Schlafassoziierte Atemstörungen sind sehr heterogen. Deshalb geht der Trend auch bei obstruktiver Schlafapnoe (OSA) in Richtung einer personalisierten Medizin, die Entstehung, Klinik und Begleiterkrankungen berücksichtigt. ...
Zur OSA-Diagnose und -Schweregradbestimmung wird nach internationalen Leitlinien standardmäßig die Summe der Hypo- und Apnoen während einer Schlafstunde herangezogen (Tab.). Dieser Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) ist jedoch prognostisch wenig aussagekräftig und variiert von Nacht zu Nacht. Misst man ihn nur in einer Nacht, wird eine OSA bei einem Fünftel der Patienten nicht erkannt. Schon zwei Untersuchungsnächte verbessern die diagnostische Sicherheit erheblich. Serien über mehr als sieben Nächte bringen hingegen keinen weiteren nennenswerten Gewinn.
Ein Parameter, der nach neueren Kohortenstudien und Post-hoc-Analysen besser mit patientenrelevanten und kardiovaskulären Outcomes zu korrelieren scheint, ist der „hypoxic burden“. Er erfasst außer der Häufigkeit von Hypo- und Apnoen auch Tiefe und Dauer OSA-bedingter intermittierender Hypoxämien und könnte dabei helfen, Patienten mit erhöhtem Risiko für kardiovaskuläre Folgeerkrankungen zu identifizieren.
Allerdings bezweifelte Dr. med. Esther Irene Schwarz (Zürich), dass ein Schlafstudienmarker für sich genommen isoliert prädiktiv sein kann. Sie betonte die Notwendigkeit, apparativ ermittelte Werte in das Gesamtbild einzubinden: „Interpretieren Sie die Resultate von Schlafstudien mit Blick auf umfassende Schlafabklärung unter Berücksichtigung der Risikofaktoren, der Symptome, der Komorbiditäten und der gewünschten Therapie-Outcomes.“
Folgeerkrankungen von CPAP
Die nächtliche Beatmung mit Continuous Positive Airway Pressure (CPAP) gilt in der Regel als wirksamste OSA-Therapie. Forscher interessiert immer mehr, inwieweit sich auch individuell vorhersagen lässt, wie sich CPAP auf Folgeerkrankungen auswirkt. OSA ist pathophysiologisch und phänotypisch heterogen, und Alltagspatienten unterscheiden sich oft erheblich von solchen, die in randomisiert-kontrollierte klinische Studien eingeschlossen wurden.
Umfassendere neuere Untersuchungen legen nun nahe, dass nur Subgruppen im Hinblick auf kardio- und zerebrovaskuläre Erkrankungen profitieren. So senkte CPAP in einer ersten auf individuellen Daten von fast 7 500 Patienten basierenden Metaanalyse aus 34 randomisiert-kontrollierten Studien (RCT) den Blutdruck nur dann signifikant, wenn die Hypertonie vor Therapie nicht kontrolliert war [1].
In einer Kohortenstudie aus Hongkong mit 1 544 polysomnografischen OSA-Diagnosen bei 1 860 Teilnehmern bewahrte die nächtliche Überdruckbeatmung nur Jüngere und Adipöse mit schwerster OSA vor schweren kardiovaskulären Ereignissen (Major Cardiovascular Events, MACE), nicht aber Patienten mit mittelschwerer und schwerer OSA [2].
Wege zur individualisierten Behandlung
Doch mit der CPAP kommt nicht jeder zurecht, weswegen die Adhärenz ein Problem ist. Hinzukommt: „Die Patienten haben verschiedene Gründe, warum sie Schlafapnoe haben, verschiedene Risikofaktoren“, betonte die Pneumologin. „Dem könnte man auch mit einer etwas breiteren Therapiepalette eher gerecht werden.“ Für viele Nicht-CPAP-Therapien fehlt allerdings die Evidenz aus RCT.
Zudem gibt es keine einheitlichen Auswahl- und Responderkriterien. In der Leitlinie der European Respiratory Society (ERS) von 2021 werden CPAP-Alternativen anhand von Outcome-Kriterien wie AHI, ODI (Oxygen Desaturation Index), Epworth Sleepiness Scale (ESS), Lebensqualität, Blutdruck und Therapieadhärenz diskutiert [3]. Die Evidenz ist durchweg niedrig bis sehr niedrig.
Für das Positionstraining bei mit Rückenlage assoziierter Schlafapnoe gibt es Vibrationsgeräte – Rucksack oder Tennisball auf dem Rücken werden nicht mehr empfohlen.
Neue medikamentöse Ansätze mit außerordentlichem Therapieerfolg
Bei den Medikamenten senkten sowohl der Carboanhydrasehemmer Sultiam als auch der mit dem Anticholinergikum Oxybutynin kombinierte Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Reboxetin in Pilotstudien gegenüber Placebo signifikant den AHI. Unter 400 bzw. 200 mg Sultiam sank er bei 59 Patienten mit mittelschwerer bis schwerer OSA und CPAP-Intoleranz über vier Wochen um 41 und 32 % [4]. Schwarz sprach von einem „außerordentlichen Therapieerfolg bei gutem Sicherheits- und vertretbarem Toleranzprofil“, denn schwere Nebenwirkungen gab es nicht. Dosisabhängig hatten 79 % und 67 % der Patienten Parästhesien, unter Placebo waren es 18 %. In der 400-mg-Gruppe hatten 18 % Dyspnoe, 11 % brachen die Behandlung wegen Nebenwirkungen ab.
„Als Schlafzentrum ist es wichtig, dass wir das gesamte Spektrum der Therapien anbieten können“, erklärte die Pneumologin. „Wenn Sie in einer Praxis sind, schauen Sie, dass Sie gute Kooperationspartner haben, mit denen Sie zusammenarbeiten können, wenn Sie Patienten beispielsweise für eine Unterkieferprotrusionsschiene überweisen wollen.“
1 Pengo MF, Schwarz El et al., Abstract Presentation, ERS 2022
2 Xu PH et al., Thorax 2022; thoraxjnl-2021-217714,
3 DOI 10.1136/thoraxjnl-2021-217714
4 Randerath W et al., Eur Respir Rev 2021; 30(162): 210200, DOI 10.1183/16000617.0200-2021
5 Hedner J et al., Am J Respir Crit Care Med 2022; 205: 1461–1469, DOI 10.1164/rccm.202109-2043OC.
Vortrag von Dr. med. E. I. Schwarz „Schlafbezogene Atmungsstörungen“, Pneumo Update 2022, Mainz und hybrid, November 2022