In den vergangenen Jahren hat die Medizin in der Schlaganfall-Therapie große Fortschritte gemacht. Die Entwicklung spezieller Stationen und moderner Behandlungskonzepte gewährleistet eine sichere und schnelle Versorgung, mit der Mortalität und Folgeschäden so gering wie möglich gehalten werden können.
Pro Jahr erleiden etwa 270.000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall. Nach wie vor ist die zerebrovaskuläre Erkrankung nach Myokardinfarkten und Malignomen die dritthäufigste Todesursache und der häufigste Grund für erworbene Behinderungen im Erwachsenenalter. Etwa 60 % der Patienten sind langfristig auf Unterstützung, Therapie und Pflege angewiesen. Zudem haben sie ein deutlich erhöhtes Risiko für einen wiederholten Schlaganfall. Um die Folgeschäden so gering wie möglich zu halten, benötigen Schlaganfall-Patienten innerhalb weniger Stunden eine Therapie auf einer Stroke Unit. Die spezialisierten Schlaganfall-Stationen besitzen die technischen und personellen Voraussetzungen, um diese Patienten mit den notwendigen medizinischen Maßnahmen zu versorgen. Mit einem Netz aus mehr als 300 Stroke Units verfügt Deutschland über eine nahezu flächendeckende und qualitativ hochwertige Schlaganfall-Versorgung, mit deren Hilfe es gelungen ist, die Mortalitätsrate bei schweren Schlaganfällen wirksam zu senken.
Der ischämische Schlaganfall tritt am häufigsten auf. Ihm liegt ein Sistieren der Blut- und Sauerstoffversorgung im Gehirn zugrunde, was zu einem Funktionsverlust und schließlich zum Absterben von Hirngewebe führt. Synonym wird der Begriff „Hirninsult“ verwendet; die Bezeichnungen „Apoplex“ oder „Hirnschlag“ sind dagegen veraltet. Es gibt eine Reihe von Ursachen, die zum plötzlichen Verschluss einer Hirnarterie führen können. Zu den häufigsten gehört die Bildung von Embolien im Herzen aufgrund von Vorhofflimmern, da solche Blutgerinnsel oft in das Gehirn geschwemmt werden. Besonders gefährdet für arteriosklerotische Veränderungen, die das Risiko für eine Thrombenbildung erhöhen, sind Menschen mit Bluthochdruck, Diabetes mellitus, bestimmten Fettstoffwechselstörungen wie Hypercholesterinämie sowie Personen, die rauchen. Hinzukommen Risikofaktoren wie Adipositas, Bewegungsmangel und hohes Alter. Auch der Zusammenhang zwischen Schlaf bzw. Schlafapnoe-Syndrom und Schlaganfall ist seit einigen Jahren bekannt: Wenn die Atmung im Schlaf unbewusst aussetzt, steigt das Schlaganfall-Risiko etwa um das Dreifache.
Geschlechtsunterschiede spielen beim ischämischen Schlaganfall ebenfalls eine Rolle: kontrazeptive Therapie, Schwangerschaft, Migräne mit Aura und Depression sind Risikofaktoren, die ausschließlich bei Frauen bzw. deutlich häufiger bei Frauen auftreten. 55 % der Schlaganfälle pro Jahr betreffen Frauen. Obwohl ein Schlaganfall während einer Schwangerschaft selten ist (34 Schlaganfälle auf 100.000 Geburten), ist das Schlaganfall-Risiko während einer Schwangerschaft höher als bei nicht-schwangeren Frauen. Geschlechtsspezifische Unterschiede werden auch im Wissen und situationsgerechten Handeln beobachtet. Dies zeigte sich zum Beispiel in einer Studie mit Hochrisikopatienten: Frauen mit Vorhofflimmern waren dabei besser zu Symptomen und adäquatem Handeln informiert als Männer mit Vorhofflimmern.
