Perineuronale Netze (PNN) sind spezialisierte extrazelluläre Matrixstrukturen, die für die synaptische Stabilisierung im erwachsenen Gehirn verantwortlich sind. Hauptsächlich kontrollieren sie das Ausmaß der Gehirnplastizität und damit auch das Gedächtnis.
Perineuronale Netze (PNN) sind spezialisierte extrazelluläre Matrixstrukturen, die für die synaptische Stabilisierung im erwachsenen Gehirn verantwortlich sind. Hauptsächlich kontrollieren sie das Ausmaß der Gehirnplastizität und damit auch das Gedächtnis. PNN enthalten Chondroitinsulfat (ähnlich wie auch Knorpelgewebe), wobei Chondroitin-4-sulfat die Aktivität von neuronalen Netzwerken und damit die Neuroplastizität inhibiert, während Chondroitin-6-sulfat die Neuroplastizität fördert. Im Verlauf des Alterns verändert sich die Balance dieser beiden Verbindungen, die Menge von Chondroitin-6-sulfat in den PNN nimmt ab. Und damit die Fähigkeit zu lernen und neue Erinnerungen zu bilden, was letztlich zum altersabhängigen Gedächtnisverlust führt. In einem komplexen Mausmodell ist es nun einer internationalen Arbeitsgruppe gelungen, nicht nur die Assoziation zwischen den altersabhängigen Veränderungen der PNN und deren Folgen für Erinnerungs- und Plastizitätsdefizite im Gehirn zu zeigen. Sondern sie konnten auch nachweisen, dass ein vermehrter Abbau spezifischer Chondroitin-Proteoglykane, bzw. die funktionell damit einhergehende Dämpfung von PNN-Funktionen, zum Erhalt oder sogar der Wiedererlangung kognitiver Fähigkeiten führte.
Insbesondere untersuchte die Gruppe die Bedeutung von Chondroitin-6-sulfat für Gedächtnis und Neuroplastizität. Bei der transgenen Deletion der Chondroitin-6-Sulfotransferase kam es im Tiermodell zu einer Verringerung von Chondroitin-6-sulfat, was im Tiermodell zu zerebralen Alterserscheinungen, vor allem zu sehr frühem Gedächtnisverlust führt. Weitaus bedeutender erscheint der Forschergruppe jedoch, dass die Normalisierung der Chondroitin-6-sulfat-Spiegel in dem murinen Altersmodell die Gedächtnisdefizite beseitigen und eine kortikale Langzeitpotenzierung wiederherstellen kann. Dies deutet aus ihrer Sicht auf eine therapeutische Möglichkeit hin, altersabhängigen Gedächtnisverlust zu behandeln. Die Forscher sind sich sicher, dass die Ergebnisse aus den Mausversuchen auf Menschen übertragbar sind, da die untersuchten neuronalen Mechanismen bei diesen Spezies sehr ähnlich ablaufen. Äußerungen der Gruppe zufolge sind bereits oral verwendbare ‒ und angeblich schon für andere Indikationen zugelassene ‒ Medikamente bekannt, die die Bildung von PNN inhibieren und ‒ zumindest bei Mäusen ‒ wirksam zu einer Wiederherstellung von altersbedingtem Gedächtnisverlust, aber auch einer verbesserten Wiederherstellung traumatischer Rückenmarksläsionen führen können. Hinsichtlich der Behandlung neurologischer Erkrankungen wird derzeit auch ein gentherapeutischer Ansatz untersucht.
Originalpublikation: Yang S et al., Mol Psychiatry 2021 Jul 16; doi 10.1038/s41380-021-01208-9, PMID 34272488
Pressemitteilung, University of Cambridge, Juli 2021