Die Misshandlung älterer Menschen ist mit schwerwiegenden gesundheitlichen und psychosozialen Folgen verbunden, deren Erkennung und Bewertung ‒ angesichts einer schnell alternden Bevölkerung ‒ auch für Ärzte eine Herausforderung ist. Eine 10-jährige, bevölkerungsbasierte Längsschnittstudie zur Häufigkeitseinschätzung von Misshandlungen älterer Menschen im US-Bundesstaat New York zeigt nun, dass diese mit über 10% überaus häufig vorkommt.
Die Studie wurde in zwei Abschnitten durchgeführt. Zunächst (2009) mittels einer telefonischen Umfrage bei einer Zufallsstichprobe (englisch- und/oder spanischsprachige, kognitiv intakte, in eigenem Haushalt im Bundesstaat New York lebende Erwachsene, Alter ≥60 Jahre). Im zweiten Studienabschnitt (2019) mit Telefoninterviews bei jenen älteren Erwachsenen, die im ersten Abschnitt teilgenommen und einer erneuten Kontaktaufnahme für Interviews zugestimmt hatten (Rücklauf 60,7%). Die 10-Jahres-Inzidenz für allgemeine Misshandlung älterer Menschen und Subtypen (finanzieller Missbrauch, emotionaler oder psychischer Missbrauch, körperlicher Missbrauch und Vernachlässigung) wurde mit angepassten Versionen validierter Erfassungsinstrumente erfasst („Conflict Tactics Scale“, „Duke Older Americans Resources and Services Scale“, „New York State Elder Mistreatment Prevalence Study Tool“).
Die Auswertung zeigte bei den im zweiten Abschnitt im Mittel 79,4 Jahre alten 628 Befragten eine 10-Jahres-Inzidenzrate für die allgemeine Misshandlung älterer Menschen von 11,4%, für finanziellen Missbrauch 8,5%, für emotionalen Missbrauch 4,1%, für körperlichen Missbrauch 2,3% und für Vernachlässigung 1,0%. Besonders eine schlechte Selbsteinschätzung der eigenen Gesundheit im ersten Abschnitt prädestinierte besonders häufig für Misshandlungen älterer Menschen (zweite Befragung, bis zu vierfach erhöhter Häufigkeit). Ähnliches galt auch für afroamerikanische Studienteilnehmer (2,6-fach). Der Wechsel aus einem familiären Lebenssetting zum Alleinleben war mit einem fast dreifach erhöhten finanziellen Missbrauch verbunden. Die Autoren glauben, dass vor allem Arztbesuche eine wichtige Gelegenheit sein können, ältere Erwachsene mit einem Risiko von Misshandlungen zu erkennen.
Burnes D et al., JAMA Netw Open 2021 Aug 2; 4(8): e2117758, DOI 10.1001/jamanetworkopen.2021.17758, PMID 34383062