Eine aktuelle Übersicht der wichtigsten nichtmedikamentösen Interventionen für Menschen mit Demenz haben Forscher des Instituts für Allgemeinmedizin der Universität Frankfurt/Main veröffentlicht. Nichtmedikamentöse Ansätze gewinnen an Bedeutung, stellen die Autoren fest.
Grundsätzlich sollen nichtmedikamentöse Interventionen für Menschen mit Demenz die Lebensqualität und das Wohlbefinden steigern, psychopathologische und Verhaltenssymptome lindern und auch den versorgenden Angehörigen Unterstützungsmöglichkeiten und Resilienzförderung bieten. Das narrative Review der Frankfurter Forscher wurde unter Berücksichtigung des aktuellen Forschungsstands und der S3-Leitlinie „Demenzen“ der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) erstellt.
Die vielversprechendsten Interventionen aus dem betrachteten therapeutischen Spektrum, so fassen sie zusammen, sind Maßnahmen zur Förderung zentraler kognitiver Funktionen (z. B. kognitive Stimulation durch geeignete Alltags- und Freizeitaktivitäten), Angebote zur Steigerung und Stabilisierung des körperlichen Aktivitätsniveaus (z. B. Ergotherapie oder Bewegung in moderater Intensität) sowie kreativtherapeutische Angebote zur Förderung von Kommunikationsfähigkeit und sozialer Teilhabe (z. B. Musik- oder Tanztherapie). Inzwischen werden viele dieser psychosozialen Interventionen durch den Einsatz digitaler Zugänge weiterentwickelt.
Gemeinsam ist solchen Angeboten, dass sie sich an den individuellen kognitiven und körperlichen Ressourcen der Betroffenen orientieren, Lebensqualität und Stimmung verbessern sowie Partizipation und Selbstwirksamkeit fördern sollen (z. B. die Videospielplattform memoreBox, https://memore.de/). Neben den psychosozialen Interventionen haben in den vergangenen Jahren auch ernährungsbezogene Ansätze („medical food“, vollwertige Ernährung) und die nichtinvasive – noch experimentelle – Neurostimulation (u. a. transkranielle Magnet-, Elektro- oder Puls-Stimulation) Potentiale im Rahmen der nichtmedikamentösen Demenztherapie erkennen lassen.
Die Autoren erinnern in ihrem Review an die seit mehreren Jahrzehnten intensiv laufende Suche nach kausal wirksamen und krankheitsmodifizierenden Wirkstoffen. Der jüngste Rückschlag in einer langen Reihe gescheiterter Arzneimittelstudien markiert die Einstellung der Vermarktung des Alzheimer-Medikaments Aducanumab im Mai 2022. Obwohl damit die Hoffnung auf eine bald verfügbare kausal wirksame Pharmakotherapie der (Alzheimer)Demenz erneut zerschlagen wurde, besteht kein Grund für therapeutischen Nihilismus, betonen sie weiter. Denn abgesehen von den bekannten und weiterhin indizierten, jedoch nur schwach wirksamen symptomatischen Antidementiva (Donepezil, Rivastigmin, Galantamin und Memantin) stehen die oben beschriebenen wirksamen nichtpharmakologischen therapeutischen Maßnahmen zur Verfügung. Zusammen eingesetzt sind diese Möglichkeiten wichtige Bausteine einer ganzheitlichen Therapie von Menschen mit Demenz.
Tesky VA et al.; Inn Med (Heidelb). 2022 Dec 15 (DOI 10.1007/s00108-022-01446-1).
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN): S3-Leitlinie Demenzen. AWMF-Registernr. 038-013 vom 24.1.2016, gültig bis 23.1.2021.