Die Fortschritte in der Therapie des Mammakarzinoms sind zurzeit atemberaubend. Die neuesten Studien wurden wie jedes Jahr auf dem San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS) präsentiert. Dieser Beitrag stellt einige der Highlights vor.
„Immer kleinere Sub-Entitäten, immer größere Fortschritte.“ Das ist die Botschaft, die Prof. Dr. med. Nadia Harbeck (München) vom San Antonio Breast Cancer Symposium 2021 mitgebracht hat. Großer Schwerpunkt beim frühen Mammakarzinom war die luminale Erkrankung (HR-positiv/HER2-negativ) und viele Vorträge beschäftigten sich mit CDK4/6-Inhibitoren.
Die Metaanalyse der Early Breast Cancer Trialists‘ Collaborative Group (EBCTCG) mit über 7 000 prämenopausalen Patientinnen unter Aromataseinhibitoren plus GnRH zeigt, dass dieses Regime das Risiko eines Rezidivs und auch der Fernmetastasen um etwa ein Fünftel reduziert. Allerdings verlängert es das Gesamtüberleben nur um 2 %. Zudem traten bei diesen Patientinnen mehr Frakturen als unter Tamoxifen plus GnRH auf. Das Regime scheint also angezeigt v. a. bei Patientinnen mit sehr hohem Risiko.
Die TEXT- und SOFT-Studien beim prämenopausalen, HR-positiven frühen Mammakarzinom untersuchen Tamoxifen versus dem selektiven Aromataseinhibitor Exemestan mit und ohne GnRH. In der SOFT-Studie wurden die Patientinnen 1:1:1 in drei Gruppen randomisiert. Die Gruppen erhielten folgende Therapie: Gruppe 1: Tamoxifen, 20 mg Tagesdosis; Gruppe 2: Tamoxifen plus ovarielle Suppression; Gruppe 3: Exemestan, 25 mg Tagesdosis plus ovarielle Suppression. Die ovarielle Suppression erfolgte entweder durch Triptorelin oder eine bilaterale Ovarektomie oder eine Radiomenolyse. Die Teilnehmerinnen der TEXT-Studie wurden in zwei Gruppen randomisiert. Eine Gruppe erhielt Exemestan und Triptorelin, die andere Gruppe Tamoxifen und Triptorelin. Eine bilaterale Ovarektomie oder Radiomenolyse konnte durchgeführt werden, nachdem Triptorelin mindestens sechs Monate eingenommen worden war.
Tamoxifen vs. Exemestan: 12-Jahres-Daten
Präsentiert wurden Daten zum 12-jährigen Follow-up. Ein geringer Vorteil sowohl beim rezidivfreien als auch beim Gesamtüberleben zeigt sich bei Exemestan, die eigentliche Verbesserung liegt aber in der Kombination mit GnRH im Vergleich zu Tamoxifen allein, auch bei den Patientinnen, die vorher eine Chemotherapie erhalten haben, also der Hochrisiko-Gruppe. Entscheidend sei es, herauszufiltern, ob eine Patientin ein so niedriges Risiko hat, dass die Behandlung mit Tamoxifen allein ausreicht, da dann auch am wenigsten Nebenwirkungen auftreten. Wenn ein hohes Rezidivrisiko besteht, ist es besser, bei jungen Frauen die Eierstockfunktion zu unterdrücken.
Die PALLAS-Studie mit fast 6 000 jüngeren Patientinnen mit höhergradigem Nodalbefall hat ihren primären Endpunkt nicht erreicht. Palbociclib verlängert das Überleben unabhängig von der Dosis nicht. Die ähnlich konzipierte monarchE-Studie mit Abemaciclib, einem anderen CDK4/6-Inhibitor, zeigte dagegen einen Benefit für die Patientinnen in der Hochrisiko-Gruppe mit vier und mehr befallenen Lymphknoten. Daher wurde Abemaciclib in Europa für diese Fälle zugelassen. Im Moment laufen noch drei weitere Studien.
Chemo: Wann und welche?
Die Oxford Overview Analyse präsentierte Ergebnisse aus 20 000 Rohdaten zum Nutzen von Anthrazyklinen und dem TAC-Schema mit Taxan, Anthrazyklin und Cyclophosphamid gleichzeitig oder nacheinander. Dabei zeigte sich ein kleiner Vorteil beim Gesamtüberleben für die Anthrazykline, der auch nach zehn Jahren noch sichtbar war. Verglichen wurden auch die gleichzeitige versus sequentielle Gabe, dabei erwies sich die gleichzeitige Gabe vor allem bei Rezeptor-negativen Erkrankungen als vorteilhafter. In der sequentiellen Verabreichung kann auch Anthrazyklin-frei therapiert werden, da sich kein Benefit belegen ließ. Sinnvoll ist Anthrazyklin vor allem bei hochgradig nodal positiven Tumoren.
