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Allgemeinmedizin

Chronische Schmerzen

Gabe von Opioiden kann Hypogonadismus induzieren

8.4.2022

Opioide sind häufig Bestandteil der Therapie von starken chronischen Schmerzen, sowohl onkologischer als auch nicht onkologischer Genese. Indem sie an die μ-Rezeptoren des peripheren Gastrointestinaltrakts binden, können Opioide aber auch Nebenwirkungen wie Verstopfung, Übelkeit und Erbrechen verursachen.

Weitaus weniger bekannt ist ihr negativer Effekt auf das Sexualhormon Testosteron. Durch Hemmung der körpereigenen Testosteronproduktion kann eine Opioidtherapie zu einem Hypogonadismus (= symptomatischer Testosteronmangel) mitsamt entsprechenden Nebenwirkungen führen [1]. In der Praxis ist es daher wichtig, Risikopatienten zu identifizieren, gegebenenfalls zu behandeln oder zum Urologen zu überweisen.

Der Opioid-induzierte Hypogonadismus (OPIAD, Opioid-induced Androgen Deficiency) wird durch die hemmende Wirkung der Opiode auf das zentrale Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH) und die gleichzeitige periphere Stimulation der 5α-Reduktase verursacht. Dadurch sinkt die körpereigene Testosteronproduktion und die Umwandlung von Testosteron in Dihydrotestosteron (DHT) steigt. Die Hormonspiegelsenkung kann bereits innerhalb einer Woche nach Beginn der Opioidtherapie in Erscheinung treten und zeigt sich entsprechend mit beachtlicher Häufigkeit: Mehr als 50 % aller männlichen Schmerzpatienten mit einer länger andauernden Opioidtherapie entwickeln einen OPIAD mit entsprechenden klinischen Symptomen [1]. Eine Komorbidität (z. B. Diabetes mellitus, Hypertonus oder Dyslipidämie) lässt das Risiko für OPIAD weiter steigen [1,2].

Prinzipiell können alle verfügbaren Opioide den ­Testosteronblutspiegel senken, inklusive Codein, ­Hydromorphon, Tramadol oder Tilidin/Naloxon. ­Besonders stark ausgeprägt ist der Effekt aber bei lang wirkenden und retardierten Opioiden (z. B. ­Morphin, Oxycodon oder Fentanyl). Buprenorphin ist dabei aus pharmakodynamischer Sicht eines der Opioide mit der geringsten Wirkung auf ­Testosteron.

Symptome frühzeitig erkennen

Unabhängig von der Ursache des Testosteronmangels kann sich ein Hypogonadismus durch eine ­Reihe von Symptomen äußern [2]. Dazu zählen nicht nur typische Anzeichen einer sexuellen ­Dysfunktion in Form von verminderter Libido und sexueller Aktivität oder erektiler Dysfunktion und Abnahme nächtlicher Erektionen, sondern auch zahlreiche körperliche und psychische Beschwerden [2]: So kann sich bei den betroffenen Männern auch ein Rückgang der fettfreien Körpermasse und der Muskelstärke einstellen, oder es kommt zu ­viszeraler Adipositas, metabolischem Syndrom und Diabetes mellitus Typ 2. Weitere klinische Symptome sind Gynäkomastie oder verminderte Körperbehaarung, reduziertes Hodenvolumen, Osteoporose oder leichte Anämie. Hinzukommen mögliche kognitive und psychovegetative Symptome wie Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen, Erschöpfung, ­Depression, Schlafstörungen oder Einbußen in der kognitiven Funktion.

Die Möglichkeit eines OPIAD sollte man bei Patienten, die eine länger andauernde Opioidtherapie erhalten, in der Sprechstunde stets im Hinterkopf behalten. Entsprechende Patienten sollte der Arzt aktiv nach Symptomen befragen und bei Vorliegen einer verdächtigen Symptomatik den Testosteronspiegel bestimmen, um einen OPIAD gegebenenfalls ausschließen oder bestätigen zu können. Ein symptomatischer Testosteronmangel liegt vor, wenn in der Laboruntersuchung das Gesamt-Testosteron < 12,1 nmol/l oder das freie Testosteron < 243 pmol/l beträgt und der Patient unter einem oder mehreren der genannten Testosteronmangel-Symptomen dauerhaft leidet [2].

Symptomlinderung durch Testosteronausgleich

Ein Absetzen der Opioidtherapie bei chronischen Schmerzpatienten ist oft nicht möglich (> Schmerzmedizin). In diesen Fällen kann beim Vorliegen eines erniedrigten Testosteronspiegels ein Ausgleich des Testosteronmangels mithilfe eines geeigneten Hormonpräparats Abhilfe schaffen, wie u. a. eine Studie an 84 Männern mit Nichttumor-Schmerzen und OPIAD belegt [3]. Darin führte eine Testosterontherapie gegenüber Placebo innerhalb von 14 Wochen zu signifikant positiven Effekten sowohl auf die individuellen Schmerzempfindungsschwellen (Abb.) als auch auf das sexuelle Verlangen und die Reduktion des Körperfetts. Zudem wurden die Muskelmasse und verschiedene Aspekte der Lebensqualität positiv ­beeinflusst.

Ziel der Therapie ist das Erreichen von Serum-Testo­steronwerten im mittleren physiologischen Bereich (Normbereich ca. 12,1–35,0 nmol/l), was regel­mäßig durch Laboruntersuchungen überprüft werden sollte (im ersten Jahr der Behandlung alle drei Monate, danach jährlich; jeweils zusammen mit einer körperlichen Untersuchung, digital-rektaler Untersuchung sowie PSA- und Blutbildbestimmung). Kontraindikationen für eine Testosterontherapie stellen z. B. ein Prostatakarzinom in der Anamnese, eine Polyzythämie sowie ein bestehender Kinderwunsch dar.

Coluzzi F et al., J Endocrinol Invest 2018; 41: 1377–1388
Dohle GR et al., European Association of Urology 2018; Online unter: https://uroweb.org/guideline/male-hypogonadism/ (Stand: 19.10.2020)
Basaria S et al., Pain 2015; 156: 280–288

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