Frauen mit postpartalen Beckenbodenfunktionsstörungen, wie einer Belastungsinkontinenz oder Senkungsgefühl, können von einer frühzeitigen Pessartherapie profitieren. Dieser Beitrag stellt aktuelle Studienergebnisse vor und gibt Tipps für den Praxisalltag.
Zunehmend rückt das Thema der peripartalen Beckenbodenprotektion in den Fokus bei der Betreuung von schwangeren und postpartalen Frauen. Beckenbodenfunktionsstörungen nach der Geburt sind häufig, und Risikofaktoren wie das Alter bei der ersten Entbindung und Übergewicht nehmen zu. Während der Geburt können Schädigungen von Muskel-, Nerven- und Bindegewebe auftreten und so zur Entstehung von Inkontinenz und Senkungsbeschwerden beitragen.
Die Prävalenz der Belastungsinkontinenz postpartal wird in Studien mit 7–36 % in den ersten 3 Monaten postpartal und 11–51 % nach einem Jahr postpartal angegeben (Abb. 1) [1]. Eine genitale Senkung tritt bei Erstgebärenden in den ersten Monaten nach der Geburt seltener auf, hier liegt die Prävalenz bei etwa 9 % in den ersten 6 Wochen und reduziert sich auf 2 % im ersten Jahr [2]. Neben der etablierten Rückbildungsgymnastik kann Frauen mit Beschwerden postpartal auch eine spezialisierte Physiotherapie rezeptiert werden.
Ebenso werden in den Leitlinien zur Therapie der Harninkontinenz und auch des Descensus genitalis Pessare als konservative Therapie empfohlen. Neben dem therapeutischen Effekt, den die Pessare durch ihre Stützfunktion und die Wiederherstellung der Anatomie aufweisen, stellt sich hier die Frage, ob die Anwendung eines Pessars auch präventiv der Entstehung von Beckenbodenbeschwerden entgegenwirken kann. Die Rationale hinter diesem präventiven Gedanken ist, dass eine Stabilisierung des Bindegewebes nach dessen Überdehnung durch die Geburt die Rekonnektion unterstützen und somit der Entstehung einer Belastungsinkontinenz und Senkung vorbeugen könnte.
Im Zusammenhang mit der postpartalen Anwendung von Pessaren gibt es Studien, die sich auf den therapeutischen bzw. präventiven Aspekt fokussieren. In einer prospektiv randomisierten Studie konnte in diesem Zusammenhang gezeigt werden, dass das Tragen eines Würfelpessars bei Harninkontinenz postpartal bei mehr Frauen zu einer subjektiven Zufriedenheit führte als eine (nicht spezialisierte) Physiotherapie oder die Rückbildungs-gymnastik (Abb. 2). Die Studie hatte jedoch pro Studienarm nur 15 Teilnehmerinnen und die Physiotherapie war nicht klar definiert bei spezialisierten Therapeutinnen [3].
Eine weitere, prospektive Studie untersuchte den Effekt eines Schalenpessars auf die Rückbildung eines postpartalen Deszensus. Hier erhielten Frauen mit Descensus genitalis 2–3 Tage postpartal das Pessar angepasst und es wurde nach 6 und 12 Monaten die Rückbildung beurteilt. Bei Frauen, die ein Pessar trugen, ergaben sich Hinweise, dass diese eine bessere Rückbildung aufwiesen. Allerdings konnte in dieser Studie die nötige Anzahl an Probandinnen nicht rekrutiert werden, sodass die Aussagekraft der Studie eingeschränkt ist [4].
In den Leitlinien zu Harninkontinenz und Descensus werden Pessare als konservative Therapie empfohlen.
Das Restifem® (Restitutio feminina) Pessar wurde speziell für Frauen nach der Geburt entwickelt und ist zur Behandlung des Descensus genitalis (bis Grad 2) und der Belastungsinkontinenz zugelassen. Seine Form ist an die physiologische Anatomie der Scheide angepasst und stützt daher alle Level des Beckenbodens. Die Anwendung kann nach Abschluss der Wundheilung/Abschluss des Wochenbetts begonnen werden.
