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Gynäkologie

Heilungschancen besser denn je

Chronische rezidivierende Vulvo-Vaginalmykose

Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Tietz

8.7.2022

Die vaginale Kandidose ist eine schwierige Infektion, da keine Immunität entsteht und die Infektion wiederkehren kann, was die Lebensqualität vieler Patientinnen oft über Jahre beeinträchtigt. Mit modernen Therapien sind die Heilungschancen aber besser als jemals zuvor.

Mindestens 75 % aller Frauen erkranken einmal im Leben an einer Vulvo-Vaginalmykose. Weltweit leiden knapp 400 Millionen Frauen an einer chronischen Infektion. In Deutschland sind es etwa eine Million Frauen im Alter zwischen 15 und 54 Jahren. Ihr häufigster Erreger, der Hefepilz Candida albicans, ist somit einer der bedeutendsten Krankheitserreger unserer Zeit (Abb. 1).

Der Pilz hat sich im Verlauf der Evolution perfekt an eine Koexistenz mit dem Menschen angepasst. Er arrangiert sich mit dem Immunsystem, gedeiht anaerob wie aerob, bei sauren und basischen pH-Werten, lebt in Allianz mit gesunden Milchsäurebakterien und in Gegenwart von pathogenen Keimen wie Gardnerella vaginalis. C. albicans spaltet auch das für andere Keime tödliche H2O2 der Milchsäure­bakterien und dessen Radikale.

Candida albicans auf diagnostischem Selektivagar, GOÄ Ziffern 4717 (Kultur) und GOÄ 4722 (Identifikation)

Candida albicans auf einem diagnostischen ­Selektiv­agar, privatärztlich mit den GOÄ-Ziffern 4717 (Kultur) und 4722 (Identifikation) abrechenbar.

Ein nachhaltiger Heilerfolg ist daher oft erst dann ­möglich, wenn der Erreger komplett eliminiert wird. Dies gelingt am besten mit einer 3-stufigen Pyramide aus Lokaltherapie, systemischer Langzeitbehandlung mit Fluconazol oder Itraconazol und der Sanierung der Infektionsquellen beider Partner. Impfungen und Anti-Pilz-Diäten erfüllen die Erwartungen an eine nachhaltige Heilung dagegen nicht.

Die Lokaltherapie

Das Fundament der Therapie ist die Lokalbehandlung. Die wichtigsten Substanzen sind Nystatin, Clotrimazol und Miconazol, mit denen sich die ­allermeisten Patientinnen bei sporadischen Episoden nahezu immer erfolgreich in Eigenregie behandeln. Von großer Bedeutung für den Heilerfolg ist auch die Galenik der Formulierungen. So ist ­Clotrimazol nicht gleich Clotrimazol. Seit der Entdeckung durch Manfred Plempel ist bekannt, dass Clotrimazol seine größte Wirkung in einem sauren Milieu entfaltet und die Erreger bei einem niedrigen pH-Wert am empfindlichsten sind.

Milchsäure ist von zentraler Bedeutung in der gynä­ko­­logischen Infektiologie. Einerseits ist es der ideale natürliche Wirkstoff zur Abwehr von bakteriellen Infektionen. Andererseits leben ihre Produzenten, die gesunden Milchsäurebakterien, mit Pilzerregern in Symbiose und spielen eine heraus­ragende Rolle in der Pathogenese der Mykose. Nicht zufällig tritt sie meist nach dem Eisprung in der zweiten Zyklushälfte auf. Es ist der Zeitpunkt der höchsten Bakteriendichte, der Höhepunkt der Säureproduktion.

C. albicans gerät in diesem Moment in eine exponentielle Wachstumsphase, mit all den damit verbundenen klinischen Beschwerden. Ein positiver Nebeneffekt der Phänomene ist, dass die zu Pilzinfektionen neigenden Frauen aufgrund ihrer meist reichlich vorhandenen gesunden Flora selten an einer ­bakteriellen Vaginose oder einer Harnwegsinfektion erkranken.

Dass C. albicans Säure „liebt“, erkannte bereits der weltberühmte Leipziger Gynäkologe Döderlein: „Ich glaube schließen zu dürfen, dass das normale Scheidensekret die Ansiedlung der Soorpilze begünstigt.“ Umso erstaunlicher ist, dass Milchsäurebakterien noch immer zur Therapie und Prophylaxe vaginaler Kandidosen empfohlen werden. Spezies wie Lactobacillus plantarum sind zwar durchaus in der Lage, mit Pilzen um die Rezeptoren in der Scheide zu konkurrieren, grundsätzlich sind aber auch sie pilzfreundlich. Andererseits ist das exponentielle Wachstum des Erregers im Sauren auch seine Achilles­ferse. In dieser Phase bildet er Angriffs­punkte für die Antimykotika und ist damit therapeutisch angreifbar. Entsprechend höher wirksam sind Präparate mit Zusatz von Milchsäure als ohne diese Supplementierung.

Ein weiterer Grund für die Hartnäckigkeit vieler ­Mykosen sind die Struktur und Biologie des ­Erregers. C. albicans kann auf Zahnstein, Piercings, Intrauterin-Pessars, tief im Gewebe siedeln und dort dickwandige Chlamydosporen (Mantelsporen) bilden, in denen der Erreger seine DNA schützt, was sein Überleben unter ungünstigen Umständen ermöglicht. All diese Faktoren bilden ein evolutionär hoch effi­zientes opportunistisches Anpassungssystem, zum ­Leidwesen vieler Patientinnen.

