Die neue S3-Leitlinie „Nichtinvasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz“, unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) entstanden, ist ab sofort bei der AWMF veröffentlicht (Registernr. 020-008). „Diese Leitlinie ist für uns Pneumologen und Beatmungsmediziner extrem wichtig und wird Vieles in Bewegung setzen“, kommentiert DGP-Präsident Prof. Dr. med. Wolfram Windisch, „eine Pflichtlektüre!“
Die Leitlinie ersetzt die bisherige S2k-Leitlinienversion für invasive und nichtinvasive Therapien. „Beide Bereiche haben sich in den vergangenen Jahren so dynamisch und unterschiedlich entwickelt, dass wir uns nun für eine wissenschaftliche, differenziertere Aufteilung in jeweils eigene Leitlinien entschieden haben”, erklärt Leitlinienkoordinatorin PD Dr. med. Sarah Stanzel, Fachärztin in der Lungenklinik an den Kliniken der Stadt Köln. Die nun veröffentlichte Leitlinie zur nichtinvasiven Therapie konnte durch ihre große Evidenz als S3 klassifiziert werden. Die Empfehlungen zu invasiven Behandlungsmöglichkeiten befinden sich noch in Bearbeitung und sollen bei Fertigstellung als eigenständige S2k-Leitlinie publiziert werden.
Ein großer Unterschied zur früheren Leitlinienversion: „Die Grenzwerte für eine Indikation zur nichtinvasiven Beatmung bei verschiedenen Krankheitsbildern wurden an die bestehende Evidenz angepasst”, erklärt Stanzel. Ihr besonderes Augenmerk galt zudem der Vermeidung widersprüchlicher Aussagen: „Es gibt kaum etwas Schlimmeres in Leitlinien, als Widersprüche”. Konsequent werde deshalb an entsprechenden Textstellen auf themenverwandte Leitlinien verwiesen, etwa zum prolongierten Weaning, der Sauerstofflangzeittherapie oder hin zu schlafbezogenen Atemstörungen – ohne auf diese Themenblöcke im Detail einzugehen. Neu in der Leitlinie ist auch die Diskussion rund um ambulante oder stationäre Versorgungsstrukturen.
Das Autoren-Team berücksichtigt auch die Entwicklung zu immer mehr adipösen Patientinnen und Patienten, indem das Kapitel zum Obesitas-Hypoventilationssyndrom stark überarbeitet wurde. Ein komplett neues Kapitel zum prolongierten Weaning ist hinzugekommen, wie auch eines rund um ethische Fragen, um Antworten geben zu können, wie eine Therapie mit gutem Gewissen auch beendet werden kann. „Für unsere chronisch schwerkranken Patienten ist das eine ganz wichtige und auch sehr schwierige Frage: Wann endet eine Therapie-Bemühung?”, sagt PD Dr. med. Stephan Walterspacher, der für die DGP bereits zum dritten Mal an der Leitlinien-Überarbeitung als Senior-Koordinator mitwirkte. „Auf ein gut begleitetes Sterben müssen wir in Zukunft noch viel Augenmerk legen“, mahnt der erfahrene Pneumologe.
Interaktive Flowcharts und Kitteltaschen-Version zur besseren Anwendbarkeit
Derzeit wird noch eine Kitteltaschen-Version der Leitlinie fertiggestellt. Auch digitale Flowcharts mit klaren Anweisungen für die behandelnden Personen sind in der Entwicklung, um ein schnelles Durchklicken zur gewünschten Information zu ermöglichen. „In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der beatmeten Patienten verdoppelt – auf zuletzt rund 17 000 neu eingeleitete Beatmungen im Jahr“, sagt Stanzel. „Wir wünschen uns deshalb möglichst nicht nur die Spezialisten für chronische respiratorische Insuffizienz zu erreichen“, so Walterspacher, „sondern möchten alle medizinischen Kollegen befähigen, betroffene Patientinnen und Patienten bestmöglich zu versorgen”.
Online-Version der S3-Leitlinie „Nichtinvasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz“: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-008
Pressemitteilung „Neue S3-Leitlinie „Nichtinvasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz“ veröffentlicht“. Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), Berlin, 25.7.2024 (https://pneumologie.de/aktuelles-service/presse/pressemitteilungen/neue-s3-leitlinie-nichtinvasive-beatmung-als-therapie-der-chronischen-respiratorischen-insuffizienz-veroeffentlicht).