Rezidive des HER2-positiven(HER2+) Mammakarzinoms gehen in vielen Fällen mit Fernmetastasen einher. Therapeutisches Ziel ist es daher, das Rezidivrisiko nach Abschluss der Primärtherapie möglichst weit zu reduzieren. Das Konzept der extendierten adjuvanten Therapie scheint dabei vielversprechend.
Vor den HER2-zielgerichteten Therapeutika war das HER2+ Mammakarzinom mit einer schlechten Prognose verbunden.[1] Dies änderte sich jedoch dramatisch mit der Entwicklung von Trastuzumab und zusätzlichen HER2-spezifischen Wirkstoffen, insbesondere bei frühem HER2+ Brustkrebs. Für Patientinnen mit einem HER2+ Subtyp empfiehlt die aktuelle Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) im Anschluss an eine Operation (und ggf. nach neoadjuvanter Behandlung) eine adjuvante Trastuzumab-basierte Therapie.[2] Trotz einer deutlichen Verbesserung des Outcomes durch die adjuvante Therapie mit Trastuzumab entwickeln bis zu 26 % der Betroffenen im Nachbeobachtungszeitraum von zehn Jahren ein Rezidiv.[3]
In den meisten Fällen geht ein solches Rezidiv mit Fernmetastasen einher und die überwiegende Mehrheit der Patientinnen mit metastasierender HER2+ Erkrankung, die anfänglich auf Trastuzumab ansprechen, entwickeln dann eine Resistenz.[4] Je nach Hormonrezeptorstatus (HR-Status) kann das Rezidivrisiko unterschiedliche charakteristische Verläufe aufweisen. Eine besondere therapeutische Herausforderung stellt dabei das HER2+/HR+ Mammakarzinom dar. Charakteristisch für diesen Tumortyp ist die Überexpression des HER2-Rezeptors, kombiniert mit einem positiven Hormonrezeptorstatus für Estrogen- (ER: estrogen receptor) und/oder Progesteron-Rezeptoren (PgR: progesterone receptor).[5] HER2+/HR+ Patientinnen haben nach einer neoadjuvanten Therapie seltener eine pathologische Komplettremission (pCR) als Patientinnen mit HER2+/HR-Status und zusätzlich ein erhöhtes Risiko für späte Rezidive.[6]
Kleinmolekulare Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) unterdrücken das Wachstum von HER2+ Brustkrebszellen, indem sie die Phosphorylierung von ErbB-Rezeptor-Tyrosinkinasen (RTK) hemmen und so die Aktivierung von nachgeschalteten Signalmediatoren verhindern.[7] Lapatinib, ein reversibler Inhibitor von EGFR- und HER2-RTK, ist seit 2008 in der EU zugelassen.[8] Neratinib, ein irreversibler TK-Inhibitor der zweiten Generation, bindet als pan-HER-TKI an die intrazellulären Tyrosinkinase-Domänen von HER1, HER2 und HER4 und inhibiert dadurch irreversibel die nachgelagerte Signalkaskade – ein Wirkmechanismus, der Neratinib von anderen, gegen HER2-gerichteten Therapeutika unterscheidet. In Phase-II-Studien bei HER2+ Patientinnen betrug die objektive Ansprechrate bei Patientinnen mit Trastuzumab-Refraktär 24 % und bei Patientinnen mit Trastuzumab-Naivität 56 %.[9]
Um Rezidive mit Fernmetastasen und somit eine nicht mehr heilbare Situation zu vermeiden, sind neue Ansätze erforderlich, die das Überleben der Patientinnen frei von invasiver Erkrankung verlängern sowie das Rezidivrisiko reduzieren. Die klinische Wirksamkeit von Neratinib wurde in der placebo-kontrollierten, randomisierten, doppelblinden, multizentrischen Phase-III-Studie ExteNET mit insgesamt 2.840 Patientinnen mit HER2+ Mammakarzinom im Frühstadium untersucht. Primärer Endpunkt war das Überleben frei von invasiver Erkrankung (iDFS), sekundäre Endpunkte die Zeitspanne bis zum Auftreten von Fernmetastasen, das Überleben frei von Fernmetastasen, die kumulative Inzidenz von ZNS-Metastasen, die Sicherheit und das Gesamtüberleben.
Nach 2-jähriger Nachbeobachtung zeigte sich ein signifikant verlängertes Überleben frei von invasiver Erkrankung in nahezu allen vordefinierten Subgruppen, besonders profitierten HER2+/HR+ Patientinnen, die die adjuvante Trastuzumab-basierte Vortherapie vor weniger als einem Jahr beendet hatten.[10,11] Das relative Risiko eines invasiven Rezidivs oder Tod wurde in fünf Jahren Nachbeobachtung gegenüber dem Placebo um 42 % reduziert. Dies bedeutet eine absolute Reduktion der Rezidiv-Wahrscheinlichkeit nach fünf Jahren von 5,1 % (Abb.).[12]
Dabei wurde kein Risiko für eine Langzeittoxizität beobachtet. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse waren Diarrhoe (95 %), Übelkeit (43 %), Fatigue (27 %) und Erbrechen (26 %). Mit einer rational strukturierten Diarrhoe-Prophylaxe, z. B. mit Loperamid, konnte die kumulative Dauer des Neratinib-assoziierten Durchfalls um nahezu 80 % gesenkt werden.[13] Damit bietet die extendierte adjuvante Therapie mit Neratinib im Hinblick auf die Senkung des Rezidivrisikos bei HER2+/HR+ Patientinnen mit frühem Brustkrebs eine vielversprechende Therapieoption, die auch in die Leitlinien der AGO Einzug gehalten hat.[2]
Der Autor
Dr. rer nat. Reinhard Merz
[1] Seshadri R et al., J Clin Oncol 1993; 11: 1936–1942
[2] AGO e.V. Diagnostik und Therapie früher und fortgeschrittener Mammakarzinome, 2020
[3] Perez EA et al., J Clin Oncol 2014; 32: 3744–3752
[4] Nahta R et al., Breast Cancer Res 2006; 8: 215
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[12] Gnant M et al., SABCS 2018; P2-13-01
[13] Hurvitz Z et al., SABCS 2018; P3-14-01