Tritt erstmals ein unprovozierter epileptischer Krampfanfall auf, liegt das Rezidivrisiko bei etwa 40% und ist abhängig von MRT- und EEG-Befunden. Allerdings betrachten Studien zumeist heterogene Patientengruppen. Es ist unklar, ob diese Daten für ältere Patienten repräsentativ sind, da mit zunehmendem Alter strukturelle Hirnläsionen, Hirnatrophie, neurodegenerative Erkrankungen und Multimorbidität zunehmen und möglicherweise zu einem veränderten Rezidivrisiko führen.
Forscher der Philipps-Universität Marburg haben jetzt die Rezidivrate sowie Faktoren untersucht, die möglicherweise die Rezidivrate bei älteren Patienten nach einem ersten unprovozierten Anfall beeinflussen könnten. Die Studienergebnisse weisen darauf hin, dass eine niederschwellige Behandlung mit einer anfallssuppressiven Medikation (ASM) bei älteren Patienten mit erstem Anfall rezidivprophylaktisch wirksam ist.
Es wurden Daten von 304 Patienten über 60 Jahren mit erstem unprovoziertem Anfall aus der Klinik für Neurologie in Marburg retrospektiv untersucht und die Rezidivraten nach einem und zwei Jahren analysiert. Der Zusammenhang des Alters mit der Rezidivrate wurde mittels t-Test für unabhängige Stichproben und Pearsons Korrelation erfasst und der Einfluss von epilepsietypischen Potenzialen im EEG, epileptogenen Läsionen in der Bildgebung sowie anfallssuppressive Medikation und Alter mittels binär logistischer Regression analysiert.
Niederschwellige Behandlung von älteren Patienten
Insgesamt ergab sich eine Rezidivrate von 24,5% nach einem und von 34,4% nach zwei Jahren, wobei sich kein signifikanter Zusammenhang mit dem Alter der Patienten zeigte. Eine anfallssuppressive Medikation wurde bei 87,8% der Patienten begonnen, bei 28,8% trotz fehlender epilepsietypischer Potentiale im EEG oder struktureller Läsionen in der Bildgebung. Die ASM reduzierte die Rezidivrate mit einem Odds Ratio von 0,28. Epileptogene Läsionen in der Bildgebung oder epilepsietypische Potentiale im EEG waren nicht signifikant mit einer erhöhten Rezidivrate assoziiert, wobei sich für epilepsietypische Potenziale im EEG jedoch mit einem Odds Ratio von 1,92 und p=0,089 ein statistischer Trend zeigte.
Die Marburger Epileptologen schlussfolgern, dass die vorliegenden Daten einen deutlich protektiven Effekt der ASM bei Patienten mit einem erstem unprovozierten epileptischen Anfall und einem Alter über 60 Jahren belegen, obwohl bei etwa einem Drittel der Patienten die Diagnosekriterien einer Epilepsie bei fehlenden Hinweisen in der Bildgebung oder EEG nicht erfüllt waren. Befunde des EEG und MRT zeigten darüber hinaus keinen signifikanten Zusammenhang mit der Rezidivrate in dieser Kohorte älterer Patienten. Eine niederschwellige Behandlung von älteren Patienten mit erstem Anfall wird durch die vorliegenden Daten unterstützt.
Linka L et al.: Anfallsrezidive nach einem ersten unprovozierten Anfall bei Äteren – sollten wir den ersten Anfall behandeln? Vortrag bei der 12. Dreiländertagung Epilepsie 2023 - Gemeinsame Jahrestagung der Deutschen