Die vorläufige Auswertung der Messdaten von bislang rund 500 Messstationen der Bundesländer und des Umweltbundesamtes (Stand 31.01.2023) zeigt, dass 2022 das fünfte Jahr in Folge ohne Überschreitungen der mittleren Feinstaubgrenzwerte in Deutschland war. Doch die Grenzwerte entsprechen nicht den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Deshalb wird eine neue Luftqualitätsrichtlinie gefordert.
„Trotz der erzielten erfreulichen Fortschritte muss berücksichtigt werden, dass die geltenden Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid vor mehr als 20 Jahren festgelegt wurden und nicht den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen über die gesundheitlichen Auswirkungen von Luftverschmutzung entsprechen. Die EU-Kommission schlägt daher in ihrem Entwurf für eine neue Luftqualitätsrichtlinie schärfere, sich stärker an den Richtwerten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) orientierende Grenzwerte vor“, erläutert Prof. Dr. Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes (UBA).
Luftverschmutzung als erhebliche gesundheitliche Belastung
Der Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO₂) von 40 µg/m³ Luft wurde 2022 nach aktueller Datenlage nur noch an zwei verkehrsnahen Messstationen in München und Essen überschritten. NO₂-Hauptquelle in Städten ist der Straßenverkehr, vor allem Diesel-Pkw. Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie trugen zu einem Rückgang der NO₂-Konzentrationen bei. Im vergangenen Jahr normalisierte sich das Mobilitätsverhalten aber wieder. Im Wesentlichen gehen die Rückgänge daher auf eine fortschreitende Erneuerung der Fahrzeugflotte zurück, beispielsweise schadstoffärmere Busse.
Im Jahr 2022 wiesen 42% der Messstationen PM10-Jahresmittelwerte oberhalb des Luftgüteleitwertes der WHO auf. An fast allen der etwa 200 Stationen (99,5%) wurde der WHO-Richtwert für Feinstaub PM 2,5 (5 µg/m³) überschritten. Die mittleren Feinstaubwerte lagen auf dem Niveau des Vorjahres. „In ihrer Folgenabschätzung zum Vorschlag der neuen Luftqualitätsrichtlinie stuft die EU-Kommission die Luftverschmutzung als erhebliche gesundheitliche Belastung ein. Dabei geht die größte Bedrohung von dauerhaft zu hohen Feinstaubkonzentrationen aus, die zu zahlreichen vorzeitigen Todesfällen – etwa 28.000 in Deutschland und etwa 238.000 in der EU – und Krankheiten führt. Der im Oktober 2022 veröffentlichte Kommissionsvorschlag für eine neue Luftqualitätsrichtlinie sieht demzufolge deutlich abgesenkte Grenzwerte für 2030 vor“, erläutert Messner. Die Hauptquellen der Feinstaubbelastung in Ballungsräumen und Städten sind der Straßenverkehr (Auspuffabgase und insbesondere Bremsen- und Reifenabrieb) sowie Öfen und Heizungen in Wohnhäusern. Kraft- und Fernheizwerke, die Metall- und Stahlerzeugung und auch der Umschlag von Schüttgütern sind weitere Feinstaubquellen. Zudem tragen insbesondere die Ammoniakemissionen aus der Tierhaltung zur Feinstaubbildung bei. Feinstaub kann aber auch als Folge von Bodenerosion oder Waldbränden auftreten, oder auch durch Transport von Staub aus der Sahara.
Mittlere Ozonbelastung in Städten nimmt zu
Die Ozonbelastung war trotz sommerlicher Hitzeperiode mit Blick auf geltende Ziel- und Schwellwerte eher durchschnittlich im Vergleich zu den Vorjahren. Dennoch wurden die WHO-Richtwerte für Ozon flächendeckend (100%) verfehlt. Ozon wird nicht direkt freigesetzt, sondern bei intensiver Sonneneinstrahlung durch photochemische Prozesse aus Vorläuferschadstoffen gebildet. Das UBA weist darauf hin, dass die zunehmenden sommerlichen Hitzeperioden in den letzten Jahren zwar zu keiner Zunahme der Ozonspitzenkonzentrationen geführt hat, jedoch die mittlere Ozonbelastung in Städten zunimmt.
Hinweis: Die WHO fasst zusammen, dass im Jahr 2019 99% der Weltbevölkerung an Orten lebte, an denen die Luftgüteleitwerte der WHO nicht eingehalten wurden. Die Organisation schätzt, dass die Luftverschmutzung (im Freien) 2019 weltweit 4,2 Millionen vorzeitige Todesfälle verursacht hat. Die Luftverschmutzung ist damit der zweithöchste Risikofaktor für nichtübertragbare Krankheiten.
* Pressemitteilung „Luftqualitätsgrenzwerte in Deutschland2022 erneut nahezu überall eingehalten – Schutz der Gesundheit ist dennochnicht sichergestellt . Umweltbundesamt (UBA), Dessau-Roßlau, 13.2.2022 (https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/luftqualitaetsgrenzwerte-in-deutschland-2022-erneut)
* WHO globalair quality guidelines. Particulate matter (PM2.s and PM10), ozone nitrogendioxide, sulfur dioxide and carbon monoxide. Geneva: World Health Organization;2021 (https://www.who.int/publications/i/item/9789240034228).