Ein Schlaganfall ist ein medizinischer Notfall. Je weniger Zeit zwischen den ersten Symptomen und dem Beginn der Behandlung liegt, umso günstiger ist die Prognose für die Patienten. Die Symptome und Schäden können vielfältig sein, abhängig davon, welche Arterie bzw. welche Gehirnregion betroffen ist. Ein typischer Vorbote eines ischämischen Schlaganfalls ist die transitorische ischämische Attacke (TIA). Sie verursacht plötzlich auftretende neurologische Symptome wie Lähmungen, Schwindelgefühle und Sprach- oder Sehstörungen. 90 % der Schlaganfälle betreffen das Arteria-carotis-Stromgebiet. So sind beispielsweise die Carotisgabel oder der linke Vorhof häufige Ursprungsorte. Ist der Hauptstamm oder ein Ast der A. cerebri media betroffen, kommt es in der Regel zu einer brachiofazialen Hemisymptomatik mit motorischen und sensiblen Ausfällen, oft auch zu einer Hemi- oder Quadrantenanopsie und zu einer horizontalen Blicklähmung. Bei Läsion der sprachdominanten Seite tritt eine Aphasie auf, bei rechtshemisphäriellen Infarkten eine Störung des Raumsinnes. Im Verlauf stellt sich dann oft das typische Wernicke-Mann-Gangbild als Folge der einseitigen Lähmung ein. Bei Schlaganfällen im Bereich der A. cerebri posterior treten oft nicht nur eine einseitige Gesichtsfeldeinschränkung, sondern als Folge einer Infarzierung des Thalamus auch neuropsychologische Symptome und eine Hemihypästhesie auf. Hirnstammsyndrome sind stark von ihrer Lokalisation mit verschiedenen Hirnnervenausfällen, aber auch Bewusstseinsstörung und Tetraparese geprägt. Bei Kleinhirninfarkten beobachtet man ataktische Symptome, eine Dysmetrie, Nystagmus oder Schwindel. Da die hintere Schädelgrube wenig Raum lässt, entsteht hier schnell ein vital bedrohliches Hirnödem mit der Gefahr der unteren Einklemmung.
Der Schlaganfall-Patient mit plötzlichem Verschluss eines Hirngefäßes sollte als kritisch kranker Patient aufgefasst werden, der von Tod oder schwerer Behinderung bedroht ist und jederzeit systemische Komplikationen unter der Therapie entwickeln kann. Entscheidend für die Akuttherapie ist das rechtzeitige Erkennen und die Zuweisung als vitaler Notfall in die Notaufnahme einer Klinik mit einer Stroke Unit. Der Patient wird auf der spezialisierten Schlaganfall-Station schnell und sicher einer fachübergreifenden, leitliniengerechten Therapie, bestehend aus zerebraler Bildgebung, Thrombolyse und Thrombektomie, zugeführt. Die Chance zu überleben, erhöht sich durch die Behandlung auf einer Stroke Unit, verglichen mit der einer allgemeinen Klinik, um etwa 25–50 %. Die Notwendigkeit einer Weiterbetreuung aufgrund von Behinderung, zum Beispiel in einem Pflegeheim, reduziert sich um 25 %. Nach aktueller wissenschaftlicher Datenlage ist die Versorgung eines Schlaganfall-Patienten in einer spezialisierten Klinik mit Stroke Unit daher einer allgemeinen Klinik vorzuziehen.
Eine Thrombolyse muss so früh wie möglich, innerhalb von 4,5 Stunden nach Beginn der Symptome eines Schlaganfalls, eingeleitet werden. Zuvor muss eine intrakranielle Blutung durch geeignete bildgebende Verfahren, zum Beispiel durch craniale Computertomografie (CCT) oder andere diagnostische Bildgebungsverfahren, die empfindlich für den Nachweis von Blutungen sind, ausgeschlossen werden.
Das Medikament zur Auflösung von Thromben wird entweder über eine Vene in den gesamten Körper oder mittels Katheter direkt in das verschlossene Gehirngefäß appliziert. Für den thrombolytischen Wirkstoff Alteplase (rt-PA) ist die Wirksamkeit und Sicherheit in klinischen Studien gut belegt. Die Substanz ist seit vielen Jahren in Deutschland, in europäischen Ländern und in Nordamerika zur Thrombolyse bei akuten ischämischen Schlaganfällen bei erwachsenen Patienten zugelassen und wurde im Juli dieses Jahres von der WHO in den Katalog unentbehrlicher Arzneimittel aufgenommen. Die Anwendung darf nur unter der Verantwortung und Nachsorge eines speziell in der neurovaskulären Behandlung erfahrenen Arztes vorgenommen werden. Der Behandlungseffekt ist zeitabhängig, daher erhöht ein früherer Behandlungsbeginn die Wahrscheinlichkeit für ein günstiges Ergebnis.
