Für das Mammakarzinom wurden in den vergangenen Jahren personalisierte Therapieverfahren entwickelt, sowohl für das frühe Mammakarzinom als auch für die fortgeschrittenen bzw. metastasierten Stadien. Wesentlich sind neben der Erfassung von Prognosefaktoren auch die Bestimmung von prädiktiven Markern.
In der operativen Therapie des Mammakarzinoms ist seit Jahren ein Trend hin zu weniger Radikalität festzustellen. Nachdem in den vergangenen Jahrzehnten vor allem die Erhaltung der Brust im Vordergrund stand, kommt nun verstärkt die Entfernung der axillären Lymphknoten auf den Prüfstand. Historisch bestand das maßgebliche Ziel der axillären Operation in der chirurgischen Eradikation von Tumorzellen in der Axilla. Damit diente die axilläre Dissektion der lokalen Kontrolle durch die Vermeidung eines axillären Rezidivs. Mit zunehmender Wirksamkeit (neo-)adjuvanter Systemtherapien sowie der Strahlentherapie ist jedoch davon auszugehen, dass die Bedeutung der operativen Therapie für die lokale Tumorkontrolle immer weiter abnehmen wird. Etwa 60 % aller Patientinnen mit Mammakarzinom sind bei Diagnosestellung nodalnegativ. Für diese Patientinnen bedeutet die axilläre Dissektion eine deutliche Übertherapie mit der unnötigen Inkaufnahme operativer Risiken. Vor diesem Hintergrund wurde beim frühen Mammakarzinom die Sentinellymphknotenbiopsie etabliert („sentinel lymph node biopsy“, SLNB) (Abb. 1). Die Zuverlässigkeit der SLNB ist durch zahlreiche Studien belegt. Zuletzt bestätigten die Daten zur 10-Jahres-Nachbeobachtung der amerikanischen NSABP-B-32-Studie die langfristige Sicherheit des Verfahrens. In der aktuell multizentrisch in Deutschland durchgeführten INSEMA-Studie wird jetzt noch über diesen Therapieansatz hinausgegangen: Bei Patientinnen mit frühem Mammakarzinom und günstigen Prognosefaktoren wird randomisiert die SLNB gegenüber dem Verzicht auf jegliche Operation an der Axilla verglichen. Basierend auf den zukünftig erwarteten Ergebnissen dieses Trials könnte möglicherweise für eine bestimmte Gruppe von Patientinnen mit primärem Mammakarzinom die Operation an der Axilla demnächst ganz entfallen.
Auch die neoadjuvante Systemtherapie fand initial vor allem Einsatz unter dem Aspekt der Reduzierung der Tumorlast. Die Indikation sollte streng nach dem eingeschätzten Risiko erfolgen (Prognosefaktoren). Obwohl die Überlebensdaten nach adjuvanter wie neoadjuvanter Chemotherapie vergleichbar sind, sollte laut AGO-Leitlinie bei jeder Indikationsstellung zur Chemotherapie ein neoadjuvanter Ansatz erwogen werden (Abb. 2). Das stetig wachsende Wissen über die Tumorbiologie führt dabei zu immer differenzierteren therapeutischen Ansätzen. In der Therapie des Hormonrezeptor-positiven Mammakarzinoms, zu dem etwa zwei Drittel der Tumoren gehören, zählt die Einführung der endokrinen Therapie zu den Meilensteinen der zielgerichteten Behandlung. Die Blockade des Estrogen-Rezeptor-Signalweges erfolgt mit Tamoxifen oder den Aromataseinhibitoren und hemmt letztendlich die Proliferation von Tumorzellen. Trotzdem liegt bei vielen Patientinnen eine de novo oder erworbene endokrine Resistenz vor, welche nach einem Intervall wieder zu einem Fortschreiten der Erkrankung führt. In dieser Gruppe der Hormonrezeptor-positiven Tumoren, sowohl nodal negativ oder auch mit bis zu drei befallenen axillären Lymphknoten, ist die Entscheidung für oder gegen eine Chemotherapie besonders wichtig und ohne weitere Informationen schwierig. Zum klinischen Einsatz stehen hierfür die Genexpressionstests Prosigna® (PAM 50), Endo Predict®, Oncotype DX® und MammaPrint® zur Verfügung. Dass die Indikationsstellung für oder gegen eine Chemotherapie auf Basis der Genexpressionstests zuverlässig ist, zeigen u. a. die auf dem ASCO 2018 vorgestellten Langzeitdaten der TailorX-Studie. Das HER2-positive Mammakarzinom ist ein prognostisch ungünstiger Subtyp, der 20–25 % aller Patientinnen betrifft. Schon seit 20 Jahren liegt mit dem monoklonalen Antikörper Trastuzumab eine zielgerichtete Behandlungsoption vor, die seit der Zulassung des monoklonalen Antikörpers Pertuzumab die Möglichkeit der dualen Blockade eröffnet, d. h., dass mit zwei verschiedenen medikamentösen Ansätzen gegen den HER2-Rezeptor therapeutisch vorgegangen wird. Während Trastuzumab direkt gegen den Rezeptor wirkt, blockiert Pertuzumab die Verbindung (Dimerisierung) mit dem ebenfalls auf der Zelloberfläche vorhandenen HER3-Protein (Abb. 3). In der neoadjuvanten Situation stellt die duale Blockade mit Trastuzumab und Pertuzumab in Kombination mit Chemotherapie den Standard dar. Unlängst wurde basierend auf den Ergebnissen der APHINITY-Studie von der europäischen Kommission auch die Zulassung für Pertuzumab für die adjuvante Therapie des frühen Mammakarzinoms mit bestimmten Risikofaktoren erteilt. Das triple-negative Mammakarzinom (triple-negative breast cancer, TNBC) gilt aufgrund der Abwesenheit möglicher antihormoneller oder HER2-zielgerichteter Therapieansätze als der Mammakarzinom-Subtyp, der am schwierigsten zu behandeln ist. Oft ist der Befund auch mit einer ungünstigen Prognose vergesellschaftet. Nicht selten liegt bei diesen Patientinnen eine BRCA-Mutation vor. Von Seiten der AGO wird daher auch eine Empfehlung mit einem Plus (+) (evidence based level) für die Integration eines Platinderivates in die adjuvante Chemotherapie gegeben.
