- Anzeige -
Gynäkologie

Verbesserungen durch Checkpoint-Inhibition

Neue Therapieoptionen beim Zervixkarzinom

Prof. Dr. med. Michael Eichbaum

30.12.2022

Während beim Ovarialkarzinom positive Ergebnisse für die Immuncheckpoint-Inhibition weiter auf sich warten lassen, gibt es für das Zervixkarzinom eine vielversprechende tumorbiologische Rationale. Und aktuelle Studienergebnisse bestätigen jetzt diese Hoffnung.

Nachdem in der gynäkologischen Onkologie/Senologie erfolgreich Einsatzmöglichkeiten der Checkpoint-Inhibition für das triple-negative Mammakarzinom gefunden wurden, besteht natürlich hohes Interesse, diese Therapieoption auch bei weiteren Tumorentitäten und Behandlungssituationen zu evaluieren. Für das Ovarialkarzinom konnte z. B. bis heute kein durchgreifend positiver Effekt für die Immuncheckpoint-Inhibition nachgewiesen werden. Hier müssen weitere Forschungsanstrengungen unternommen und kommende Studienergebnisse noch weiter abgewartet werden.

Für das Zervixkarzinom gibt es aber eine vielversprechende tumorbiologische Rationale: Dadurch, dass es sich in der weit überwiegenden Zahl der Fälle um eine Krebserkrankung handelt, die sich auf dem Boden einer Infektion (HPV) entwickelt hat, liegt eine Vielzahl von immunologischen Vorgängen im Primärtumormilieu vor. Dies geht einher mit einer hohen lokalen Präsenz von Immunzellen [1].

Gerade für das fortgeschrittene Zervixkarzinom sind neue Therapieoptionen dringend geboten. Die Prognose dieser Patientinnen ist insgesamt immer noch schlecht. Durch den bislang etablierten Standard der Chemotherapie mit Cisplatin/Topotecan oder Cisplatin/Paclitaxel [2,3] ließ sich ein medianes ­Gesamtüberleben von 18 Monaten erzielen. Durch die Hinzunahme von Bevacizumab in der Erstlinie, dessen Zulassung sich 2014 auf die positiven Daten der amerikanischen GOG-240-Studie stützte, ließ sich die Prognose moderat verbessern [4].

Für den PD-1-Inhibitor Pembrolizumab existierten vorbestehende Daten, die eine Aktivität und Sicherheit für das Medikament in der palliativen Therapie von Patientinnen mit PD-L1-positivem Zervixkarzinom nachgewissen hatten [1]. In einem nächsten Schritt wurde nun in einem Phase-III-Setting eine weitere Evaluation dieser Option vorgenommen.

KEYNOTE-826-Studie

Im Zuge eines großen, internationalen doppelblinden prospektiv-randomisierten Phase-III-Konzepts wurden in der KEYNOTE-826-Studie Patientinnen mit persistierendem, rezidiviertem oder metastasiertem Zervixkarzinom in einem 1 : 1-Verhältnis entweder einer Therapie mit Pembrolizumab 200 mg i. v. q3w oder einem Placebo für eine Dauer von bis zu 35 Zyklen zugeordnet. Parallel dazu erhielten die Patientinnen eine platinhaltige Chemotherapie und – je nach Prüfarztentscheidung – auch Bevacizumab. Die beiden primären Endpunkte waren progressionsfreies Überleben (PFS) und Gesamtüberleben (OS), jeweils sequenziell getestet bei Patientinnen mit einem PD-L1-positiven „Combined Positive Score“ (CPS) von 1 oder mehr, in der Intention-to-treat-Population und bei Patientinnen mit einem PD-L1-positiven CPS von 10 oder mehr. CPS war dabei definiert als die Zahl der PD-L1-gefärbten Zellen geteilt durch die Gesamtzahl der vitalen Tumorzellen, multipliziert mit 100.

In der ersten Interims-Analyse der Follow-up-Daten [5] von 548 Patientinnen mit einem PD-L1-positiven CPS ≥ 1 betrug das mediane PFS 10,4 Monate in der Pembrolizumab-Gruppe und 8,2 Monate in der Placebo-Gruppe (HR 0,62; 95%-KI 0,50–0,77; p < 0,001). Bei 317 Patientinnen mit einem PD-L1-positiven CPS ≥ 10 wurde ein PFS von 10,4 vs. 8,1 Monate festgestellt (HR 0,58; 95%-KI 0,44–0,77; p < 0,001). Das Gesamtüberleben nach 24 Monaten betrug 53 % in der Pembrolizumab-Gruppe und 41,7 % in der Placebo-Gruppe (Abb. 1).

