Nicht selten klagen Sportschwimmer im Laufe ihrer Karriere über Kniebeschwerden. Ohne Gegenmaßnahmen lassen sich diese nur schwer vermeiden, da sie einerseits durch das exakte technische Ausführen des entsprechenden Schwimmstils und andererseits durch das häufige Training bedingt sind.
Etwa ein Drittel der Sportschwimmer leidet unter Kniebeschwerden. Bekannt ist der Begriff „Brustschwimmer-Knie“, denn in dieser Disziplin wirken sich die Scherkräfte des Beinschlags besonders stark auf die Kniestrukturen aus. Der Begriff steht für Überlastungsbeschwerden im Bereich des Kniegelenks beim Brustschwimmen, vor allem im Bereich des Innenbands des Kniegelenks, welches am inneren Schienbeinkopf ansetzt.
Das Brustschwimmen ist eine der am schwierigsten zu erlernenden Schwimmarten. Bezüglich der Techniken unterscheidet es sich stark von den anderen drei Schwimmstilen. Einer dieser Unterschiede besteht in der Verteilung des Vortriebs. Durch die Beinarbeit entstehen 70 % des Vortriebs, die übrigen 30 % kommen aus den Armen. Durch diese Besonderheit ist der Einsatz der Beine beim Brustschwimmen wichtiger als bei anderen Schwimmstilen.
Wichtige Technik beim Brustschwimmen ist die Schwunggrätsche beim Brust-Beinschlag, dem „Whip kick“. Durch sie kommt es zu erheblichen Belastungen am innenseitigen distalen Bandapparat. Hier entsteht aufgrund des Bewegungsmusters eine Reizung des innenseitigen Kapsel-Band-Apparats im Bereich des medialen Kollateralbands (Knieinnenband). Dieses Band hat die Aufgabe, die Außenrotation im Kniegelenk zu kontrollieren. Aber gerade unter der Schwunggrätsche wird eine deutliche Abspreizbewegung des Beins in Außendrehung durchgeführt, um den Widerstand des Wassers zu überwinden. Die Antriebsphase bei der Schwunggrätsche beginnt mit einer Streckung des gebeugten Knies, wobei hier bereits die Füße nach Außen gedreht sind. Hier schließt nun eine halbreisförmige, propellerartige Bewegung im Unterschenkel an. Der kritische Punkt für das Kniegelenk wird dann erreicht, wenn es mit anhaltenden, nach außen rotierten Füßen fast komplett gestreckt ist; denn in dieser Position wird das mediale Seitenband des Kniegelenks durch die X-Beinstellung des Kniegelenks maximal beansprucht.
Wenig sichtbar bei Schwimmer-Knie
Auftretende Symptome beim Schwimmer-Knie sind meist Schmerzen am medialen, also innenseitigen Schienbeinkopf, direkt unterhalb des Kniegelenkspalts. Es können sich aber auch Schmerzen neben oder hinter der Kniescheibe bemerkbar machen. Ein Kniegelenkerguss kommt indessen selten vor, eher kann eine Weichteilschwellung vorhanden sein. Fehlstellungen der Kniescheibe, pathologische Zugüberlastung der Patellasehne, Fehlstellung der Beinachsen, bei pathologischen Strukturen im Kniebinnenraum oder Knorpelschäden können die Symptome verstärken bzw. verursachen.
Wenn die Beschwerden persistieren, sollte bei Knieschmerzen im Kinder- und Jugendalter zur weiteren Abklärung der Sportfähigkeit ein sportmedizinisch spezialisierter Orthopäde aufgesucht werden. Er kann ggf. auch weitere Maßnahmen, z. B. Röntgenbild oder MRT, veranlassen.
Therapieoptionen
Leistungsschwimmer weisen im Vergleich zu Freizeitschwimmern wegen höherer Drehmomentmaxima in der Beinstreckung und einem verringerten Drehmoment in der Beugung deutliche Veränderungen in Bezug auf die natürlichen Kraftverhältnisse auf. Das immer wiederkehrende Training führt so zu einem Muskelungleichgewicht der Beinmuskulatur. Dieses eröffnet die ersten Therapiemaßnahmen. Da die ausgeprägte Muskeldysbalance trotz einer exakten Bewegungsausführung entsteht, empfiehlt sich als erste Maßnahme, auch die anderen Schwimmstile zu trainieren. Zudem sollte ein schwimmartspezifisches Krafttraining stattfinden, um bestimmte Quadrizepsanteile spezifisch zu trainieren. Hier ist etwa die Beinpresse mit Modifikationen der Endposition der Fußspitzen, z. B. nach außen, zu empfehlen. Für den Trainingsplan bieten sich auch Kniebeugen an, die gerade in der Beinachse, ggf. mit Zuhilfenahme einer Oberkörperposition an der Wand (isometrische Wandkniebeuge), durchgeführt werden. Weiterhin sind Übungen auf einem Stepper hilfreich. Als dynamische Übung sind die einbeinige Kniebeuge freistehend, der Einbeinschwung sowie die Schrittbeuge zu empfehlen. Des Weiteren ist es sinnvoll, benachbarte Gelenke wie das Hüftgelenk im Seitstütz (heute „Core-Training“ genannt) zu stabilisieren. Zusätzlich zur Beinachsenstabilisierung wäre ein Koordinationstraining zu empfehlen. Hier sind z. B. Übungen auf flexiblem Untergrund wie einer Wackelplatte sinnvoll.
Teamarbeit bei Prophylaxe und Therapie
Um ein bestehendes Muskelungleichgewicht zu erkennen, ist eine gezielte Kooperation eines Sportmediziners bzw. sportmedizinisch versierten Allgemeinmediziners mit einem Sportorthopäden von Vorteil. Bei Leistungssportlern sollte unbedingt mit den Trainern Rücksprache gehalten werden. So kann gewährleistet werden, dass aus funktionellen Störungen keine strukturellen entstehen und diese ggf. einer operativen Versorgung zugeführt werden müssten.
> Weiterführende Informationen finden Sie in unserer Rubrik "Krankhafte Veränderung der Gelenke".
Der Autor
Dr. med. Jens Herresthal
Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, spezielle orthopädische Chirurgie, Sportmedizin Holzhausenstraße 81, 60322 Frankfurt
Literatur beim Autor
www.kniefit.info
Bildnachweis: privat