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Gynäkologie

Diagnostische Bedeutung

Vaginaler Fluor bei gynäkologischen Infektionen

Dr. med. Klaus Peters

24.6.2022

Vaginaler Fluor ist einer der häufigsten Gründe für die Konsultation einer gynäkologischen Praxis. Daher ist ein systematisches Vorgehen bei der Diagnostik für den Ablauf der Behandlung sehr wichtig. Dieser Beitrag beschreibt die Basisdiagnostik, wie sie in unserer Praxis in der täglichen Routine durchgeführt wird.

Nach wie vor ist der Fluor ein Schlüssel zu vielen gynäkologischen Diagnosen. Fluor lässt sich nach verschiedenen Kriterien einteilen. Das umfassende Lehrbuch von Petersen [1], auch zwölf Jahre nach Erscheinen der letzten Auflage noch weitgehend aktuell, unterscheidet:

• nach der Konsistenz: wässrig, dünn, fest, klebrig, bröckelig
• nach dem Geruch: neutral, säuerlich, fischartig (Amine), stinkend (Buttersäure)
• nach den verursachenden Mikroorganismen (Pilze, Bakterien, Protozoen)
• nach seiner Gefährlichkeit bzw. Infektiosität (HIV, Chlamydien, Gonokokken, A-Streptokokken)

Die wichtigsten Ursachen und Formen sind noch einmal in der Tabelle zusammengefasst.

Anamnese und Abstrich

Vor jeder Diagnostik ist es wichtig, bei der Erhebung der Anamnese gut hinzuhören und gezielt nachzufragen. Seit wann bestehen die Beschwerden? Juckt, brennt oder riecht es? Haben Konsistenz und Menge des Fluors sich auffällig verändert? Auch sollte nach Beschwerden beim Partner gefragt werden.

Die pH-Messung des Fluors gibt erste Hinweise auf die Besiedlung. Ein pH-Wert < 4,5 bedeutet die Anwesenheit von Laktobazillen, da nur sie Milchsäure bilden und sich bei diesem pH-Wert noch vermehren können. Fehlen die Laktobazillen, liegt der pH-Wert häufig bei etwa 5,5. Durch die Zugabe eines Tropfens 10 % KOH-Lösung zum Fluor (auf Watteträger oder Objektträger) wird im Falle der Aminvaginose der typische fischartige Geruch (Amine) verstärkt.

Für die mikroskopische Untersuchung des Abstrichs verwenden wir in unserer Praxis Vergrößerungen von 100- und 400-fach, wobei die Mikroskope auf Phasenkontrast eingestellt bleiben. Neben den Objektträgern und Deckgläschen ­stehen griffbereit daneben physiologische Kochsalzlösung, Kalilauge 10 %, Methylenblau 1 % sowie Abstrichröhrchen für Chlamydien und andere Bakterien.

Soor wird häufig schon an den Symptomen erkennbar und die Diagnose wird unter Kalilauge im Mikroskop meistens durch die typischen Pseudomycelfäden bestätigt. Falls nicht, sollte an ein allergisches Geschehen gedacht werden, bei dem sich der Juckreiz vorwiegend im äußeren Vulvabereich findet. Lokale Irritationen sind die häufigste Ursache für solche Vulvaekzeme, ausgelöst vor ­allem durch Intimrasur, falsche Intimpflege oder z. B. permanente Reizung durch zu enge Kleidung.

Falls es brennt, kann auch eine kleine Verletzung Ursache sein (ggf. als Kratz­effekt aufgrund des Juckens). Etwa 75 % aller Frauen haben vor der Menopause in ihrem Leben mindestens einmal eine vulvovaginale Kandidose.

Bakterielle Vaginose

Die bakterielle Vaginose ist die häufigste mikrobielle Störung überhaupt mit einer Prävalenz von 5 % und bei Schwangeren von 10–15 %. Hier ist sie auch mit zahlreichen geburtshilflichen Problemen verbunden, wie vorzeitiger Wehentätigkeit und vorzeitigem Blasensprung. Daher nehmen wir im zweiten Trimenon ein Screening vor und behandeln auch bei asymptomatischer Kolpitis.

