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Gynäkologie

Reproduktionsmedizin

Das intrauterine Mikrobiom und die embryonale Implantation

Dr. rer. nat. Reinhard Merz

26.6.2023

Lange Zeit wurde die Gebärmutter als steril betrachtet. Heute diskutieren Reproduktionsmediziner die Frage, ob ein wiederholtes Implantationsversagen trotz guter Embryonenqualität womöglich durch das intrauterine Mikrobiom verursacht wird. Dieser Beitrag geht auf Spurensuche.

Die Implantation des Embryos ist ein komplexer Prozess und hängt von vielen Faktoren ab. Die wichtigsten sind seit mehr als 20 Jahren bekannt, einschließlich der Qualität der Eizelle und des Spermas, der endometrialen Rezeptivität und dem Status des Immunsystems [1]. Die Rolle des Mikrobioms bei der Embryoimplantation ist dagegen erst in den vergangenen Jahren in den Fokus gerückt [2].

In Studien wurde gezeigt, dass eine Dysbiose mit einer verringerten Implantationsrate und erhöhten Fehlgeburtsraten assoziiert ist [3]. Es wird angenommen, dass dies auf eine gestörte Interaktion zwischen dem Embryo und dem Endometrium zurückzuführen ist, die für eine erfolgreiche Implantation entscheidend ist [4].

Die positive Rolle von Laktobazillen bei der Vaginalflora ist bekannt – sie sorgen für eine schützende Wirkung, indem sie pathogene Mikroorganismen abwehren und das immunologische Gleichgewicht aufrechterhalten [5]. Ob dieser Mechanismus auch beim intrauterinen Mikrobiom eine Rolle spielt, ist bislang ungeklärt.

Dysbiose ist mit einer verringerten Implantationsrate und erhöhten Fehlgeburtsraten assoziiert.

Für den Einfluss auf die endometriale Rezeptivität kommen auch andere Mechanismen infrage: Das Mikro­biom kann die Expression von Rezeptivitätsmarkern, die Sekretion von Zytokinen und die Immunantwort modulieren, was wiederum die Bindung des ­Embryos an das Endometrium und seine weitere ­Entwicklung beeinflusst [6]. Vor allem die Korrelation zwischen proinflammatorischen Markern wie IL-1, IL-6 und HIF-1αund antiinflammatorischen Markern wie IL-10 und IGF-1 könnte eine wichtige Rolle spielen [7]. Schwierig für den individuellen Vergleich sind die vielen potenziellen Einflussfaktoren (Alter, Ethnie, ­sexuelle Aktivität etc.), zudem besteht die Gefahr der Kontamination des Abstrichs durch Zervix bzw. Vagina.

Vom vaginalen Mikrobiom sind zyklusbedingte ­Veränderungen beschrieben, v. a. unterscheiden sich Luteal- und Follikelphase. Mit Anstieg des Progesterons scheint die optimale mikrobielle Stabilität zu herrschen [8]. Bezüglich des intrauterinen Mikrobioms liegen noch keine eindeutigen Daten zu ­zyklusabhängigen Veränderungen vor.

Durch gezieltere Diagnostik könnte es gelingen, personalisierte Therapieformen zu entwickeln.

Die Laktobazillus-Besiedelungen erreichen in der Lutealphase die größte Vielfalt [9]. In der Reproduktionsmedizin geht man davon aus, dass Patientinnen im Frischzyklus durch die „controlled ovarian stimulation“ (COS) und eine anschließende Progesteronsupplementation in der Lutealphase große Teile ihrer intrauterinen Laktobazillus-Population einbüßen [10].

Mögliche Ansätze in der ART

Angesichts der Bedeutung des intrauterinen Mikro­bioms für die Embryoimplantation wird die Mög­lichkeit untersucht, therapeutische Ansätze zu ­ent­wickeln, die auf eine Modulation des Mikro­bioms abzielen. Ziel ist es, durch Beseitigung einer endometrialen Dysbiose eine Verbesserung der Schwangerschafts-, Implantations- und Lebend­geburtenrate zu erzielen.

Für die Indikation einer chronischen Endometritis (CE) konnte bereits gezeigt werden, dass Patientinnen mit geheilter CE signifikante Verbesserungen bei der Schwangerschaftsrate erzielen konnten [11]. ­Allerdings existiert aktuell keine strukturierte ­Thera­pie einer intrauterinen Dysbiose, und der Thera­pie­an­satz zur antibiotischen Behandlung wird ­kontrovers diskutiert [9].

Durch die Möglichkeiten der 16S-rRNA-Gensequenzierung kann der Zusammenhang zwischen einer erfolgreichen Implantation eines Embryos und der Zusammensetzung des intrauterinen Mikrobioms jetzt einfacher untersucht werden. Da jedoch der physiologische Zustand bei Implantation noch nicht entschlüsselt ist, werden derzeit vor allem mikrobiologische Zustände untersucht und behandelt, die als eindeutige negativen Prädiktoren gelten [9].

Eine Kombinationstherapie aus einem vaginalen probiotischen Zäpfchen und einem oralen Antibiotikum scheint in diesen Fällen sowohl oralen Probiotika als auch einer alleinigen Gabe von oralen Antibiotika überlegen zu sein [12]. Das Verständnis des intrauterinen Mikrobioms steckt jedoch noch in den Kinderschuhen und weitere Forschungen sind notwendig, um die genauen Mechanismen zu verstehen und effektive therapeutische Strategien zu entwickeln.

Fazit

Das intrauterine Mikrobiom wirft ein neues Licht auf die Mechanismen der Embryoimplantation. Es bietet auch das Potenzial für neue therapeutische Ansätze zur Verbesserung der Implantationsrate und Verringerung der Fehlgeburtsraten in der Reproduktionsmedizin. Die Interaktionen zwischen den verschiedenen Spezies des Mikrobioms und ihre Wirkung auf das Endometrium und den Embryo sind jedoch noch weitgehend unverstanden.

Durch eine gezieltere intraindividuelle Diagnostik im Zuge von Studien könnte es gelingen, personalisierte Therapieformen zu entwickeln. Die Dunkelziffer der Patientinnen mit unerkannter Dysbiose des Genitaltrakts scheint jedenfalls beträchtlich zu sein. Neuere Studien beschäftigen sich zudem mit der mikrobiellen Besiedelung beider Partner, um optimale Voraussetzungen für eine gut abgestimmte mikrobielle Balance zwischen weiblichem intrauterinen und männlichem seminalen Mikrobiom zu erreichen [9].

1 Norwitz ER et al., N Engl J Med 2001; 345: 1400–08
2 Moreno I, Simon C, Fertil Steril 2018; 110: 337–43
3 Moreno I et al., Am J Obstet Gynecol 2016; 215: 684–703
4 Franasiak JM et al., Fertil Steril 2015; 104: 1364–71
5 Parolin C et al.,  PLoS One 2018; 10: e0131220
6 Che C et al., Nat Commun 2017; 8: 875
7 Toson B, Int J Mol Sci 2022; 23: 485
8 Gajer P et al., Sci Transl Med 2012; 4: 132
9 Eggersmann TK et al., Gynäkol Endokrinol 2022; 20: 236–43
10 Carosso A, J Assist Reprod Genet 2020; 37: 2315–26
11 Vitagliano A, Fertil Steril 2018; 110: 103–12
12 Kadogami D et al., Reprod Biol 2020; 20: 307–14

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