Der nicht restlos geklärten Entstehung von Kiefernekrosen liegen wohl Durchblutungsstörungen und/oder Infektionen zugrunde. Besonders gefürchtet ist ihr Medikamenten-induziertes Auftreten, das mit der Einnahme etwa von Bisphosphonaten oder Denosumab im Zuge einer Osteoporose oder Krebserkrankung assoziiert ist.
Lokale Schmerzen sind häufig ein erstes Anzeichen einer beginnenden Kiefernekrose. Dabei kommt es nicht selten intraoral zu einer Fistelbildung, Pus-Austritt und/oder zur Freilegung von Knochen. Das umliegende Gewebe ist oftmals entzündet und es können Rötungen und Schwellungen auftreten. Dies kann zu Sekundärinfektionen wie auch Eiterbildung, unangenehmem Mundgeruch, erschwertem Kauen, Sprechen und Schlucken führen. Zudem kann es bei chronischen Entzündungen auch zu extraoraler Fistelbildung, Sequestrierung und sogar pathologischen Frakturen kommen.
Ursachen und Risikofaktoren
Am häufigsten werden Medikamenten-induzierte Kiefernekrosen (MRONJ, Medication-Related Osteonecrosis of the Jaw) beobachtet, meistens sind Bisphosphonate und Denosumab die Auslöser, die u. a. zur Behandlung von Osteoporose oder Knochenmetastasen eingesetzt werden und die die natürliche Knochenerneuerung hemmen können. Sie inhibieren den Abbau des Knochens, wodurch wohl die Heilung nach Zahnextraktionen oder Mikrotraumata beeinträchtigt wird. Angiogenesehemmer (Sunitinib, Imatinib, Bevacizumab etc.), mTOR-Inhibitoren und BRAF-Inhibitoren sind ebenfalls Arzneimittel, bei deren Einsatz Kiefernekrosen entstehen können. Strahlennekrosen des Kiefers treten oft als Nebenwirkung von Bestrahlungen im Kopf- und Halsbereich auf. Hierbei wird angenommen, dass eine dauerhafte Hypoxie den Knochen anfällig für Nekrosen macht. Extraktionen, chirurgische Eingriffe am Kiefer, schlechte Mundhygiene, Infektionen (chronische Entzündungen oder Parodontitis) oder Traumata erhöhen das Risiko, insbesondere bei Patienten und Patientinnen mit geschwächtem Immunsystem oder unter medikamentöser Behandlung, oft verstärkt durch den geschwächten Allgemeinzustand.
Diagnosestellung
Neben der Anamnese und der klinischen Untersuchung wird die Diagnose durch Bildgebung gestellt. Röntgenaufnahmen zeigen Osteolyse oder verdichtete Knochen, DVT (digitale Volumentomografie; Abb.), CT oder MRT werden zur genauen Darstellung der Knochendestruktion und eventueller Fistelgänge eingesetzt. Knochenszintigrafie oder PET-CT sind nur bei unklaren Befunden einzusetzen.
Therapieansätze
Die Behandlung von Kiefernekrosen ist komplex und erfordert eine multidisziplinäre Zusammenarbeit.
1. Konservative Behandlung:
2. Chirurgische Maßnahmen:
3. Hyperbare Sauerstofftherapie (HBOT):
Kann bei strahleninduzierten Kiefernekrosen hilfreich sein, um die Sauerstoffversorgung und Heilung des Gewebes zu fördern.
Prävention
Vor Beginn einer Therapie mit Bisphosphonaten oder Denosumab sollten eine zahnärztliche Vorstellung und ggf. eine zahnärztliche Sanierung aller potenziellen Infektionsherde erfolgen. Während der Behandlung sollten invasive Eingriffe vermieden sowie eine strikte Mundhygiene und eine regelmäßige zahnärztliche Betreuung eingehalten werden. Notwendige invasive Maßnahmen wie eine Zahnextraktion sollten möglichst atraumatisch und mit einer plastischen Deckung der Extraktionsalveole erfolgen.
Unter Denosumab-Therapie sind Eingriffe weniger häufig mit Komplikationen assoziiert, insbesondere, wenn sie direkt vor der nächsten Injektion (alle 6 Monate) gemacht werden. Die folgende Injektion kann dann so lange hinausgezögert werden, bis der Kiefer wieder verheilt ist. Sollte dies länger als 4 Wochen nach geplanter Injektion dauern, sollten die Knochenumbaumarker im Blut gemessen werden.
Prognose
Die Prognose hängt von der frühzeitigen Diagnose und der Schwere der Nekrose ab. In frühen Stadien führen konservative Maßnahmen zur Heilung, jedoch ist ein langwieriger Verlauf für die Patientinnen und Patienten sehr belastend. Nach fortgeschrittenen Stadien kommt es zu bleibenden Funktionseinschränkungen und kosmetischen Beeinträchtigungen. Infektionen können bei immunsupprimierten Tumorpatienten und -patientinnen zu schweren Komplikationen führen.
Der Autor
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Christian Wüster
Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie, Osteologe DVO
Ärztlicher Leiter des Hormon- und Stoffwechselzentrums Prof. Wüster MVZ GmbH Mainz
Literatur beim Autor
Bildnachweis: privat, Prof. Dr. med. Christian Wüster (Mainz)