Forscher des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) konnten nun zeigen, dass der Zusammenhang zwischen Übergewicht und einem erhöhten Darmkrebsrisiko in bisherigen Studien wohl erheblich unterschätzt wurde. „Bei diesen Untersuchungen wurde bislang nicht berücksichtigt, dass viele Betroffene in den Jahren vor ihrer Darmkrebsdiagnose an Gewicht verlieren“, sagt Prof. Dr. med. Hermann Brenner, Epidemiologe und Präventionsexperte am Deutschen Krebsforschungszentrum. „Das hat dazu geführt, dass der Risikobeitrag von Übergewicht in vielen Studien deutlich unterschätzt worden ist.“
Um die Größenordnung dieser Verzerrung einzuschätzen, werteten die Forscher Daten aus der DACHS-Studie aus („Darmkrebs: Chancen der Verhütung durch Screening“ ist eine der weltweit größten Fall-Kontroll-Studien des DKFZs zu Darmkrebs). Die fast 12.000 Studienteilnehmer, die in die aktuelle Auswertung eingeschlossen waren, hatten zum Diagnosezeitpunkt Angaben zu ihrem Körpergewicht gemacht und darüber hinaus auch ihr Gewicht in den Jahren ihrer früheren runden Geburtstage angegeben.
Anhand des Körpergewichts zum Zeitpunkt der Diagnose ließ sich kein Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Körpergewicht und Darmkrebsrisiken festmachen. Ganz anders sah es jedoch aus, wenn die Forscher das frühere Körpergewicht der Teilnehmer betrachteten: Hier zeigte sich ein starker Zusammenhang zwischen Übergewicht und der Wahrscheinlichkeit an Darmkrebs zu erkranken, der acht bis zehn Jahre vor der Diagnose am stärksten ausgeprägt war. Studienteilnehmer, die in diesem Zeitraum adipös waren (BMI ≥30 kg/m2), erkrankten doppelt so häufig wie Normalgewichtige an Darmkrebs. „Hätten wir, wie in vielen früheren Studien geschehen, nur auf das bei Studieneintritt gemessene Gewicht geschaut, so hätten wir den Zusammenhang zwischen Übergewicht und erhöhtem Darmkrebsrisiko völlig übersehen“, so Marko Mandic, der Erstautor der Studie.
Hausärzte sollten regelmäßig nach unbeabsichtigtem Gewichtsverlust fragen
Bei ihren Analysen konnte das Team um Brenner noch einen weiteren Trend aufzeigen: Auffallend viele der von Darmkrebs betroffenen Studienteilnehmer hatten vor der Diagnose unbeabsichtigt an Gewicht verloren. Ein unbeabsichtigter Gewichtsverlust von zwei Kilo oder mehr innerhalb von zwei Jahren vor der Diagnose (bzw. vor dem Studieneintritt) kam bei Krebsbetroffenen 7,5 Mal häufiger vor als bei den Personen aus der Kontrollgruppe. „In diesem Zeitraum ist der Krebs schon da, aber noch nicht durch Symptome aufgefallen. Hausärzte sollten ihre Patienten daher regelmäßig nach unbeabsichtigtem Gewichtsverlust fragen“, appelliert Brenner und fügt hinzu: „Unbeabsichtigter Gewichtsverlust könnte auch ein früher Hinweis auf andere Krebsarten oder andere Erkrankungen sein und sollte sorgfältig abgeklärt werden.“
Hintergrund: Übergewicht ist ein Risikofaktor für eine ganze Reihe an Krebserkrankungen. Besonders deutlich ist dieser Zusammenhang beispielsweise bei Gebärmutterkrebs, Nierenkrebs und auch bei Darmkrebs. Nach bisherigen Schätzungen haben adipöse Menschen ein um etwa ein Drittel höheres Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, als normalgewichtige. (>Onkologie)
Pressemitteilung „Übergewicht als Risikofaktor für Darmkrebs bislang unterschätzt“. Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg, 4.5.2023 (https://idw-online.de/de/news813719).
* Mandic M et al.: Association of Overweight, Obesity, and Recent Weight Loss With Colorectal Cancer Risk. JAMA Netw Open. 2023 Apr 3;6(4):e239556 (DOI 10.1001/jamanetworkopen.2023.9556).