Im Zuge einer multizentrischen Studie wurde die Anwendbarkeit des Restifem® bei Frauen nach der Geburt und der Einfluss auf Symptome einer Beckenbodendysfunktion prospektiv untersucht. Frauen wurde 2–3 Tage nach der Entbindung auf der Wochenstation der jeweiligen Klinik die Pessartherapie als mögliche Prävention und auch als therapeutisches Hilfsmittel bei möglichen Beschwerden vorgestellt und angeboten. Eingeschlossen wurden 857 erstgebärende Frauen unabhängig vom Geburtsmodus und unabhängig von bereits bestehenden Beckenbodenbeschwerden.
Insgesamt zeigten sich 90 % der angesprochenen Frauen initial interessiert an einer Pessartherapie und bekamen das Pessar ausgehändigt. Hierbei erhielten Frauen nach Spontanpartus ein Pessar Gr. M und Frauen nach Sectio ein Pessar Gr. S. Nach 6 Wochen wurden die Frauen per E-Mail aufgefordert, das Pessar anzuwenden. Hierbei stand den Frauen das Instruktionsvideo auf der Homepage des Herstellers und die ausgehändigte Bedienungsanleitung zur Verfügung. Mittels Online-Fragebogen zur Pessaranwendung und des validierten Deutschen Beckenbodenfragebogens wurden Beckenbodensymptome und die Compliance und Anwendbarkeit des Pessars erfragt.
Die Befragung erfolgte nach 6 bzw. 8 Wochen, 3, 6 und 12 Monaten postpartum per Online-Umfrage. Es zeigte sich in der Studie zum einen, dass Frauen, die 6 Wochen postpartal eine schlechtere Beckenbodenfunktion angaben, das Pessar zuverlässiger anwendeten. Frauen mit Blasenfunktionsstörungen und Deszensussymptomen gaben in der Studie eine 50–90%ige Verbesserung der Symptome durch das Tragen des Pessars an. Frauen ohne explizite Beckenbodenbeschwerden, die das Pessar dennoch im präventiven Ansatz anwendeten, gaben zu 86–90 % an, ein stabilisierendes Gefühl im Bereich des Beckenbodens zu verspüren. Zum anderen verbesserten sich die Becken-Scores im Deutschen Beckenbodenfragebogen bei den Pessarträgerinnen von 6 Wochen zu 12 Monaten nach der Geburt signifikant mehr als bei Frauen, die das Pessar nicht anwendeten.
Auch Frauen ohne explizite Beckenbodenbeschwerden gaben ein stabilisierendes Gefühl an.
Hier ließ sich allerdings im Zuge dieser Studie nicht klären, ob die größere Verbesserung der Anwendung des Pessars zuzuschreiben war, oder ob sich durch die schlechtere Ausgangsfunktion hier ein höheres Potenzial an Spontanheilung ergab. Schwerwiegende Komplikationen, wie therapiebedürftige Infektionen, gab es im Studienzeitraum nicht.
Hinsichtlich der Anwendbarkeit zeigte sich, dass als häufigste Probleme Missempfindungen, ein Verrutschen des Pessars oder eine umständliche Handhabung angegeben wurden. Auch in dieser Studie konnte die initial geplante Anzahl an Studienteilnehmerinnen nicht erreicht werden, sodass die Aussagekraft eingeschränkt ist. Insgesamt sind weitere klinische Studien nötig, um den therapeutischen und präventiven Nutzen der Pessare weiter zu untersuchen.
Vor allem Frauen mit postpartalen Beckenbodenfunktionsstörungen, wie einer Belastungsinkontinenz oder Senkungsgefühl, scheinen von einer frühzeitigen Pessartherapie zu profitieren. Diese kann per Heilmittelverordnung rezeptiert werden.
Auch bei Frauen ohne spezifische Symptomatik könnte eine Pessaranwendnung zu einer Verbesserung der Rückbildung und ggf. zur Prävention von Beschwerden beitragen. Insbesondere Frauen mit erhöhtem Risiko für spätere Beckenbodenbeschwerden kann daher eine Pessartherapie angeboten werden, zumal es selbst bei einer frühzeitigen Anwendung nach aktueller Studienlage keine gesundheitlichen Risiken zu geben scheint.
Die Autorin
Prof. Dr. med. Miriam Deniz
Geschäftsführende Oberärztin
Leiterin Interdisziplinäres Beckenbodenzentrum
Universitätsklinikum Ulm
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