Die Systemkomponente

An diesem Punkt setzt die moderne systemische Therapie an. Durch eine Langzeittherapie mit Fluconazol oder Itraconazol bringt sie nicht nur die Lebens­qualität der Patientinnen zurück. Sie wird auch dem Lebenszyklus des Erregers gerecht. Denn die Sporen keimen im Wochenzyklus aus, bilden in dieser Zeit Myzelien, die Angriffspunkte für die Medikamente generieren.

Diese wirken nur gegen diese Strukturen, welche ­wiederum nur Pilze besitzen. Die gesunden körper­eigenen Keime und Zellen bleiben damit von den Präparaten unberührt. Sie sind auch nicht lebertoxisch, was noch immer häufig kolportiert wird. Sie werden dort lediglich verstoffwechselt, wie viele andere Substanzen auch, was neben der fast homöopathischen Dosierung die gute Verträglichkeit der systemischen Antimykotika erklärt. Leberwertkontrollen sind selbst von der FDA nicht vorgeschrieben, was ebenfalls für die ausgezeichnete Verträglichkeit spricht.

Gute medizinische Praxis wäre trotzdem, die Gamma-GT zu kontrollieren. Sie ist der empfindlichste Marker für systemische Antimykotika, vor und nach der Therapie bzw. bei Routineuntersuchungen durch den Hausarzt. Je länger diese Therapie erfolgt, desto größer sind die Chancen auf einen lang anhaltenden Heilerfolg: Bis zur letzten Spore, was etwa ein Jahr dauert, in nicht wenigen Fällen darüber hinaus. Hierzu gehören Patientinnen mit postinfektiösem Candida-Syndrom, eine Art Juckreizgedächtnis und Erschöpfungssyndrom, ein in der Infektiologie nicht ungewöhnliches Phänomen.

Ratsam ist es, am jeweiligen Einnahmetag auch eine lokale Kombinationstherapie durchzuführen, mit einer Creme für den äußeren Bereich, von der Vorhaut bis zum Po, und einer hoch dosierten Vaginaltablette 500 mg Clotrimazol in Milchsäure. Deren Wirkung ist im Vergleich zu einer 200-mg-Tablette ohne Milchsäure um das 25-Fache höher.

Dies ist insofern von praktischer Bedeutung, da eine Zunahme von Azol resistenten C.-albicans-Stämmen zu beobachten ist. Deren Anteil liegt derzeit bei etwa 5 %. Diese kommen überwiegend aus Ländern, in denen Fluconazol frei verkäuflich ist, ein Milieu, in dem Resistenzen entstehen können. Das Problem hierbei ist die Kreuzresistenz gegenüber allen Azolen. Um Resistenzen zu vermeiden bzw. sie zu durch­brechen, ist es im Verdachtsfall ratsam, das Clotrimazol mit der größten Wirkung einzusetzen: 500 mg und in Milchsäure. Das gelingt auch mit Nystatin, gegen das bis heute keine ­Resistenzen bekannt sind.

Candida albicans (Sonde C3) in der hochsensitiven PC (EUROIMMUN Microarray), GOÄ Ziffern 4780, 4783, 4785 abrechenbar

Candida albicans (Sonde C3) in der hochsensitiven PCR (EUROIMMUN Microarray), privatärztlich mit den GOÄ-Ziffern 4780, 4783 und 4785 abrechenbar.

Die Sanierung der Infektionsquellen

Ebenso wichtig ist es, während der systemischen Langzeittherapie die Infektionsquellen in Mund und Darm zu sanieren. Die derzeit geeignetsten Maßnahmen sind eine regelmäßige professionelle Zahnreinigung, nachfolgende Spülungen mit Chlorhexidin und die natürliche Verdrängung von Darmpilzen mithilfe von Saccharomyces-cerevisiae-­Produkten aus der Apotheke. Im Zusammenspiel mit der antimykotischen Therapie sind damit die besten Aussichten auf eine dauerhafte Heilung ­gegeben.

Einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft bietet auch die Diagnostik mithilfe der PCR, die inzwischen in der Pilzkunde Einzug gehalten hat (Abb. 2). Das Prinzip der PCR ist denkbar einfach. Wie jeder andere Täter hinterlässt auch der Pilz am Infektionsort eine Genspur, seine DNA. Da diese ebenso unter einer Therapie und in den Sporen nachweisbar ist, besteht bei den Mykosen erstmals die Möglichkeit, den mikro­biologischen Endpunkt einer Therapie präzise bestimmen zu können. Auch der Nachweis des Erregers aus der Muttermilch im Falle einer Candida-Mastitis gelingt mit der PCR immer, im Unterschied zu einer Kultur, die hieraus meist negativ ist.

FAZIT:

Der Aufwand für die Therapie einer chronischen rezidivierenden Vulvo-Vaginalmykose ist hoch. Aber warum sollten wir all unsere Kräfte und Möglichkeiten nur gegen Viren aufbieten? Etwa eine Million Frauen mit wiedererlangter Lebensqualität werden es uns ebenso bei den Mykosen danken.

Der Autor

Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Tietz
Mycoclinic Berlin
Luisenstraße 50
10117 Berlin

Literatur beim Autor

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