Der Begriff „Myopathie“ oder Muskelerkrankung bezeichnet ganz unspezifisch eine krankhafte Veränderung der Muskulatur. In aller Regel ist dabei, mit Ausnahme der Kardiomyopathie, die quergestreifte Skelettmuskulatur gemeint. Leitsymptom aller Myopathien ist eine Schwäche der Muskulatur.
Rückenschmerzen gehören zu den häufigen Beratungsursachen in der Allgemeinpraxis. Meistens ist die untere Wirbelsäule, der Lumbalbereich (Lumbalsyndrom) betroffen. Dabei handelt es sich überwiegend um Myopathien, die sowohl körperliche als auch psychische Ursachen (z. B. Stress) haben können. Auch Kälteeinwirkung, starkes Schwitzen, gefolgt von einer Abkühlung durch leichten Wind oder durch Zugluft jeglicher Art, lassen nach einiger Zeit ein Spannungs- und Schmerzgefühl auftreten. Unterkühlte Muskulatur verbunden mit plötzlichen, ruckartigen Bewegungen führt zu Muskelverkrampfungen und den berühmten einschießenden Schmerzen, dem „Hexenschuss“. Folge dieser Muskelverspannung ist oftmals auch die Blockierung einer oder mehrerer Lendenwirbel, was wiederum zur reaktiven Myopathie führt. Unabhängig von der Ursache resultiert letztendlich ein Schmerz, dessen Stärke bis zur Bewegungsunfähigkeit führen kann.
Myopathien der Rückenmuskulatur treten oftmals auch plötzlich nach ruckartigen Bewegungen oder bei unkontrollierten Rotationsbewegungen auf. Es wird ebenfalls über ein allmählich schleichendes Auftreten ohne direkt erkennbare Ursache berichtet. Dabei ergibt eine intensive anamnestische Befragung eventuell Hinweise auf eine mögliche Ursache.
Der Anamnese folgt die körperliche Untersuchung. Gerade bei der Wirbelsäule lassen sich durch verschiedene manuelle Untersuchungstechniken und Funktionsgriffe die Ursachen von Schmerzen sehr gut feststellen und lokalisieren. Wichtig für die Therapie ist, z. B. Höhe und Richtung der Blockaden festzustellen. Nur wenn die Untersuchung kein eindeutiges Ergebnis liefert, sind ggf. weitere apparative Untersuchungsschritte indiziert. So beinhalten radiologische Untersuchungsmethoden das konventionelle Röntgen, und bei der differenzialdiagnostischen Frage nach Entzündungen oder Tumoren die Computertomografie (CT), Magnetresonanztomografie (MRT) sowie spezielle nuklearmedizinische Untersuchungen wie die Knochenszintigrafie.
Differenzialdiagnostisch muss bei Rückenschmerzen natürlich neben degenerativen und rein statischen Störungen zuerst an einen Bandscheibenvorfall gedacht werden. Weiterhin muss auch an neoplastische Erkrankungen, Wachstumsstörungen, viszerale Erkrankungen, neurodystrophische WS-Veränderungen sowie an WS-Veränderungen bei hämatologischen Erkrankungen gedacht werden. Zusätzlich sind Nierenerkrankungen auszuschließen.
Die Bandscheiben werden nur durch einen ständigen Wechsel von Kompression und Entlastung optimal versorgt. Dies ist letztlich nur durch regelmäßige Bewegung zu erreichen. Durch Bewegungsmangel und viel Sitzen werden die Bandscheiben weniger belastbar. Diesbezüglich wird ein möglicher Zusammenhang mit der Entstehung der Osteochondrose diskutiert. Bei diesem durch bildgebende Verfahren feststellbaren Phänomen sind die Bandscheiben in ihrer Höhe gemindert und können durch eine verringerte Elastizität ihre Funktion nicht mehr voll erfüllen. Aus kompensatorischen Gründen bilden sich knöcherne Ausziehungen an den Wirbeln (Randanbauten). Dabei handelt es sich um degenerative Veränderungen der Wirbel, die als Spondylose bezeichnet werden.
Die Arthrose der kleinen Wirbelgelenke, die Spondylarthrose, ist häufig ein Nebenbefund bildgebender Verfahren. Bislang fehlt jedoch noch eine sichere Aussage darüber, ob die Wirbelgelenkarthrose den Schmerz neben der Wirbelsäule erklären kann. Möglicherweise spielen hier andere Faktoren eine entscheidende Rolle. Das Beschwerdebild, das sich bei der Arthrose der kleinen Wirbelgelenke ergibt, wird unter dem Begriff Facettensyndrom zusammengefasst. Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass bei Patienten mit Rückenschmerzen die thorakolumbalen Faszien (TLF) verdickt sind. Durch verminderte Bewegung, so wird aktuell angenommen, könnte die verdickte thorakolumbale Faszie verkleben und demnach auch für die Beschwerden verantwortlich sein. Weiterhin sind einseitige Belastungen wie bei der Skoliose, bei Haltungsfehlern oder bei Beinverkürzungen für die Entstehung eines Facettensyndroms mitverantwortlich.
