Die Prävalenz chronischer Schmerzen liegt in Deutschland bei 28 %, davon sind 95 % nicht ­­durch Tumorschmerzen bedingt, teilte Dr. med. Eva Bartmann (Neu-Ulm) mit. Das chronische Schmerzsyndrom gilt als eigenständige Krankheit und ist in der 10. Version der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme als F45.41 diagnostizierbar.

Im Stufenschema der WHO beginnt die schmerzmedizinische Therapie mit nicht opioidhaltigen Medikamenten, danach folgen zuerst schwach und dann stark wirksame Opioide. Der Schmerz wird allerdings auch als psychophysisches Gesamtereignis aufgefasst, bei dem neben biologischen auch psychische sowie soziale Faktoren eine Rolle spielen. Dies bedarf einer multimodalen Therapie, die neben einer medizinischen  und einer Medikation auch eine physio- bzw. psychotherapeutische Behandlung umfasst.

Von den ca. 3,9 Mio. Menschen, die an schweren chronischen Schmerzen leiden, können jedoch lediglich etwa 400 000 von einem der 1 329 ambulant tätigen Schmerztherapeuten im Quartal versorgt werden. Dies bedingt eine durchschnittliche Erkrankungsdauer von vier Jahren bis zur Erstvorstellung in einer schmerzmedizinischen Einrichtung.

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Online Schmerzen reduzieren

Als Einstieg – wenn kein Therapieplatz verfügbar ist oder eine Therapie aus Scham gescheut wird –, ­therapiebegleitend oder als Rezidivprophylaxe kann die DiGA „Selfapys Online-Kurs bei chronischen Schmerzen“ eingesetzt werden. Der dreimonatige Online-Kurs basiert auf etablierten Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie und bietet den Pa­tienten Anleitungen zu evidenzbasierten Methoden und Übungen aus den Bereichen der systemischen und Verhaltenstherapie sowie des Achtsamkeits­trainings über Text-, Bild-, Audio- und Videoelementen. Zudem hilft ein digitales Stimmungstagebuch, individuelle Zusammenhänge zwischen potenziellen Einflussfaktoren und der eigenen Befindlichkeit zu verstehen. Darüber hinaus wird jeder Nutzer über diesen Zeitraum von demselben Psychologen beim bestimmungsmäßigen Gebrauch der App unterstützt.

Der Kurs ist vorläufig im DiGA-Verzeichnis gelistet, da er einen positiven Effekt per Pilotstudie bewiesen hat: Die Patienten berichteten von einer signifikanten Reduktion der Schmerzstärke, der erlebten Beeinträchtigung durch den Schmerz, der depressiven Symptomatik und der katastrophierenden Gedanken. Gleichzeitig wurde eine gesteigerte gesundheits­bezogene Lebensqualität beobachtet [1].

Aktuell befindet sich eine randomisierte ­kontrollierte Studie zur Wirksamkeit des Kurses bei chronischen Schmerzen in der letzten Rekrutierungs­phase, um nach Prüfung der Ergebnisse durch das Bundes­institut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine dauerhafte Listung zu erzielen.

Nach Diagnosestellung und Ausschluss von Kontraindikationen kann die DiGA als Medizinprodukt vom Arzt verordnet werden.