Patienten mit chronischer Migräne sogar bei 85 %. Nicht immer hilfreich ist die Unterscheidung nach Begleitsymptomen wie Übelkeit, vermehrter Licht- und Lärmempfindlichkeit und Schwindel, da auch dies, wenngleich deutlich schwächer, beim

ZK auftreten kann. Für eine Migräne sprechen die typische Rückzugstendenz mit Zunahme der Kopfschmerzen bei körperlicher Anstrengung sowie ein normaler Bewegungsumfang der HWS und ein ­Ansprechen auf Triptane. Im Einzelfall kann die Abgrenzung bei einer komorbid auftretenden Migräne schwierig sein. Auch bei Kopfschmerzen vom Spannungstyp mit perikranieller Schmerzempfindlichkeit kommt es oft zu nackenbetonten Schmerzen, wobei diese aber selten einseitig sind und nicht mit relevanten Begleitsymptomen einhergehen. Ein Ansprechen auf Indometacin ist typisch für einen trigemino-autonomen Kopfschmerz (Hemicrania continua).

Interdisziplinär therapieren

Die Therapie stützt sich im wesentlichen auf physiotherapeutische Verfahren wie die spinale Manipulation und Weichteiltechniken. Chirurgische Verfahren werden nur in Einzelfällen erwogen. Interventionelle Nerven- und Gelenkblockaden können neben ihrem diagnostischen Einsatz auch therapeutisch versucht werden, stellen aber keine sinnvolle Option für eine längerfristige Therapie dar. Orale Nicht-Opioid-Analgetika können vorübergehend eingesetzt werden, sollten aber keine Dauertherapie darstellen. Auch für Muskelrelaxantien, Antidepressiva und Antiepileptika gibt es keine Studiendaten, sodass sie – auch in Abhängigkeit von Komorbidäten – versuchsweise angewandt werden können. Botulinumtoxin war in einer kontrollierten Studie nicht wirksam.

Mehr praxisrelevantes Wissen finden Fachkreise auch online im Migräne- und Kopfschmerz-Guide unter www.mk-guide.org, einem Projekt der DMKG Initi­ative „Attacke! Gemeinsam gegen Kopfschmerzen“.

Korrespondierender Autor

PD Dr. med. Tim Jürgens
Neurologisches Zentrum
Klinik für Neurologie
KMG Klinikum Güstrow

t.juergens@kmg-klinikum.de

Literatur bei den Autoren

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Bildnachweis: privat

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