Mit der Frage, wer überhaupt der Chemotherapie bedarf, beschäftigt sich die RxPonder-Studie. Sie untersucht Patientinnen mit Recurrence Score bis 25 und bis drei befallene Lymphknoten. Bei Frauen nach den Wechseljahren zeigte sich dabei kein Vorteil von einer Chemotherapie, bei jüngeren Frauen dagegen ein geringer Benefit für das Fernmetastasen-freie Überleben. Es stellt sich die Frage, ob die Wirkung nicht eventuell durch das Ausschalten der Eierstöcke durch die Chemotherapie bedingt ist.
In der ADAPT-Studie wurde die Wirksamkeit einer Behandlung mit Ribociclib kombiniert mit endokriner Therapie untersucht. Dabei wurden nach drei Wochen Antihormontherapie die Tumoren untersucht und nur in den Fällen, in denen Wachstum vorlag, wurde Chemotherapie gegeben. Dadurch konnte bei der Hälfte der jüngeren Frauen die Chemotherapie vermieden werden, da sie auf die Antihormontherapie angesprochen hatten. „Inzwischen bieten wir an der LMU jeder Patientin, die dafür infrage kommt, die kurze präoperative Antihormontherapie an“, so Prof. Harbeck. „Es geht in Zukunft vor allem darum, die Antihormontherapie zu optimieren und beim HER2-positiven Mammakarzinom die Übertherapie zu vermeiden.“
Beim metastasierten Mammakarzinom wurden Daten der MONALEESA II Erstlinien-Studie untersucht: Ribociclib als CDK4/6-Inhibitor in Kombination mit endokriner Therapie bei HR-positiven/HER2-negativen Tumoren. Über 80 % der Tumoren waren luminal, 14 % HER2-enriched und 3 % basal-like. Diese Subtypen sind prognostisch: luminal A hat die beste Prognose, luminal B die zweitbeste, HER2-enriched etwas schlechter. Unter Ribociclib verlaufen die Kurven für alle Subgruppen außer den basal-likes fast identisch. Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) lag bei 25,3 Monaten, bei Placebo nur bei 16 Monaten. Der Effekt zeigt sich unabhängig davon, welche Art von Metastasen bereits aufgetreten war und ob die Patientin mit Chemotherapie behandelt wurde.
Neue Wirkstoffgruppe: orale SERD
Eine ganz neue Wirkstoffgruppe sind die oralen SERD, selektive Estrogen-Rezeptor-Degraders. Bislang mussten diese Medikamente intramuskulär injiziert werden. In der EMERALD-Studie wurde das orale SERD Elacestrant nach Antihormontherapie und CDK4/6 eingesetzt. Im Vergleich zu dem zu injizierenden Fulvestrant zeigte Elacestrant ein verlängertes PFS bei einer HR von 0,69. Allerdings haben beide Gruppen nach so viel Vortherapie nicht sehr gut angesprochen. Elacestrant wird zur Zulassung eingereicht.
In der PADA-1-Studie mit über 1 000 Patientinnen wurden Aromatasehemmer und Palbociclib als Standardtherapie in der Erstlinie eingesetzt. Im Blut wurde ctDNA gemessen, nach Estrogen-Rezeptor-Mutationen gesucht und diese als Zeichen der Resistenz gegen den Aromatasehemmer gewertet. Je nach Ergebnis wurde weiterbehandelt oder auf Fulvestrant umgestellt. Bei knapp 300 Patientinnen wurde das Ansteigen der Mutationen registriert. Je 150 wurden in zwei Armen weiterbehandelt. Der primäre Endpunkt der Studie wurde erreicht: Bei den Patientinnen, bei denen frühzeitig nach Erkennen der Mutationen umgestellt wurde, war das PFS verlängert.
Tucatinib ist ein antineoplastischer HER2/neu-Inhibitor aus der Wirkstoffgruppe der Tyrosinkinasehemmer. In der HER2CLIMB-Studie mit 15 Monaten Follow-up wurde ein deutlich verlängertes progressionsfreies Überleben von 9,9 Monaten unter Tucatinib mit Trastuzumab/Capecitabin auch für Patientinnen mit Hirnmetastasen gezeigt. „Wenn lokal nicht mehr behandelbare Hirnmetastasen vorliegen, ist Tucatinib ganz klar als Erstes in der Zweitlinie gesetzt“, so Prof. Harbeck.
ASCENT ist die Studie zur Zulassung von Sacituzumab Govitecan. Dieser monoklonale Antikörper ist ein Antikörper-Wirkstoff-Konjugat und besteht aus drei Komponenten. 529 rückfällige, metastasierte, triple-negative Brustkrebspatientinnen, die alle schon mindestens zwei Chemotherapien durchgemacht haben, waren eingeschlossen. Das Resultat: Sowohl das PFS mit 5,6 Monaten als auch das OS wurde signifikant verbessert bei einer HR von 0,51 für das Gesamtüberleben. „Das sollte man sofort in die Praxis umsetzen“, so Prof. Harbeck. Sacituzumab Govitecan wurde bereits als Zweitlinien-Therapeutikum in die ESMO-Leitlinien für das metastasierte Mammakarzinom aufgenommen.
Fachpresse-Workshop „Mammakarzinom im Fokus“ (Veranstalter: PommeMed GmbH), Dezember 2021