Bezüglich eines lumbalen Bandscheibenvorfalls gibt es einige typische Zeichen, bei deren Vorliegen ein Bandscheibenvorfall diagnostiziert bzw. ausgeschlossen werden kann. Zu diesen typischen Zeichen gehören ein scharfer ins Bein ziehender Rückenschmerz, der häufig bis in den Fuß einstrahlt. In den meisten Fällen liegt bei einer Lumboischialgie jedoch eine harmlosere Ursache zugrunde. Schmerzverstärkung durch Niesen, Husten oder Pressen, Schmerzen im Bein, die stärker sind als die Rückenschmerzen, sprechen jedoch für einen Bandscheibenvorfall. Weiterhin sind Parästhesien und/oder Hypästhesien im Bereich der Beine bis hin zu Lähmungen oder ein Kraftverlust bestimmter Muskelgruppen als typische Zeichen eines Bandscheibenvorfalls zu werten
Fallbeispiel
Ein 63-jähriger, leicht übergewichtiger Patient (184 cm, 92 kg) stellt sich, eine Hand im Rücken, leicht gebeugte Haltung und humpelndem Gangbild am Samstagvormittag notfallmäßig in der Praxis vor. Der Patient hat am Vortag einen schweren Koffer aus dem Auto gehoben. Bei einer Drehbewegung sei es ihm kurz „ins Kreuz gefahren“. Er klagt über starke Rückenschmerzen, vorwiegend im Bereich der unteren Wirbelsäule, weshalb er sich nur unter Schmerzen bewegen könne. Gestern Abend sei nichts zu merken gewesen, und heute Morgen habe er kaum aufstehen können. Der Untersuchung der gesamten Wirbelsäule einschließlich der Beweglichkeit der Iliosakralgelenke (ISG) sowie der Muskulatur schließt sich die orientierende neurologische Untersuchung zum Ausschluss einer Wurzelreizsymptomatik mit neurologischem Defizit an. Es zeigt sich in typischer Weise ein Muskelhartspann im Bereich der langen Rückenstrecker und der lumbalen Muskulatur. Weiter wurde eine ISG-Blockierung links festgestellt. Die neurologische Untersuchung war unauffällig.
Der Untersuchung schließt sich die Akuttherapie in Form der Chirotherapie zur Deblockierung des ISG sowie eine lokale Infiltration des ISG an. Es werden spezielle Bewegungsübungen im Sinne einer Krankengymnastik durchgeführt und für die Selbstanwendung gezeigt. Entsprechendes Bildmaterial wird dem Patienten mitgegeben. Zur Weiterbehandlung mittels Wärmeanwendung, therapeutische Lokalanästhesie (TLA) und krankengymnastischer Übungsbehandlung werden weitere Termine vereinbart. Die Schmerzen waren am darauffolgenden Montag gebessert, das ISG nahezu frei beweglich, es bestand noch ein ausgeprägter Muskelhartspann sowie ein deutlicher Bewegungsschmerz. Es werden nochmals eine Wärmebehandlung durchgeführt, ein chirotherapeutischer Eingriff zur Mobilisation des ISG und der Lendenwirbelsäule sowie eine therapeutische Lokalanästhesie.
Der Patient stellt sich vereinbarungsgemäß am nächsten Tag nochmals vor. Die Beschwerden seien weitgehend abgeklungen, nur nach längerer Ruhephase seien „Anlaufschmerzen“ noch vorhanden. Die Wärmebehandlung habe sehr gut getan. Die Untersuchung zeigte jetzt ein frei bewegliches ISG. Es war nur noch ein leichter Muskelhartspann zu tasten. Nach der Wärmebehandlung wurde mit dem Patienten ein ausführliches erörterndes Gespräch geführt, das der Prophylaxe solcher Beschwerden dienen soll.
Der Autor
Dr. med. Dr. rer. nat.
Peter Schlüter
Arzt für Allgemeinmedizin
Arzt für Naturheilverfahren
76684 Tiefenbach
schlueter@vital-arzt-praxis.de
www.vital-arzt-praxis.de
Dr. Dr. Peter Schlüter ist promovierter Naturwissenschaftler und Mediziner. Seit 1982 ist er als Arzt für Allgemeinmedizin mit betriebswirtschaftlich optimierter Praxis niedergelassen. Als Berater zu allen Fragen der Praxisorganisation, Praxismanagement und Abrechnung ist er seit 1987 tätig.
Literatur beim Autor
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