Unter den wissenschaftlichen Vortragsprogrammen widmete sich eins komplett der Komplementärmedizin in der Onkologie. Schwerpunktthemen dabei waren Fatigue, Ernährung, Lebensqualität und die Umsetzung der S3-Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen“.
Die S3-Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen“ (Langversion 1.1, September 2021, AWMF-Registernummer 032/055OL) ist Teil des Leitlinienprogramms Onkologie. Ausgewählte Inhalte dieser Leitlinie, die momentan aktualisiert wird, wurden in mehreren Sitzungen thematisiert.
S3-Leitlinie „Komplementärmedizin“
In der S3-Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen“ [1] gibt es zum Thema Patienteninformation diese konsensbasierte Empfehlung: „Alle Patienten sollten frühestmöglich und im Verlauf wiederholt zum Interesse an Informationen zu komplementärmedizinischen Maßnahmen befragt werden […]“. Bisher erfolgte hierzu im Medizinstudium und in den Facharztausbildungen der verschiedenen Fachrichtungen keine systematische Ausbildung. Hierzu wurde die Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer geändert. Neu darin ist im Facharztkatalog Gynäkologie und Geburtshilfe der Erwerb von Beratungskompetenz zu Komplementärmedizin in der gynäkologischen Onkologie aufgenommen. Alle Landesärztekammern, außer Bayern und Berlin, haben diesen Punkt in ihre Weiterbildungsordnung aufgenommen.
Beratungskompetenz muss Thema in der Weiterbildung sein!
Zum Erwerb von Beratungskompetenz zu Komplementärmedizin in der gynäkologischen Onkologie werden strukturierte Kurse angeboten. Unter den Kursanbietern hat die NATUM als kooperierende wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe hierzu die umfangreichsten Erfahrungen [2].
Fatigue: Neues Konzept mit App
Durch die Fortschritte bei den onkologischen Behandlungen haben die Behandlungserfolge zugenommen. Gleichzeitig haben die Belastungen der onkologischen Patientinnen und Patienten zugenommen. Als Ergebnis wird das Cancer Related Fatigue Syndrom (CRFS) immer häufiger diagnostiziert. Charakteristisch für das Fatigue-Syndrom in der Onkologie ist die völlige körperliche, emotionale und/oder geistige Erschöpfung. Fehlender Antrieb, eine anhaltende Müdigkeit und eine Kraftlosigkeit, die in keinem Verhältnis zu vorangegangenen körperlichen oder geistigen Anstrengungen stehen, können durch Schlaf und Erholungsphasen nicht mehr ausgeglichen werden. Konzentrationsschwäche und Gedächtnisprobleme können hinzukommen [3]. In der S3-Leitlinie „Psychoonkologie“ wird zur Behandlung der Einsatz von E-health-Interventionen empfohlen [4].
Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) sind dabei auf dem Vormarsch, und in Berlin wurde das erste psychoonkologische Behandlungsprogramm gegen das Cancer Related Fatigue Syndrom vorgestellt. Es ist vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als digitale Gesundheitsanwendung zugelassen. Ziel ist die Reduktion von Erschöpfungszuständen und die Verbesserung der Lebensqualität.
Die Patientinnen nutzen diese App 3 x pro Woche für etwa 20 Minuten, die Verordnung erfolgt per Rezept. Alle gesetzlichen und viele private Krankenkassen übernehmen die Kosten. Es handelt sich um eine extrabudgetäre Verordnung. Eine Folgeverordnung ist nach 90 Tagen möglich. Grundlage für dieses Konzept sind umfangreiche wissenschaftliche Daten, die international publiziert sind [5,6].
Mangelernährung
In mehreren Sitzungen wurde die zentrale Bedeutung der Ernährung bei onkologischen Betroffenen beschrieben. Ein wichtiges diagnostisches Ziel ist die Erkennung von Mangelernährung. Die quantitative Mangelernährung ist wie folgt definiert:
Bei Verdacht auf Mangelernährung ist zur Diagnostik eine orientierende Laboranalytik hilfreich. Bestimmt werden sollten dabei: Albumin, Präalbumin, Transferrin und Leukozyten. Die qualitative Mangelernährung ist gegenüber der quantitativen gesondert zu betrachten. Die Behandlung von Mangelernährung senkt die Sterblichkeit.
Die Behandlung von Mangelernährung senkt die Sterblichkeit.
Mikronährstoffe
In mehreren Vorträgen wurden ausgewählte Aspekte der S3-Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen“ dargestellt. Zu Vitamin D, Vitamin B12 und Selen lauten die aktuellen Empfehlungen: „Eine Bestimmung des Serumspiegels sollte bei den folgenden Bestandteilen von Supplementen und Substituten vorgenommen werden: Vitamin B12, D, Selen. Ferner sollte eine Serumspiegel-Bestimmung erfolgen, sofern im Rahmen der Supplementation die empfohlene Dosis der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) gezielt überschritten wird oder eine langfristige Einnahme vorgesehen ist.“
Der Autor
Prof. Dr. med. Harald Meden
Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe
Swiss Institute for New Concepts and Treatments (SINCT)
Bildnachweis: privat