Im vorgestellten Fall geht es um eine Patientin, die an einer Migräne mit Aura leidet. Da zusätzliche Risikofaktoren für kardiovaskuläre Ereignisse existieren, müssen Vor- und Nachteile einer hormonellen Kontrazeption sorgfältig abgewogen werden. Die Patientin entscheidet sich für eine orale Kontrazeption mit Drospirenon mono.
Eine 36-jährige Patientin (Nullipara) stellt sich mit dem Wunsch zur Kontrazeption vor. Die Patientin hatte bis vor 10 Jahren mit einem kombinierten oralen Kontrazeptivum verhütet. Danach erfolgte die Verhütung mit Barrieremethoden, vorzugsweise mit Kondomen. Die Patientin hat jetzt wieder eine feste Partnerschaft und wünscht daher eine sichere Verhütungsmethode, bevorzugt ein KOK aufgrund guter Erfahrungen in der Vergangenheit. Die Anamnese zeigt einen regelmäßigen Zyklus. Die Patientin ist Nichtraucherin. Der Blutdruck beträgt 120/80 mmHg bei leichtem Übergewicht (BMI = 27 kg/m2). Gelegentlich treten störende Zwischenblutungen und geringe prämenstruelle Ödeme auf. Bei der Patientin ist eine Migräne mit Aura bekannt, die gelegentlich auch menstruationsgetriggert ist. Kinderwunsch besteht in etwa 1–2 Jahren. Alle Vorsorgeuntersuchungen sind unauffällig.
Migräne als Herausforderung
Da die Migräneprävalenz ab der Pubertät bis zum Erreichen der Menopause am höchsten ist, spielt die Frage nach der Kontrazeption bei betroffenen Frauen eine große Rolle, wie auch die S3-Leitlinie zur hormonellen Empfängnisverhütung festhält [1]. Patientinnen mit Kopfschmerzen und Migräne stellen aufgrund der Häufigkeit der Erkrankungen in der Praxis eine Herausforderung dar, wenn es um die Kontrazeptionsberatung geht.
Das Spektrum der möglichen Auswirkungen reicht von einer Verbesserung der Symptomatik bei zyklischen Kopfschmerzen bis zu einem erhöhten Apoplexrisiko in Konstellationen. Insofern ist immer eine sorgfältige Anamnese erforderlich. In Einzelfällen sollte gegebenenfalls auch eine interdisziplinäre Entscheidung mit einem Neurologen oder einer Neurologin erfolgen.
Epidemiologische Daten sprechen für einen Zusammenhang zwischen Menstruation und Migräne. Etwa eine von drei bis fünf Migränepatientinnen erleidet im Zusammenhang mit der Menstruation eine Migräneattacke [2]. Fast 15 % der Frauen erfüllen die kompletten Kriterien für Migräne nach der International Classification of Headache Disorders (ICHD-3). In der Perimenopause wird eine Migräneprävalenz von 10–29 % angegeben [3].
Migräne ist ein Risikofaktor für Schlaganfall und andere vaskuläre Ereignisse. Da das Schlaganfallrisiko auch bei Einsatz von kombinierten hormonellen Kontrazeptiva erhöht sein kann, ist die Frage relevant, ob das gleichzeitige Bestehen einer Migräne und die Einnahme von kombinierten hormonellen Kontrazeptiva das Schlaganfallrisiko weiter erhöhen kann [4].
Überlegungen zur Kontrazeption
Die gewünschte erneute Verhütung mit einer KOK ist nicht empfehlenswert, da Migäne mit Aura schon alleine eine Kontraindikation ist. Kommen dann noch zusätzliche Risikofaktoren wie im vorliegenden Patientenfall hinzu (Alter > 35, BMI > 25), kann das individuelle VTE-Risiko noch weiter ansteigen [5]. Eine mögliche intrauterine Kontrazeption wird seitens der Patientin nicht gewünscht, da sie aufgrund eines Kinderwunsches in den nächsten 1–2 Jahren flexibel verhüten möchte.
In einem Konsensus-Statement analysieren die European Headache Federation (EHF) und die European Society of Contraception and Reproductive Health (ESCRH) die Frage der Kontrazeption bei Patientinnen mit Migräne [6]. Folgende Aspekte des Expertenkonsensus sind in diesem Zusammenhang zu betonen [6]:
Dieser Patientin haben wir die Verhütung mit einer Progestin-only-Pille (POP) angeraten, die im Einklang mit dem Expertenkonsens steht. Im vorliegenden Fall ist innerhalb der POP die Anwendung von Drospirenon mono aufgrund des leichten prämenstruellen Syndroms und der daraus resultierenden Blutungsstörungen gegenüber Desogestrel mono zu bevorzugen. Auch die prämenstruelle Ödembildung kann durch die antimineralokortikoide Wirkung des Drospirenons günstig beeinflusst werden.
Im vorgestellten Fall ist eine sorgfältige Anamnese erforderlich. KOK sind bei Migräne mit Aura kontraindiziert, und auch bei Migräne ohne Aura können KOK bei Vorliegen zusätzlicher Risikofaktoren das VTE-Risiko erhöhen. Daher müssen weitere Risikofaktoren erfasst werden, auch klinische Symptome. Durch die richtige Auswahl der Kontrazeption kann es sogar zu einer Verbesserung der neurologischen Situation kommen. Die Blutungsprofile von Drospirenon mono stellen sich oft günstiger dar als unter Desogestrel. Ein zusätzlicher Effekt auf die prämenstruelle Ödembildung ist durch die antimineralokortikoide Partialwirkung von Drospirenon mono zu erwarten.
Der Autor
Prof. Dr. med. Thomas Römer
Chefarzt der Frauenklinik in Köln-Weyertal
Herausgeber des Journals DER PRIVATARZT GYNÄKOLOGIE
Impressum
Bericht: Prof. Dr. med. Thomas Römer I Redaktion und Konzept: Dr. rer. nat. Reinhard Merz
MiM Verlagsgesellschaft mbH (Neu-Isenburg)
Mit freundlicher Unterstützung der Exeltis Germany GmbH (Ismaning)
Bildnachweis: privat