Vor dem Hintergrund, dass erste Lyse-Serien Ende der 1980er-Jahre intraarteriell (i.a.) waren, die Rekanalisationsraten mit intravenöser (i.v.) Therapie nicht ausreichten und vor allem proximale Verschlüsse häufig nicht durch eine intravenöse Therapie allein rekanalisierbar sind, wurden in den vergangenen Jahren interventionelle Verfahren mit typischerweise kombiniertem Einsatz mechanischer und pharmakologischer Techniken mit oder ohne intrakranieller Stent-Platzierung zur Thrombusentfernung entwickelt. In einigen randomisierten kontrollierten Studien hat sich die zusätzliche endovaskuläre Schlaganfall-Therapie (EST, Thrombektomie) mittels Stent-Retriever im Vergleich zur alleinigen Standardbehandlung (oftmals inklusive intravenöser Thrombolyse) des akuten ischämischen Schlaganfalls bereits als wirksam erwiesen. Auf Basis dieser Ergebnisse wurden internationale Leitlinien der DGN im Jahr 2016 aktualisiert und die Behandlung als Empfehlung aufgenommen.
Immer mehr Patienten mit akutem ischämischen Schlaganfall profitieren von einer mechanischen Thrombektomie. Dabei wird der Thrombus mithilfe minimalinvasiver Techniken geborgen und über einen Hohlkatheter, der in die Leiste des Patienten eingeführt wird, aspiriert. Eine Thrombektomie wird insbesondere bei größeren verschlossenen Hirngefäßen zur Behandlung von schweren ischämischen Schlaganfällen eingesetzt. Aufgrund der Komplexität dieses interventionellen Verfahrens ist die mechanische Thrombektomie nur Zentren mit entsprechender Erfahrung und ausgebildeten Interventionalisten vorbehalten. Durch die Technik ist es mittlerweile möglich, beinahe 90 % aller Gefäße wieder zu öffnen. Zwei 2018 publizierte Arbeiten, die DAWN- und DEFUSE-3-Studie, konnten zeigen, dass die mechanische Thrombektomie sogar 16–24 Stunden nach Auftreten der Schlaganfall-Symptome noch für eine verbesserte Erholung der Patienten sorgen kann.
Die mechanische Thrombektomie sollte jedoch nicht die Einleitung der intravenösen Thrombolyse verzögern und umgekehrt darf die intravenöse Thrombolyse die mechanische Thrombektomie nicht verzögern. Insbesondere wird nicht empfohlen, einen möglichen rt-PA-Effekt vor der Thrombektomie abzuwarten. Die mechanische Thrombektomie muss möglichst rasch nach der Indikationsstellung erfolgen. Die Zeit zwischen Eintreffen in der Klinik und Leistenpunktion (engl. door-to-groin time) sollte maximal 90 Minuten und die Zeit zwischen Leistenpunktion und Beginn der Thrombektomie maximal 30 Minuten betragen.
Lähmungen, Sprachstörungen und Sehstörungen – ein Schlaganfall kann zahlreiche körperliche Folgen nach sich ziehen. Auch die Psyche leidet oft: Bei etwa jedem dritten Patienten tritt eine Depression oder Angststörung auf. Zudem entwickelt jeder Zehnte eine Demenz. Da das Risiko eines erneuten Schlaganfalls innerhalb der nächsten 48–72 Stunden am höchsten ist, ist eine frühzeitige, kompetente Behandlung und Nachsorge nach einem Schlaganfall umso wichtiger.
