Bei Kindern – vor allem bei Mädchen – kann anogenitaler Juckreiz Leitsymptom für einen Lichen sclerosus sein. Hier gilt es, frühzeitig die Diagnose zu stellen und zu behandeln, um sie vor schweren Vernarbungen zu bewahren, die später im Extremfall zu Miktions- und Defäkationsbeschwerden sowie Dyspareunie führen können.
Wenn sich Kinder im Schritt kratzen, denken viele Ärzte zunächst an eine Pilzinfektion. Doch anogenitale Mykosen sind vor der Pubertät sehr selten. Es könnte auch ein Lichen sclerosus (LS) dahinterstecken. Diese chronisch-inflammatorische Erkrankung des Bindegewebes tritt zwar am häufigsten bei postmenopausalen Frauen auf, hat aber auch einen Erkrankungsgipfel bei Kindern vor der Pubertät. Betroffen sind dabei überwiegend Mädchen. Die Prävalenz des LS bei Kindern wird mit 1 : 900 angegeben, doch ist diese Zahl aufgrund einer hohen Dunkelziffer unsicher. Denn nicht alle Kinder mit anogenitalem Juckreiz werden überhaupt einem Arzt vorgestellt, zudem ist das Krankheitsbild bei Kindern den Hausärzten eher unbekannt. Weiter kommen auch eine ganze Reihe an Differenzialdiagnosen infrage, wie Psoriasis vulgaris, Genitalekzeme, Soor, bakterielle Vaginitis, allergische Kontaktdermatitis, Vitiligo oder auch ein „Non-accidental injury“ / sexueller Missbrauch. Bei Jungen sind auch Phimosen, ein Frenulum breve oder eine Balanoposthitis möglich.
Die Ursachen dieser als Autoimmunprozess eingestuften Erkrankung sind noch weitgehend ungeklärt, eine genetische Disposition wird vermutet.
Symptome oft unspezifisch
Die Symptome und Anzeichen des LS sind vielfältig und nicht selten unspezifisch (Infobox). Die korrekte Diagnosestellung kann daher schwierig sein und verzögert sich nicht selten – entsprechend liegen zwischen den ersten Symptomen und der Diagnose im Mittel ein bis zwei Jahre. Bei etwa einem Fünftel der Mädchen führen Blutungen im Genitalbereich zum ersten Arztkontakt.
Lichen sclerosus – bei Kindern eine klinische Diagnose
Für die Diagnostik ist eine gründliche Inspektion der Anogenitalregion unerlässlich – so unangenehm dies auch für die Kinder bzw. die Eltern sein mag. Die Läsionen können allerdings sehr diskret sein. Umgekehrt ist trotz vorhandener LS-Läsionen ein kleiner Anteil der betroffenen Patienten asymptomatisch.
Klinisch imponiert eine blasse bis weiße oder elfenbeinfarbene Haut mit „zigarettenpapierartiger“ Hautatrophie. Die Läsionen sind kreisrund oder oval konfiguriert und können konfluieren (typische „Achterfigur“). Auch Sklerose, Hyperkeratose oder Lichenifikation können auftreten [1-5]. Gelegentlich kommt es auch zu Purpura, Ekchymosen oder Fissuren, was nicht selten fälschlicherweise als Kindesmisshandlung interpretiert wird. Rötungen, Erosionen und Ulzerationen werden ebenfalls beobachtet.
LS im Kindesalter ist in der Regel eine klinische Diagnose. Eine histologische Diagnosesicherung ist nur in Ausnahmefällen, z. B. bei Therapieresistenz, nötig. Bei unbehandelten Kindern finden sich langfristig meist Vernarbungen und eine Veränderung der genitalen Anatomie, wie Labiensynechien.
Da bei jedem Zehnten neben dem anogenitalen auch ein extragenitaler Befall zu finden ist, sollte immer das gesamte Integument daraufhin untersucht werden. Extragenitale Läsionen können Pruritus hervorrufen oder asymptomatisch sein und imponieren als weiße/elfenbeinfarbene, gelegentlich hyperkeratotische oder atrophe Papeln oder Plaques [2].
Beschwerdelinderung und Narbenprophylaxe
Oberstes Behandlungsziel ist es, akut die Beschwerden, v. a. den Juckreiz, zu lindern und Vernarbungen vorzubeugen. Als allgemeine Maßnahmen werden kalte Kompressen (gegen den Juckreiz) und eine milde Hautpflege mit reizarmen Waschsyndets und Hautcreme empfohlen. Ebenso sollte übermäßige mechanische Belastung (z. B. durch scheuernde Unterwäsche, Reiten, Radfahren) vermieden werden.
Auch wenn randomisierte Studien bei Minderjährigen fehlen, lassen sich die Daten aus Studien mit Ewachsenen extrapolieren. Daher werden in internationalen Leitlinien für die Erstlinientherapie ultrapotente topische Kortikosteroide (UPTC) empfohlen, z. B. Clobetasolpropionat 0,05 % oder Mometasonfuroat 0,1 % [3-5] – in der Regel initial 1 × täglich über 4 Wochen, danach 1 × jeden zweiten Tag über 4 Wochen und dann 2 × wöchentlich über 4 Wochen (oder bis zur Remission) [4].
Meist ist nach erfolgreicher Initialtherapie eine Weiterbehandlung im Sinne einer „proaktiven Therapie“ notwendig, um die Rezidivrate zu senken, z. B. 2 × wöchentlich oder bei Bedarf [2]. In den europäischen Leitlinien wird von Untersuchungen berichtet, in denen eine Behandlung mit Clobetasolpropionat 0,05 % bei 65–100 % der Mädchen die Symptome reduzierte und Anzeichen einer Besserung zeigte; bei 20–70 % führte diese Behandlung zu einer vollständigen Remission, ohne dass eine Erhaltungstherapie erforderlich war [5].
Der Befund sollte in Abständen von 3 bis 6 Monaten kontrolliert werden, da asymptomatische Rückfälle auftreten können, die zu irreversiblen Vernarbungen der Vulva führen. Weitere Kontrollen sollten jährlich erfolgen, unabhängig davon, ob die Notwendigkeit einer Erhaltungstherapie fortbesteht [3].
Die typischen Steroidnebenwirkungen, wie Hautatrophie, werden in der Regel nicht beobachtet, sodass die oben genannte topische Behandlung weitgehend unbedenklich ist [2]. Eine Alternative zu den Steroid-Externa sind laut europäischer Leitlinien die ebenfalls topischen Immunmodulatoren wie Tacrolimus (z. B. 0,03 % oder 0,1 %) [2,5].
Bei Jungen mit LS-Phimose gestaltet sich die Therapie meist einfacher: Hier wurden Remissionsraten von bis zu 100 % nach vollständiger Zirkumzision beschrieben. Doch auch nach erfolgreicher Entfernung der Vorhaut kann es zur Meatusstenose kommen, der durch Nachbehandlung mit UPTC 1–2 × täglich über 6–8 Wochen vorgebeugt werden kann.
1 Torres A et al., Int J Mol Sci 2022; 23: 14212
2 Balakirski G et al., Pädiatrie: Kinder- und Jugendmedizin hautnah 2018; 30: 34–7
3 Simms-Cendan J et al., J Pediatr Adolesc Gynecol 2022; 35: 112–20
4 Lewis FM et al., Br J Dermatol 2018; 178: 839–53
5 Kirtschig G et al., J Eur Acad Dermatol Venereol 2015; 29: e1–43