Natürlich war auch die allgegenwärtige Künstliche Intelligenz ein Thema auf dem DKK 2024. Doch unter dem Strich weniger prominent, als wir das im Vorfeld erwartet hatten. Manches braucht halt seine Zeit. Wir haben uns aktuelle Entwicklungen in der Radiologie, der Pathologie und bei den DiGA angeschaut.
Vorreiter beim Thema Künstliche Intelligenz (KI) im Gesundheitswesen ist aktuell die Radiologie. Hier werden bereits seit Jahren routinemäßig KI-Systeme verwendet, vor allem zur Verbesserung der Bildqualität. Aber auch bei der Bildanalyse gibt es bereits zertifizierte Produkte, mit denen es z. B. möglich ist, für die Bestrahlungsplanung automatisch Organgrenzen im Bildmaterial bestimmen zu lassen. Laut FDA sind 79 % der zugelassenen KI-Medizinprodukte im Bereich der Radiologie angesiedelt – was aber im Umkehrschluss heißt, in den anderen Bereichen ist es noch sehr überschaubar, was den Einsatz in der Praxis angeht.
Wo steht die KI in der Onkologie heute?
Das große Problem: die Daten. LLM (Large Language Models) benötigen sehr viele Daten, um trainiert zu werden. Doch es gibt kaum zentralisierte Datenbanken mit denen sie gefüttert werden können, um ihr volles Potenzial zu erreichen. Außer der immer noch ausbaufähigen Digitalisierung im deutschen Gesundheitssystem stellt auch der Datenschutz eine Hürde dar. Schließlich handelt es sich um sensible Patientendaten.
Ein vielversprechender Ansatz ist hier das Federated Learning (föderales Lernen). Herkömmliches Trainieren von KI-Modellen erfordert, dass die Daten auf einen zentralen Server übertragen werden, um dort verarbeitet zu werden und dann als Grundlage für das Training der Software zu dienen. Beim Federated Learning trainieren alle Netzwerk-Teilnehmer direkt bei sich vor Ort das Modell mit einzig und allein ihren eigenen Daten.
Diesen Ansatz verfolgen die Zentren für Personalisierte Medizin (ZPM), die von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) gerade gegründet werden. Sie haben ein hochspezialisiertes molekulares Tumorboard, bestehend aus Bioinformatik, Molekularbiologie, Pathologie, Humangenetik und natürlich einem Expertenteam aus Innerer Medizin und in unserem Fall der Gynäkologie. Dadurch, dass nur die Gewichtungen des Modells unter den Zentren regelmäßig ausgetauscht werden, müssen keine sensiblen Daten das eigene Netzwerk verlassen. Damit ist die DSGVO-Gefahr vom Tisch.
Alte Zöpfe abschneiden
Alte Gewissheiten in der Onkologie sind an vielen Stellen neuen Fragen gewichen. Das fängt bei den Klassifikationen an. Die basierten lange auf klinischen, radiologischen und vor allem histologischen Daten. In den vergangenen 10 Jahren hat man aber gelernt, dass dieses Raster nur für einen Prozentsatz der Indikationen wirklich zutrifft. Beim Mammakarzinom ist die alte Klassifikation deshalb auch schon durch eine neue, molekular basierte ersetzt worden – und Ovarial- und Endometriumkarzinom sind auf dem gleichen Weg.
Das Modell des Federated Learning kann auch bei seltenen Krebsformen Evidenz generieren.
Am Ende stehen personalisierte Therapien. Sie sind individuell auf einzelne Krebsbetroffene zugeschnitten. Das hat den Vorteil, dass man eher zielgerichtet und schonend vorgehen kann. Aber den Nachteil, dass es nur sehr kleine Studiengruppen gibt. Und somit wenig Evidenz. Therapien werden dabei häufig off-label eingesetzt. Warum? Weil man gelernt hat, dass zum Beispiel bestimmte Formen eines Darmkrebses gut auf ein Medikament ansprechen, das aber nur eine Zulassung beim Mammakarzinom hat. Da ist aktuell statt Evidenz oft Phantasie gefragt und das ist natürlich auf Dauer kein Zustand.
Voraussetzung für personalisierte Therapien ist die pathologische Diagnostik, die sich in den vergangenen Jahren enorm weiterentwickelt hat – denn durch die molekulare Klassifizierung gibt der Pathologe oft den Behandlungspfad vor. Durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz kann die Pathologie noch besser und vor allem schneller werden – ein Zeitgewinn von 50 % bei gleichbleibender Qualität gilt als durchaus realistisch. Und wenn durch das oben beschriebene Federated Learning das gesammelte Wissen der Zentren für Personalisierte Medizin zusammengeführt wird, kann man hoffentlich auch bei seltenen Krebsarten ausreichend Evidenz für eine erfolgreiche Behandlung finden.
DiGA in der Versorgung von Brustkrebspatientinnen
DiGA adressieren eines der größten Probleme in der Patientenversorgung: den immer weiter wachsenden Zeitmangel. Zu wenig Zeit, die Patientinnen richtig aufzuklären. Zu wenig Zeit, um Patientinnen alle Fragen zu beantworten und ihnen alle hilfreichen und wichtigen Ratschläge mitzugeben. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte führt in seinem DiGA-Verzeichnis (https://diga.bfarm.de/de/verzeichnis) 62 verschiedene Anwendungen. In der Kategorie „Krebs” sind es bislang 3, die alle für Patientinnen mit Mammakarzinom geeignet sind:
Wie ein echter Coach sind die DiGA digitale Coaches, die zielbasiert funktionieren und auf Leitlinien für Brustkrebspatientinnen basieren.
Sessions „Künstliche Intelligenz in der Onkologie – bereit für den Einsatz in der Klinik?“, „AI in pathological diagnostics“, „AI in clinical applications“ und „DiGAs – von zwei Seiten beleuchtet“