Sie steigt – sowohl die Zahl der Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatz-Weiterbildung Schmerztherapie als auch die Zahl schmerzbedingter Operationen und die stationärer Therapieeinrichtungen, die den psychosozialen Konzepten der Schmerzchronifizierung Rechnung tragen. Schmerzen werden heute (weg?)operiert, mit wildem Trommeln und kreativen Gesängen verschreckt, mit bunter Malerei vergegenständlicht, tiefen-/verhaltenspsychologisch rationalisiert, mit Medikamenten geflutet und in komplexen Disease-Management-Programmen verwaltet.
PD Dr. med. Michael A. Überall
Mitglied des wissenschaftlichen Beirats
Präsident der Deutschen Schmerzliga
Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin
Und die Zahl der Menschen mit chronischen Schmerzen, mit somatischen und psychischen Faktoren sowie stark beeinträchtigter Lebensqualität (F45.41) – sie steigt und steigt und steigt! Bürokratisierung der Mangelverwaltung also: alles wird mehr – nur nichts wird wirklich besser!
Angesichts der Bedeutung psychosozialer Faktoren der Schmerzchronifizierung tritt die biologische Dimension (körperliche Ursachen, Risikofaktoren, organische Aspekte) zunehmend in den Hintergrund. Neuere Untersuchungen stellen gar die aktuell präferierte Sequenz der Schmerzchronifizierung (bio -> psycho -> sozial) infrage und postulieren ein psycho -> sozio -> biologisches Konzept, bei dem der Biologie nurmehr die Rolle des letzten Tropfens zukommt, der „das Fass zum Überlaufen bringt“.
Wenn dies so stimmt – und vieles spricht dafür! –, dann ist chronischer Schmerz nicht mehr nur ein medizinisches, sondern vor allem ein gesamtgesellschaftliches Problem. Damit bedarf es sowohl bzgl. Behandlung als auch Prävention der gemeinsamen Anstrengungen Aller, nicht nur einiger Weniger (auch wenn diese langsam mehr werden!)