Patientinnen mit fortgeschrittenem HER2-positiven Brustkrebs bekommen sehr häufig Metastasen im Gehirn. Dann sind ihre Chancen auf jahrelanges Überleben sehr gering, denn die bisherigen Therapien – Operation und Bestrahlung – helfen nur kurzzeitig. Nun hat ein internationales Forscher-Team unter Co-Federführung von Prof. Dr. med. Nadia Harbeck, Direktorin des Brustkrebszentrums des LMU Klinikums (München) ein neues Medikament in einer klinischen Phase-IIIb/IV-Studie getestet. Die Überlebenszeit verlängert sich nach bisherigen Erkenntnissen deutlich, wie die im Fachjournal „Nature Medicine“ publizierten Studienergebnisse zeigen.
Patientinnen mit fortgeschrittenem Brustkrebs und dem epidermalen Wachstumsfaktor HER2 leiden zu 50 % an Metastasen im Gehirn, die mit Medikamenten bislang nicht effizient behandelbar sind, da die Blut-Hirn-Schranke oft verhindert, dass Wirkstoffe in das Gehirn eindringen können. Neue Medikamente sind also dringend gefragt. Einer dieser neuen Wirkstoffe ist das Antikörper-Konjugat (ADC) „Trastuzumab Deruxtecan“. Trastuzumab ist ein Antikörper, der zielgenau am HER2-Protein andockt. Gekoppelt ist er mit dem antineoplastischen Wirkstoff Deruxtecan, der zur Apoptose von Krebszellen führt und nur im Tumorgewebe aktiv ist – und kaum im restlichen Körper. „Aus diesem Grund können wir diesen Wirkstoff überhaupt verwenden“, erklärt Harbeck, „sonst wäre er viel zu giftig.“
Um den Nutzen des Antikörper-Konjugats bei HER2-positivem Brustkrebs zu ermitteln, startete die Münchner Medizinerin als eine der beiden Leiterinnen die „DESTINY-Breast12-Studie“. Teilgenommen haben über 500 Patientinnen mit und ohne Hirnmetastasen aus 78 Krebszentren in Westeuropa, Japan, Australien und den USA. Ergebnis: Im Schnitt überlebten die Patientinnen auch mit Hirnmetastasen über 17 Monate ohne ein Fortschreiten der Krebserkrankung. Über 60 % der Patientinnen überlebten zwölf Monate ohne weiteres Tumorwachstum. Bei über 70 % der Teilnehmerinnen konnten die Forschenden einen Rückgang des Krebses im Gehirn nachweisen. Ein Jahr nach Beginn der Behandlung waren 90 % aller Patientinnen noch am Leben. „Diese Ergebnisse“, sagt Harbeck, „machen den Patientinnen gerade mit Hirnmetastasen Hoffnung.“ Das Medikament ist bereits für den Einsatz in der Regelversorgung zugelassen.
Insgesamt attestiert die Onkologin den Antikörper-Konjugaten ein „großes Potential in der Therapie von Brusttumoren.“ Beispiel: Seit etwa einem Jahr läuft auf Initiative der westdeutschen Studiengruppe (wsg-online.com) eine große weltweit einzigartige Studie für Patientinnen mit frühem, nicht metastasierten HER2-positiven Brustkrebs in Deutschland. Sie bekommen das Antikörper-Konjugat dabei nur viermal vor der Operation gespritzt, was die Therapie deutlich erleichtert und verkürzt. Insgesamt sind derzeit drei Antikörper-Konjugate bei Brustkrebs in Deutschland zugelassen.
Pressemitteilung „Riesenfortschritt in der Brustkrebsbehandlung“. Brustkrebszentrum LMU Klinikum, München, 1.10.2024 (https://www.lmu-klinikum.de/aktuelles/pressemitteilungen/riesenfortschritt-in-der-brustkrebsbehandlung/0a8be5b56c604888).
*Harbeck N et al.: Trastuzumab deruxtecan in HER2-positive advanced breast cancer with or without brain metastases: a phase 3b/4 trial. Nat Med. 2024 Sep 13 (DOI 10.1038/s41591-024-03261-7).