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Allgemeinmedizin

Interdisziplinär herausfordernd

Kiefernekrosen bei an Osteoporose und Krebs Erkrankten

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Christian Wüster

11.2.2025

Der nicht restlos geklärten Entstehung von Kiefernekrosen liegen wohl Durchblutungsstörungen und/oder Infektionen zugrunde. Besonders gefürchtet ist ihr Medikamenten-induziertes Auftreten, das mit der Einnahme etwa von Bisphosphonaten oder Denosumab im Zuge einer Osteoporose oder Krebserkrankung assoziiert ist.

Lokale Schmerzen sind häufig ein erstes Anzeichen einer beginnenden Kiefernekrose. Dabei kommt es nicht selten intraoral zu einer Fistelbildung, Pus-Austritt und/oder zur Freilegung von Knochen. Das umliegende Gewebe ist oftmals entzündet und es können Rötungen und Schwellungen auftreten. Dies kann zu Sekundärinfektionen wie auch Eiterbildung, unangenehmem Mundgeruch, erschwertem Kauen, Sprechen und Schlucken führen. Zudem kann es bei chronischen Entzündungen auch zu extraoraler Fistelbildung, Sequestrierung und sogar pathologischen Frakturen kommen.

Ursachen und Risikofaktoren

Am häufigsten werden Medikamenten-induzierte Kiefernekrosen (MRONJ, Medication-Related Osteonecrosis of the Jaw) beobachtet, meistens sind Bisphosphonate und Denosumab die Auslöser, die u. a. zur Behandlung von Osteoporose oder Knochenmetastasen eingesetzt werden und die die natürliche Knochenerneuerung hemmen können. Sie inhibieren den Abbau des Knochens, wodurch wohl die Heilung nach Zahnextraktionen oder Mikrotraumata beeinträchtigt wird. Angiogenesehemmer (Sunitinib, Imatinib, Bevacizumab etc.), mTOR-Inhibitoren und BRAF-Inhibitoren sind ebenfalls Arzneimittel, bei deren Einsatz Kiefernekrosen entstehen können. Strahlennekrosen des Kiefers treten oft als Nebenwirkung von Bestrahlungen im Kopf- und Halsbereich auf. Hierbei wird angenommen, dass eine dauerhafte Hypoxie den Knochen anfällig für Nekrosen macht. Extraktionen, chirurgische Eingriffe am Kiefer, schlechte Mundhygiene, Infektionen (chronische Entzündungen oder Parodontitis) oder Traumata erhöhen das Risiko, insbesondere bei Patienten und Patientinnen mit geschwächtem Immunsystem oder unter medikamentöser Behandlung, oft verstärkt durch den geschwächten Allgemeinzustand.

Diagnosestellung

Neben der Anamnese und der klinischen Untersuchung wird die Diagnose durch Bildgebung gestellt. Röntgenaufnahmen zeigen Osteolyse oder verdichtete Knochen, DVT (digitale Volumentomografie; Abb.), CT oder MRT werden zur genauen Darstellung der Knochendestruktion und eventueller Fistelgänge eingesetzt. Knochenszintigrafie oder PET-CT sind nur bei unklaren Befunden einzusetzen.

Therapieansätze

Die Behandlung von Kiefernekrosen ist komplex und erfordert eine multidisziplinäre Zusammenarbeit.

1. Konservative Behandlung:

  • Schmerz- und Infektionsmanagement mit Anal­getika und Antibiotika
  • Mundspülungen mit antiseptischen Lösungen (z. B. Chlorhexidin)
  • regelmäßige zahnärztliche Kontrollen und professionelle Reinigung

2. Chirurgische Maßnahmen:

  • In frühen Stadien wird oft auf chirurgische Eingriffe verzichtet, um das Risiko einer Verschlimmerung zu minimieren.
  • In fortgeschrittenen Stadien:
    • Debridement: Entfernung nekrotischen Gewebes bzw. Sequestrotomie
    • Partielle Resektion: Entfernung zerstörter Knochenteile mit Rekonstruktion, falls erforderlich
    • Resektion, ggf. unter rekonstruktiven Maßnahmen wie mikrovaskulären Transplantaten

3. Hyperbare Sauerstofftherapie (HBOT):

Kann bei strahleninduzierten Kiefernekrosen hilfreich sein, um die Sauerstoffversorgung und Heilung des Gewebes zu fördern.

Prävention

Vor Beginn einer Therapie mit Bisphosphonaten oder Denosumab sollten eine zahnärztliche Vorstellung und ggf. eine zahnärztliche Sanierung aller potenziellen Infektionsherde erfolgen. Während der Behandlung sollten invasive Eingriffe vermieden sowie eine strikte Mundhygiene und eine regel­mäßige zahnärztliche Betreuung eingehalten werden. Notwendige invasive Maßnahmen wie eine Zahnextraktion sollten möglichst atraumatisch und mit einer plastischen Deckung der Extraktions­alve­ole erfolgen.

Unter Denosumab-Therapie sind Eingriffe weniger häufig mit Komplikationen assoziiert, insbesondere, wenn sie direkt vor der nächsten Injektion (alle 6 Monate) gemacht werden. Die folgende Injektion kann dann so lange hinausgezögert werden, bis der ­Kiefer wieder verheilt ist. Sollte dies länger als 4 Wochen nach geplanter Injektion dauern, sollten die Knochen­umbaumarker im Blut gemessen werden.

Prognose

Die Prognose hängt von der frühzeitigen Diagnose und der Schwere der Nekrose ab. In frühen Stadien führen konservative Maßnahmen zur Heilung, ­jedoch ist ein langwieriger Verlauf für die Patientinnen und Patienten sehr belastend. Nach fort­geschrittenen Stadien kommt es zu bleibenden Funktionseinschränkungen und kosmetischen Beeinträchtigungen. Infektionen können bei immunsupprimierten Tumorpatienten und -patientinnen zu schweren Komplikationen führen.

Der Autor

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Christian Wüster
Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie, Osteologe DVO
Ärztlicher Leiter des Hormon- und Stoffwechselzentrums Prof. Wüster MVZ GmbH Mainz

christian@wuster.de

Literatur beim Autor

Bildnachweis: privat, Prof. Dr. med. Christian Wüster (Mainz)

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