- Anzeige -
Allgemeinmedizin

Unzureichend erforschte Problematik

Klinisches Bild und Behandlung des kälteinduzierten Kopfschmerzes

Dr. med. Susanne Hirsch, PD Dr. med. Torsten Kraya

7.4.2025

Der kälteinduzierte Kopfschmerz (Cold Stimulus Headache, CSH) ist ein durchaus häufig zu beobachtendes Phänomen, gerade auch im Zusammenhang mit kalten Speisen oder Getränken. Im Folgenden werden die Ursachen, das klinische Bild und die Behandlungsmöglichkeiten dieser Kopfschmerzform erörtert.

Die Internationale Kopfschmerzklassifikation (ICHD-3) differenziert die kältebedingten Kopfschmerzen hinsichtlich eines durch äußere Kältereize ausgelösten oder durch Ingestion von kalten Speisen ausgelösten Kopfschmerzes. Bei Migränepatientinnen und -patienten kann Kälte jedoch auch zu länger anhaltenden und stärkeren Schmerzen führen oder möglicherweise sogar eine Migräneattacke auslösen.

Klinisches Bild

Die Symptome des CSH variieren in Abhängigkeit von individuellen Faktoren sowie dem auslösenden Reiz. Die auf einen äußeren Kältereiz zurückzuführenden Kopfschmerzen (IHS 4.5.1) sind dadurch gekennzeichnet, dass der Kopfschmerz nach Kontakt des Kopfes mit einer sehr niedrigen Umgebungstemperatur (kaltes Wetter, Eintauchen in kühles Wasser, Kryotherapie) auftritt. Bei einigen Menschen können dann starke, kurz anhaltende, stechende, ein- oder beidseitige Kopfschmerzen auftreten, die temporal, frontal oder retroorbital lokalisiert sind. Der Kopfschmerz bildet sich innerhalb von 30 Minuten nach Ende der Exposition zurück. Sehr wahrscheinlich besteht eine Prädisposition zur Migräne.

Ist der Kopfschmerz zurückzuführen auf die Einnahme oder Inhalation eines Kältereizes (IHS 4.5.2), typischerweise von Eiscreme oder kalten Getränken (Ice Cream Headache), liegt die Prävalenz zwischen 8 % und 51 % [1], bei Studenten sogar bis zu 62 % [2]. Eine Komorbidität zur Migräne konnte nicht bestätigt werden [3]. Es zeigt sich ein ausgeglichenes ­Geschlechterverhältnis. Die Kopfschmerzen sind ­typischerweise von mittlerer Intensität, frontal oder temporal lokalisiert sowie meist beidseitig. Der Kopfschmerz verschwindet innerhalb von 10 Minuten nach Entfernung des Kältereizes. Mögliche Begleiterscheinungen können visuelle Symptome (18,5 %) oder trigemino-autonome Symptome (22 %) sein [3].

Auch Kinder und Jugendliche können einen CSH bekommen. Dieser tritt bei ihnen sogar häufiger, aber mit geringerer Intensität als bei Erwachsenen auf. Diese Form wird in der wissenschaftlichen Literatur häufig als unterdiagnostiziert betrachtet [4].

Pathophysiologie

Der genaue Mechanismus des CSH ist noch unbekannt. Lokale und zerebrale Gefäßveränderungen und die direkte Stimulation von Kälterezeptoren sind zwei mögliche Aspekte. Jedoch scheinen auch Veränderungen der zerebralen Durchblutung ursächlich zu sein. Es zeigt sich eine Reduktion der mittleren zerebralen Blutflussgeschwindigkeiten der mittleren Hirnarterien im transkraniellen Doppler-Ultraschall bei Patienten und Patientinnen mit Kopfschmerz nach Kälteexposition, nicht aber bei Menschen ohne solche Kopfschmerzen [5].

Die wahrgenommene Empfindlichkeit thermischer Reaktionen unterscheidet sich je nach Lokalisationen bzw. den verschiedenen innervierten Hirnnerven. Mages et al. wiesen darauf hin, dass Tränenfluss während des CSH auftritt, was ein Hinweis auf eine trigemino-autonome Aktivierung während des kälteassoziierten Kopfschmerzes sein kann [6].

Therapie

Hauptziel ist das Vermeiden des Kopfschmerz auslösenden Triggers. Bei durch äußeren Kältereiz erwartbaren Kopfschmerzen identifizierten Khoo et al. Naproxen 750 mg, das etwa eine halbe Stunde vor der Kälteexposition eingenommem wurde, als wirksame Kurzzeitprophylaxe [7].

Bei auf die Einnahme oder Inhalation eines Kältereizes zurückzuführenden Kopfschmerzen wird empfohlen, die kalte Nahrung oder/und die kalten Getränke langsam zu sich zu nehmen. Physiotherapeutische Maßnahmen wie Massagen im Gesichtsbereich können ebenfalls hilfreich sein [8].

Kälteassoziierte Kopfschmerzen sind ein komplexes Phänomen mit verschiedenen Ursachen und Mechanismen. Die Art des Kältereizes spielt eine bedeutende Rolle in der klinischen Präsentation. Ein besseres Verständnis dieser Zusammenhänge könnte dazu beitragen, präventive Maßnahmen zu entwickeln und die Lebensqualität von Betroffenen zu verbessern.

Mehr praxisrelevantes Wissen finden Fachkreise im Migräne- und Kopfschmerz-Guide, einem Projekt der DMKG-Initia­tive „Attacke! Gemeinsam gegen Kopfschmerzen“.

Korrespondierender Autor

PD Dr. med. Torsten Kraya
Facharzt für Neurologie, Spezielle Schmerztherapie
Chefarzt Klinikum St. Georg
Klinik für Neurologie
Leipzig

torsten.kraya@sanktgeorg.de

  1. Zierz AM et al., J Neurol 2016; 263: 1106–10
  2. Fuh JL et al., Cephalalgia 2003; 23: 977–81
  3. Kraya T et al., Cephalalgia 2020; 40: 299–306
  4. Bonemazzi I et al., Life (Basel) 2023; 13: 973
  5. Hensel O et al., Clin Neurophysiol 2017; 128: 306–7
  6. Mages S et al., Cephalalgia 2017; 37: 464–9
  7. Khoo A et al., Cephalagia Rep 2020; DOI: 2515816320915696
  8. Burkhart CG et al., Int J Dermatol 2006; 45: 1116–7
Lesen Sie mehr und loggen Sie sich jetzt mit Ihrem DocCheck-Daten ein.
Der weitere Inhalt ist Fachkreisen vorbehalten. Bitte authentifizieren Sie sich mittels DocCheck.
- Anzeige -

Das könnte Sie auch interessieren

123-nicht-eingeloggt