Im Rahmen eines systematischen Reviews und einer Meta-Analyse haben US-Forscher jetzt untersucht, wie hoch die Gesamtprävalenz von bipolaren Depressionen (BD) bei peripartalen Frauen ist. Sie kommen zu dem Schluss, dass Störungen aus dem bipolaren Spektrum bei jeder fünften Schwangeren oder jungen Mutter auftreten.
Eingeschlossen wurden in die Analyse englischsprachige Originalstudien, die Schwangere oder junge Mütter (schwanger oder innerhalb von zwölf Monaten nach der Geburt, ≥ 18 Jahre alt) mit einem Screening- und Diagnoseinstrument für bipolare Depression beschrieben hatten. Alle Daten zum Studiendesign, die Raten und der Zeitpunkt positiver Screenings und Diagnosen und Stimmungsepisoden wurden von drei unabhängigen Gutachtern extrahiert. Die gepoolten Prävalenzen wurden mithilfe von Randomeffekts-Meta-Analysen eingeschätzt.
Es fanden sich 22 Publikationen, die in die qualitative Überprüfung, und zwölf Studien, die in die Meta-Analyse einbezogen werden konnten. Bei Frauen ohne bekannte psychiatrische Erkrankung vor der Perinatalperiode betrug die gepoolte Prävalenz von bipolarer Depression 2,6% (95%-KI(Konfidenzintervall) 1,2%-4,5%). Die Prävalenz von Stimmungsstörungen aus dem bipolaren Spektrum (einschließlich depressiv, hypomanisch/manisch, gemischt) während der Schwangerschaft und in der Zeit nach der Geburt betrug 20,1% (95%-KI 16,0%-24,5%). Bei Frauen mit einer früheren BD-Diagnose wurde sogar bei 54,9% der Frauen (95%-KI, 39,2%-70,2%) mindestens eine bipolare Stimmungsepisode in der Perinatalperiode festgestellt.
Die Autoren bestätigen damit andere Studien, denen zufolge die Perinatalperiode mit einer hohen Rate an bipolaren Stimmungsepisoden verbunden ist und dass schwangere Frauen und Mütter nach der Geburt eine besondere Risikogruppe darstellen. Diese Einsichten könnten dazu beitragen, Empfehlungen für die klinische Versorgung zu formulieren und so die Betroffenen zu identifizieren.
Weiterreichende Konsequenzen bleiben jedoch offen: Die klinische Bagatellisierung der „Heultage“ oder des „Babyblues“ entspricht nicht der hohen persönlichen Relevanz der peripartalen Depression für die Mütter. Die WHO konstatiert in ihrem Report „Preventing Depression in the WHO European Region“ (2016), dass bereits eine einfühlsame Psychoedukation und verhaltenstherapeutische Hilfen, vor allem durch entsprechend qualifizierte Hebammen erbracht, den Müttern nachhaltig helfen könnten (auch dem Kind und der ganzen Familie).
Masters GA et al.; J Clin Psychiatry. 2022 Jul 13;83(5):21r14045 (DOI 10.4088/JCP.21r14045).