Die bakterielle Vaginose wird meistens durch Gardnerella vaginalis verursacht und ist schon durch den fischartigen Geruch auffällig, der von den Patientinnen selbst wahrgenommen werden kann. Es handelt sich um eine veränderte bakterielle Besiedlung der Vagina. Die vaginale Fehlbesiedlung mit fakultativ pathogenen Keime, die häufig aus dem Darmbereich stammen, wurde lange als Infektion bezeichnet. Es liegt aber keine Entzündungsreaktion vor, weshalb es sich auch nicht um eine Vaginitis handelt.

Eine so gestörte Vaginalflora ist zunächst nur eine ästhetische Belästigung für die Patientin oder ihren Partner durch den Geruch und den dünnen Fluor, bedeutet aber auch ein Risiko als Wegbereiter für andere Erreger. Anaerobier scheinen durch Stoffwechselprodukte von Gardnerella vaginalis in ihrer Vermehrungsfähigkeit gefördert zu werden. Ist die Laktobazillenflora nicht in der Lage, die Vermehrung der Anaerobier aufzuhalten, so kommt es zu einem fortschreitenden Kreislauf (Reduktion der Laktobazillen, Vermehrung der Anaerobier) und schließlich zum Vollbild der Aminvaginose.

Sexualkontakte spielen dabei eine große Rolle, durch Keimverschiebung vom Perianalbereich in die Vagina, durch die zusätzliche Flora des Partners und durch die Anhebung des pH-Werts durch das alkalische Ejakulat. Frauen mit mehreren Sexualpartnern haben daher häufiger eine Vaginose. Rezidivierende bakterielle Vaginosen sind aber auch ohne wechselnde Sexualpartner möglich. Zu den weiteren Ursachen gehören [1]:

• erhöhter vaginaler pH-Wert über längere Zeit, z. B. bei chronischer Blutungsstörung
• Vernichtung der Laktobazillen durch Antibiotika, Antiseptika, Spülungen u. a.
• Bindungsfähigkeit von Bakterien an Epithelzellen (clue cells)
• Biofilmbildung

Zur Diagnostik kommt zunächst die pH-Messung mit dem Teststäbchen zur Anwendung, die eine deutliche Verschiebung in den basischen Bereich zeigen kann (4,8–5,5 statt 3,8–4,5). Im Nativpräparat fallen „clue cells“ (Schlüssel­zellen) auf, die durch Besiedlung und Adhärenz von Kokken und Stäbchenbakterien gut erkennbar sind. Tropft man auf den Abstrich etwas Kalilauge, entwickelt sich ein stechender Geruch (Aminvaginose oder -kolpitis). Die kulturelle Anzüchtung der Bakterien bei der Aminvaginose ist im Normalfall nicht sinnvoll. Hier steht die aufwendige Diagnostik in keinem Verhältnis zur problemlosen Therapie.

Mittel der Wahl sind 5-Nitroimidazole. Je nach Schwere der Störung, der begünstigenden Zusatzfaktoren und der Regenerationsfähigkeit der normalen Vaginalflora sind unterschiedlich intensive und langdauernde Therapieformen notwendig. In unserer Praxis erfolgt die Therapie zunächst systemisch mit Metronidazol 2 x 500 mg oral über 7 Tage oder als Kombitherapie mit Vaginalovula (6 Tage).

Alternativ wirkt auch sehr gut Clindamycin 2 x 300 mg oral über 7 Tage ggf. als Kombitherapie. Wegen der hohen Rezidivquote wird bei uns der Partner mitbehandelt, auch wenn die Therapie des symptomfreien Partners in den Leitlinien nicht empfohlen wird. Eine Therapie muss generell nur eingeleitet werden, wenn die Patientin sich gestört fühlt, ein operativer Eingriff bevorsteht oder eine Schwangerschaft vorliegt.

Bei der rezidivierenden Aminvaginose wird die Therapieform gewählt, die von der Patientin präferiert wird. Das ist in der Regel die Lokaltherapie. Auch hier werden die höchsten Heilungsraten durch die höher dosierte Therapie mit ­Metronidazol erzielt, welche für die Kurzbehandlung am besten geeignet ist. ­Weitere Lokalbehandlungen können das Vorgehen bei rezidivierender Aminvaginose unterstützen, u. a. Vitamin C über > 5 Tage, Dequaliniumchlorid Milchsäurepräparate, Laktobazillenpräparate.