Somit konnte hinsichtlich der Effektivität durchgehend, i. d. R. ab dem dritten Behandlungsmonat, ein Auseinandergehen der Kaplan-Meier-Kurven für PFS und OS nachgewiesen werden – besonders deutlich für Patientinnen mit einem PD-1-positiven CPS von ≥ 10. Im Gegensatz dazu schienen Patientinnen mit einem CPS < 1 nur geringfügig durch eine zusätzliche Behandlung mit Pembrolizumab zu profitieren, wenngleich diese Beobachtung in ihrer Aussagekraft begrenzt ist, da der Anteil dieser Patientinnen nur bei 11 % am gesamten Studienkollektiv lag. Der Stellenwert einer zusätzlichen Therapie mit Bevacizumab bleibt unklar. Eine Kombination der platinhaltigen Erstlinienchemotherapie mit dem VEGF-Antikörper Bevacizumab stellt den derzeitigen Standard dar, wurde aber im Zuge der Studie der Entscheidung der jeweiligen Prüfärzte überlassen. In der Folge wurden nur 63,6 % der Studienpatientinnen auch mit Bevacizumab therapiert. Insofern konnte nicht abschließend geklärt werden, in welchem Maße eine Anti-VEGF-Therapie synergistisch mit einer Immuncheckpoint-Inhibition wirkt.

Die häufigsten Nebenwirkungen der Grade 3–5 ­waren Anämie (30,3 % in der Pembrolizumab-Gruppe und 26,9 % in der Placebo-Gruppe) und Neutropenie (12,4 % und 9,7 %). Die Verträglichkeit von Pembrolizumab entsprach damit den Erwartungen aus Vorerfahrungen zur Kombination mit platinhaltigen ­Chemotherapien. Potenziell immunologisch vermittelte Nebenwirkungen traten häufiger im Pembrolizumab-Arm auf, bei 11,4 % dieser Patientinnen in Grad 3–5. Eine Patientin in diesem Behandlungsarm verstarb an einer immunologisch vermittelten ­Encephalitis.

Für Patientinnen mit fortgeschrittenem Zervixkarzinom gibt es erstmals seit Langem eine Optimierungsmöglichkeit.

Zusammenfassend ergibt sich aber durch die Daten der KEYNOTE-826-Studie erstmalig wieder seit der GOG-240-Studie eine prognostisch relevante Optimierungsmöglichkeit in der medikamentösen Therapie des fortgeschrittenen Zervixkarzinoms. Diese Studie war insofern von großer Bedeutung und ­wurde intensiv in der Fachwelt diskutiert. Die Zulassungserweiterung für Pembrolizumab erfolgte dann für Patientinnen mit fortgeschrittenem Zervixkarzinom und PD-L1-exprimierenden Tumoren (CPS ≥ 1) zusätzlich zu einer Chemotherapie +/- Bevacizumab.

EMPOWER-Cervical 1/GOG-3016/ ENGOT-cx9-Studie

Trotz der z. B. durch die genannten Studienergebnisse belegten Verbesserungen in der Erstlinientherapie bleibt die gesamte Behandlungssituation palliativ intendiert. Somit müssen auch für die Zweitlinie der Behandlung von Patientinnen mit persistierendem, rezidiviertem oder metastasiertem Zervixkarzinom neue Strategien gefunden werden, die ein „treatment beyond progression“ ermöglichen.

Hierzu wurden unlängst die Ergebnisse der EMPOWER-Cervical 1/GOG-3016/ENGOT-cx9-Studie veröffentlicht, die den Einsatz des PD-1-Inhibitors Cemiplimab untersucht hatte [6]. Dabei handelt es sich um einen Antikörper, der bereits in der Therapie von Haut- und Lungenkrebs zugelassen ist und von dem in Vorstudien eine Aktivität berichtet wurde.

Im Zuge eines multizentrischen prospektiv-randomisierten Phase-III-Designs schlossen die Autoren der Studie Patientinnen ein, welche eine Krankheitsprogression nach einer platinhaltigen Erstlinientherapie erfahren hatten. Dabei spielte es keine Rolle, welcher PD-L1-Status vorlag. Die PD-L1-Expression wurde dabei als Prozentanteil der Tumorzellen bestimmt, welche PD-L1 exprimierten.