Die Prophylaxe und Therapie möglicher Komplikationen beginnt schon auf der Stroke Unit. Ein akuter Schlaganfall kann zahlreiche Folgen wie Harnwegsinfekte, Pneumonie und Dysphagie nach sich ziehen, die auch die Morbidität und Mortalität beeinflussen. Bei bis zu 50 % der Patienten wird während der ersten Krankheitstage eine Aspirationsneigung festgestellt, weshalb die bakterielle Pneumonie zu den häufigsten Komplikationen bei Schlaganfall-Patienten zählt. Bis zu 25 % der Todesfälle nach Schlaganfällen werden außerdem durch eine Lungenembolie verursacht. Die Inzidenz wird jedoch, bedingt durch die modernen Prophylaxemaßnahmen und das erfahrene Personal auf Stroke Units, mittlerweile auf unter 5 % geschätzt. Um tiefe Beinvenenthrombosen und Dekubitalgeschwüre zu vermeiden, muss eine Mobilisation so früh wie möglich erfolgen. Auch kardiale Komplikationen wie Herzrhythmusstörungen und Herzinsuffizienz können in Folge eines Schlaganfalls auftreten. Eine frühe Physiotherapie und die Beobachtung physiologischer Parameter können davor schützen.
Zur Sekundärprävention vaskulärer Ereignisse nach einer transitorischen ischämischen Attacke oder einem nicht-kardioembolischen Schlaganfall sind Thrombozytenfunktionshemmer (TFH) die First-Line-Therapie. Die Kombination von Acetylsalicylsäure (ASS) und Clopidogrel wird dabei von Fachgesellschaften empfohlen. Eine langfristige Gabe zur Sekundärprophylaxe sollte wegen des erhöhten Blutungsrisikos jedoch vermieden werden. Bei Patienten mit TIA und Behandlungsbeginn innerhalb von 24 Stunden kann bei arteriosklerotischem Schlaganfall 75 mg Clopidogrel und 100 mg ASS über 21 Tage als individuelle Therapieentscheidung kombiniert zur Sekundärprophylaxe gegeben werden. Für Clopidogrel sollte eine „Loadingdose“ von initial 300 mg gegeben werden. Die Detektion von Vorhofflimmern bei Patienten, die einen Schlaganfall erlitten haben, sollte üblicherweise zu einer Umstellung der medikamentösen Sekundärprävention führen, da eine orale Antikoagulation (OAK) einer Thrombozytenaggregationshemmung überlegen ist. Untersuchungen belegen, dass die orale Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten bei Patienten mit kardioemboligenem Schlaganfall im Vergleich zu Placebo zu einer relativen Risikoreduktion von fast 70 % führt. Mit den neuen oralen Antikoagulanzien (NOAKs) stieg der Anteil der Patienten, die konsequent antiokoaguliert werden, in den vergangenen Jahren zunehmend an. Auch die Medikamentenadhärenz konnte verbessert werden.
Bei Patienten mit ausgedehntem Verschluss der mittleren Hirnarterie kann eine Hemikraniektomie zur Druckentlastung die Überlebenschancen deutlich verbessern, wie Studien gezeigt haben. Durch das chirurgische Verfahren, bei dem ein Teil des Schädelknochens entfernt wird, wird dem Gehirn nach einem schweren Schlaganfall mit einem Anstieg des Hirndrucks die Möglichkeit gegeben, sich auszudehnen.
Fazit
Alle akuten Schlaganfall-Patienten sollten heutzutage auf einer Stroke Unit behandelt werden. Nur hier besteht die Möglichkeit, die wichtigsten diagnostischen (CT, MRT, Angiografie, Ultraschall u. a.) und therapeutischen Verfahren (intravenöse Thrombolyse, intraarterielle Thrombektomie u. a.) einzusetzen. Die endovaskulären Therapieoptionen erweitern hierbei das klassische Zeitfenster in der Schlaganfall-Behandlung deutlich. In der Sekundärprophylaxe hat die erweiterte Detektion des Vorhofflimmerns und die Therapie mit direkten oralen Antikoagulanzien einen besonders hohen Stellenwert.
Der Autor
Prof. Dr. med. Carl-Albrecht Haensch
Facharzt für Neurologie
Kliniken Maria Hilf Mönchengladbach
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