Dass die Auswertung von Registerdaten wertvolle Hinweise auf die Real-World-Bedingungen von Erkrankungen und Therapiemöglichkeiten liefern, zeigte Prof. Dr. med. Jürgen C. Becker (Essen) anhand der ersten Auswertung der Daten zum Merkelzellkarzinom.
„Durch das 1998 etablierte prospektive multizentrische DeCOG-MCC-Register mit seinen ausführlichen Daten zu Klinik, histopathologischen Befunden und Therapien und vor allem der Dokumentation von Rezidiven haben wir im Vergleich zu populationsbasierten Registern wie SEER oder IARC inzwischen die Möglichkeit, einen Überblick zum ereignisfreien Überleben nach Therapie von Merkelzellkarzinomen zu bekommen“, erklärte Becker. Um den natürlichen Verlauf des Merkelzellkarzinoms (MCC) vor Einführung der systemischen Therapieoptionen (Immuncheckpoint-Inhibitoren) zu verstehen, wurden daher die Registerdaten von 1 049 Personen mit MCC bis zum Jahr 2017 ausgewertet. In der Real-World-Population waren alle MCC-Stadien vertreten.
In der Auswertung des progressfreien (PFS) und des erkrankungsfreien Überlebens (DFS) zeigten sich die Parameter Geschlecht und Tumorlokalisation als prognostische Faktoren, mit einem Vorteil für Frauen gegenüber Männern und Befunden an Extremitäten und Kopf gegenüber solchen am Stamm. Ebenso ergab sich ein Unterschied für Menschen im Tumorstadium II: Personen mit pTII wiesen ein besseres Überleben auf als diejenigen im Stadium cTII, das prognostisch dem von Menschen mit Stadium III glich. „Für Aussagen zur Prognose ist die Sentinel-Lymphknoten-Biopsie im Stadium II also durchaus ein wertvolles Tool.“
Betrachtet man die Zeit bis zum ersten Rezidiv, fällt auf, dass die meisten innerhalb der ersten 3 Jahre auftreten und ohne bildgebende Verfahren mittels klinischer Untersuchung, Palpation oder Ultraschall erkannt werden können. „Zu überlegen wäre daher, ob man die aufwendigen bildgebenden Verfahren in den ersten 2 Jahren eher sparsam anwendet und sie lieber erst nach dem ersten Progress einsetzt, um zu sehen, welche der Patienten auch noch Fernmetastasen entwickeln.“ Die Anzahl der Rezidive zeigte ebenfalls einen prognostischen Unterschied. In Bezug auf das DFS ergab sich ein deutlich schlechteres Outcome bei Vorliegen mehrerer Rezidive im Vergleich zu einem einzelnen. Allerdings machte es kaum einen Unterschied, ob ein Lokalrezidiv vorlag oder eine Fernmetastase, deutlich schlechter fiel es aber aus, wenn beides zusammenkam. „Interessant war, dass die Größe des Sicherheitsabstands keinen wirklichen Vorteil für das PFS oder DFS gezeigt hatte. Daher kann ein Sicherheitsabstand von mehr als 1 cm eigentlich nicht mehr als sinnvoll angesehen werden“, so der Experte. „Auch haben wir bei den Sentinel-Lymphknoten-positiven Patienten keinen Vorteil einer kompletten Lymphknotendissektion für das PFS und das DFS gesehen, ebenso wenig für die Radiatio der Lymphknotenregion.“ Der Beginn der adjuvanten Bestrahlung innerhalb von 8 Wochen nach Resektion war jedoch vorteilhaft. „Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass es sich lohnt, die OP – und den Sicherheitsabstand – möglichst klein zu halten, um frühestmöglich, also spätestens bis Woche 8 postoperativ, mit der Bestrahlung des Tumorbettes beginnen zu können“, so Becker.
Vortrag „Primärtherapie des Merkelzellkarzinoms – eine Registerstudie der ADO“