Die Patientinnen wurden in einem 1 : 1-Verhältnis randomisiert, entweder eine Immuntherapie mit Cemiplimab 350 mg i. v. q21d zu erhalten oder eine Mono-Chemotherapie nach Wahl der behandelnden Ärzte zu bekommen. Der primäre Studienendpunkt war das Gesamtüberleben. Das progressionsfreie Überleben und die Sicherheit und Verträglichkeit wurden ebenfalls beobachtet.

Insgesamt wurden 608 Patientinnen in den Trail ­rekrutiert. In der gesamten Studienpopulation war das mediane Gesamtüberleben in der Cemiplimab-­Gruppe signifikant länger als in der Chemotherapie-Gruppe (12 Monate vs. 8,5 Monate; HR für Versterben 0,69; 95%-KI 0,56–0,84; p < 0,001). Der Vorteil im Hinblick auf ein verbessertes Gesamtüberleben war konsistent in beiden histologischen Subgruppen der Studie (Plattenepithelkarzinome und Adenokarzinome einschließlich adenosquamöse Karzinome). Das PFS war ebenfalls verlängert in der Cemiplimab-Gruppe (HR 0,75; 95%-KI 0,63–0,89; p<0,001) (Abb. 2).

Insgesamt ergab sich damit eine signifikante Verlängerung des overall survivals um etwa vier Monate, was für die besondere Schwierigkeit der Behandlungssituation in einer späten Behandlungslinie ein bemerkenswert gutes Ergebnis darstellt. Dieser Effekt war noch einmal deutlicher bei Patientinnen mit einer PD-L1-Expression von ≥ 1 %, was den Stellenwert des PD-L1-Status als Prädiktor für das Therapieansprechen auch beim fortgeschrittenen Zervixkarzinom unterstreicht.

Grade 3/4-Toxizitäten wurden insgesamt bei 45,0 % aller Patientinnen beobachtet, die mit Cemiplimab behandelt wurden, und bei 53,4 % aller Patientinnen, die eine Chemotherapie erhielten. Zusammenfassend erstreckten sich die beobachteten Nebenwirkungen damit im Rahmen dessen, was erwartet werden konnte. Im Vordergrund standen Anämie und Harnwegsinfektionen.

Fazit

Patientinnen mit persistierendem, rezidiviertem oder metastasiertem Zervixkarzinom haben eine schlechte Prognose und stellen weiterhin eine Herausforderung für die gynäkologische Onkologie dar. Vor dem Hintergrund des stark immunologisch/inflammatorisch affizierten lokalen Tumormicroenvironments bieten sich bei diesen Patientinnen jedoch gute Angriffspunkte für eine Immuncheckpoint-Inhibition.

Mit den viel beachteten Ergebnissen der KEYNOTE-826-Studie bietet sich erstmalig seit 2014 durch den Einsatz von Pembrolizumab wieder eine Therapieoption, die eine Prognoseverbesserung für Patientinnen mit einem CPS ≥ 1 bedeutet. Aber auch in der Zweitlinientherapie mit nochmals schlechteren Behandlungschancen konnten mit Cemiplimab positive Effekte durch eine Immuncheckpoint-Inhibition aufgezeigt werden. Zukünftig gilt es diese immuntherapeutischen Strategien optimal mit zytostatischen und antiangiogenen Medikamenten zu kombinieren, um Synergien zu erzielen. Auch gilt es, die beste Prädiktion eines Therapieansprechens zu ermitteln. Dabei wird sich zukünftig die Frage stellen, welcher PD-L1-Test in welchen Grenzen am besten anzuwenden ist.

1 Chung HC et al., J Clin Oncol 2019; 37: 1470–1478
2 Moore DH et al., J Clin Oncol 2004; 22: 3113–3119
3 Monk BJ et al., J Clin Oncol 2009; 27: 4649–4655
4 Tewari KS et al., N Engl J Med 2014; 370: 734–743
5 Colombo N et al., N Engl J Med 2021; 385: 1856–1867
6 Tewari KS et al., N Engl J Med 2022; 386: 544–555

Lesen Sie mehr und loggen Sie sich jetzt mit Ihrem DocCheck-Daten ein.
Der weitere Inhalt ist Fachkreisen vorbehalten. Bitte authentifizieren Sie sich mittels DocCheck.
- Anzeige -

Das könnte Sie auch interessieren

123-nicht-eingeloggt