Neben Ansätzen zur zielgerichteten, personalisierten Therapie der BRCA-assoziierten Tumorbiologie gibt es hochinteressante wissenschaftliche Ansätze, die zur Hoffnung berechtigen, diesen Tumortyp mittels aktueller immuntherapeutischer Ansätze effektiv behandeln zu können. Derzeit stehen unter Studienbedingungen zur Hemmung des Immun-Checkpoints Antikörper gegen PD-1, aber auch gegen PD-L1 in Form von Pembrolizumab bzw. Atezolizumab zur Verfügung.
Viele Patientinnen kommen nach zunächst erfolgreicher antihormoneller Behandlung in einen Zustand der endokrinen Resistenz, der zu einem Fortschreiten der Erkrankung führt. 2012 wurde mit der Zulassung von Everolimus das erste Medikament zur Unterbrechung der endokrinen Resistenz verfügbar. Everolimus vermag den zentralen intrazellulären Signalweg über mTOR zu unterbinden und verhindert so dessen Überaktivierung und damit die estrogenunabhängige Aktivierung des Estrogen-Signalweges und die Zellproliferation. Eine weitere Möglichkeit zur Überwindung der endokrinen Resistenz stellt der Einsatz von CDK4/6-Inhibitoren dar: Bindet der CDK4/6-Inhibitor an seine Zielstruktur, wird die Phosphorylierung des Retinoblastom-Proteins (RB) gehemmt und somit der Übergang der Zelle von der G1- in die S-Phase verhindert (Abb. 4). Die nachfolgende Teilung wird blockiert und der Inihibitor wirkt demnach zytostatisch. Besonders spannend ist die Nutzung von Synergiemechanismen in der Therapie des Hormonrezeptor-positiven Mammakarzinoms. Der Signalweg der CDK ist der estrogenabhängigen Stimulation der Krebszelle nachgeschaltet – was die Kombination der Estrogenrezeptorausschaltung durch eine endokrine Therapie mit den CDK4/6-Inhibitoren zu einem äußerst wirksamen Therapieansatz werden lässt. In Deutschland sind die oralen CDK4/6-Inhibitoren Palbociclib und Ribociclib zur Therapie des fortgeschrittenen Hormonrezeptor-positiven, HER2/neu-negativen Mammakarzinoms zugelassen. Eine dritte Substanz, Abemaciclib, befindet sich aktuell in der EU-Zulassung. Beim metastasierten HER2-positiven Mammakarzinom gilt der Einsatz einer kombinierten Behandlung bestehend aus einer Docetaxel-Chemotherapie in Kombination mit einer dualen Blockade durch Trastuzumab und Pertuzumab als Goldstandard. Zur Zweitlinie und zu weiteren Therapielinien in der Kaskade steht mit Trastuzumab/Emtansin (TDM1) eine besondere Kombination aus einem Antikörper und einem über einen Linker gekoppelten Zytostatikum zur Verfügung. Der Thioether-Linker verhindert die frühzeitige Freisetzung von Emtansin, das so erst in der Zelle freigesetzt wird und damit zu einer geringeren systemischen Toxizität der gekoppelten Substanz führt. Mit großer Spannung kann den Ergebnissen laufender klinischer Studien wie auch kommenden wissenschaftlichen Konzepten entgegengesehen werden. Es ist zu erwarten, dass die lokale Therapie des Mammakarzinoms weiter im Stellenwert hinsichtlich der Heilung der Krankheit zurückgeht. Demgegenüber werden mehr zielgerichtete, personalisierte Konzepte – einzeln und in Kombinationsregimen – die Effektivität der Systemtherapie steigern. Die Entwicklung ist rasant und rasch fortschreitend. Umso wichtiger ist es für alle Onkologen und Senologen über die Entwicklungen aktuell und regelmäßig informiert zu sein, damit stets das beste, verfügbare Konzept für die individuelle Patientin vorgehalten werden kann.
Der Autor
Prof. Dr. med. Michael Eichbaum
MHBA, Direktor der Klinik für Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie
Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken, Wiesbaden
Literatur beim Autor
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