Andere vaginale Infektionen

Trichomoniasis  ist im Nativpräparat an den zuckenden Bewegungen der Erreger zu erkennen. Die Patientinnen klagen über heftigen gelb-grünlichen schaumigen Fluor, der oft auch juckend und brennend ist. Die Therapie ist identisch wie bei bakterieller Vaginose. Partner sollten mitbehandelt werden.

Chlamydien  sind die häufigste sexuell übertragbare Infektion und verursachen nur in ca. 10 % Beschwerden. Der akute Infekt fällt häufig durch einen massiven putriden Belag auf der Portio auf, die bei Berührung heftig bluten kann. Da Chlamydien oft über lange Zeit unbemerkt bleiben, können sie zu Adhäsionsbeschwerden und nach längerer Zeit zu Salpingitis und tubarer Steri­lität und dem stark erhöhten Risiko einer Extrauteringravidität führen.

Daher wird bei jungen Frauen bis zum 25. Lebensjahr ein regelmäßiges Screening mittels Labordiagnostik durchgeführt. Ein Test sollte auch immer bei Verdacht durchgeführt werden. Die Therapie besteht aus Doxycyclin 200 mg/Tag über 7 Tage, bei Salpingitis über 20 Tage, oder Azithromycin 1 x 1 000 mg. Auch der Partner muss synchron therapiert und der Therapieerfolg stets kontrolliert werden.

Gonorrhoe  ist selten, dafür jedoch besonders pathogen. Asymptomatische Infekte sind möglich. Bei einer eitrigen Zervizitis sollte immer an diese Möglichkeit gedacht werden. Mikroskopisch fallen die vielen Leukozyten auf, eine Diagnose sollte jedoch immer durch eine Kultur gestellt werden. Die Therapie erfolgt mit Cefalosporinen der 3. Generation, Cefixim, Cefpodoximproxetil, Ceftibuten oral oder Ceftriaxon intramuskulär. Wegen der zunehmenden Antibiotikaresistenz sind Ampicilline und Cefalosporine der 1. und 2. Generation nicht mehr wirksam. Die Gonorrhoe geht häufig einher mit einer Chlamydieninfektion. Der Therapieerfolg muss unbedingt kontrolliert werden, bei gefährdeten Patientinnen auch mehrfach. Wir konnten so Rezidive rechtzeitig erkennen und behandeln.

Als  Kolpitis plasmacellularis  wird eine eitrige Kolpitis ohne Erregernachweis bezeichnet. Typisch ist ein chronischer Verlauf über Monate, manchmal sogar Jahre. Es finden sich fleckförmige diffuse Rötungen. Der putride Fluor zeigt im Mikroskop massiv Leukozyten, ohne dass in der Kultur ein Erreger nachgewiesen werden kann. Das klinische Bild ist einer Trichomoniasis sehr ähnlich, jedoch bringt die Therapie mit Metronidazol keine Besserung. Am wirksamsten scheint eine Lokaltherapie mit Clindamycin Ovula oder Vaginalgel zu sein.

Andere Bakterien werden häufig in der Vagina gefunden, lösen jedoch selten ­Entzündungszeichen aus. Pathogene Keime wie Streptokokken A oder Staphylo­coccus aureus sollten auch bei Beschwerdefreiheit therapiert werden. Der ­alleinige Nachweis von anderen Keimen (Proteus sp., E. coli, Enterokokken, Streptokokken B) erfordert eine Antibiotikatherapie nur nach der Klinik und nicht nach der ­Mikrobiologie.

Wenn Patientinnen sich mit einem Fluorproblem vorstellen, zeigen sich manchmal völlig andere Befunde wie Herpes genitalis oder Harnwegsinfekte. Wenn schon über einen Pilz und nicht über die Symptome geklagt wird, hat Dr. Google die Diagnose womöglich schon vorweg genommen. Da heißt es immer vorsichtig zu sein.

Der wichtigste Tipp vom Praktiker für die Praxis hat sich seit Jahrzehnten nicht geändert: Man sollte sich ausführlich mit diesem wichtigen Thema befassen und unbedingt an Kursen teilnehmen, die das Mikroskopieren und Erkennen der ­verschiedenen Krankheitsbilder schulen.

Der Autor

Dr. med. Klaus Peters
Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Berner Heerweg 157
22159 Hamburg

praxis@dr-peters.net

1 Petersen EE, Infektionen in Gynäkologie und Geburtshilfe, 5. Auflage, Thieme 2010

Bildnachweis: cako74 (gettyimages), privat

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