Der Einsatz zielgerichteter Therapien ist bei Patientinnen mit HER2/neu-positivem Tumor hocheffektiv, aber auch kostenintensiv – insbesondere bei Kombinationstherapien. Die Einführung von Biosimilars hat hier bereits zu einer breiteren Anwendung geführt. Wir geben einen Überblick zur Entwicklung der Therapie und zu aktuellen Therapiestandards.
Etwa 20 % der invasiv-duktalen Mammakarzinome sind HER2/neu-positiv, d. h. sie exprimieren vermehrt den HER2/neu-Rezeptor auf ihrer Zelloberfläche.[1] Er gehört zur Familie der EGF-Rezeptoren. Die Bindung eines Liganden führt zur intrazellulären Aktivierung von Kinasen und letztlich zur Zellproliferation. Patientinnen mit HER2/neu-positiven Tumoren haben häufig einen aggressiven Krankheitsverlauf mit einer frühen Metastasierung. Insbesondere ZNS-Metastasen spielen eine wichtige Rolle. Im Vergleich zum HER2/neu-negativen Zustand ist die Prognose deutlich ungünstiger.
Aufgrund der großen therapeutischen, aber auch prognostischen Relevanz erfolgte 2018 die Aufnahme des Hormonrezeptorstatus sowie des HER2/neu-Status in die TNM-Klassifikation.[2]
Bei Karzinomen mit starker HER2/neu-Expression (3+) kommen zielgerichtete Substanzen zum Einsatz, wodurch sich die Prognose in allen Krankheitsstadien in den vergangenen Jahren kontinuierlich verbessert hat.[3] HER2/neu ist gleichzeitig ein prädiktiver Marker für das Therapieansprechen auf bestimmte Substanzen. Im Verlauf treten dennoch bei etwa 15–20 % der Patientinnen Rezidive oder eine Krankheitsprogredienz auf. Für Patientinnen in fortgeschrittenen Stadien ist das Therapieziel palliativ,[4] sodass die Therapieoptimierung weiterhin Gegenstand der Forschung bleibt.
Trastuzumab und Pertuzumab sind monoklonale Antikörper, die extrazellulär an unterschiedliche Epitope des HER2-Rezeptors binden und dadurch die Dimerisierung verhindern. Aufgrund der unterschiedlichen Angriffspunkte ist auch eine Kombinationstherapie wirksam. T-DM1/Emtansin kombiniert Trastuzumab mit einem Zytostatikum, zudem stehen mit Lapatinib und Neratinib neue intrazelluläre Tyrosinkinase-Inhibitoren zur Verfügung, die oral verabreicht werden. Trastuzumab ist auch zur subkutanen Injektion verfügbar.
Zur Reduktion der Tumormasse vor einem geplanten Eingriff wird eine neoadjuvante Therapie durchgeführt. Ziel bei Tumoren > 2 cm oder bei nodal positiven Tumoren ist eine pathologische Komplettremission (pCR), da Patientinnen mit einer pCR bei HER2/neu-positivem Mammakarzinom eine deutlich bessere Langzeitprognose haben. Durch die Kombination von Trastuzumab mit Chemotherapie konnten die pCR-Raten verbessert werden.[5]
Seit der NEOSPHERE-Studie ist auch die Kombination aus Pertuzumab, Trastuzumab und Docetaxel zugelassen, hierdurch konnte eine deutliche Erhöhung der pCR-Rate erreicht werden (45,8 vs. 29,0 %, 95%-KI 36,1–55,7 bzw. 20,6–38,5; p = 0,0141).[6] Die Verträglichkeit war in allen Gruppen vergleichbar, insbesondere trat keine erhöhte Kardiotoxizität auf. Eine Verbesserung des Gesamtüberlebens sowie des progressionsfreien Überlebens konnte allerdings unter der dualen HER2/neu-Therapie bislang nicht gezeigt werden.
Ähnliche pCR-Daten wurden in der TRYPHAENA-Studie gezeigt, welche die duale HER2/neu-Therapie in Kombination mit verschiedenen Anthrazyklin-basierten und nicht Anthrazyklin-basierten Chemotherapien untersuchte, auch hier zeigte sich kein erhöhtes kardiales Risiko.[7,8] Für nodal negative Patientinnen oder Patientinnen mit Tumoren mit einer Größe von > 2 cm liegen zum Einsatz von Pertuzumab keine Daten vor.
Die KRISTIN-Studie verglich T-DM1 und Pertuzumab mit Trastuzumab und Pertuzumab sowie Chemotherapie. Die Kombination mit klassischen Chemotherapeutika zeigte deutlich höhere pCR-Raten (-11,3 %, 95%-KI -20,5 bis -2,0; p = 0,016),[9] sodass diese aktuell weiterhin wichtiger Therapiebestandteil sind. Die zielgerichtete Therapie sollte postoperativ dann über ein Jahr für insgesamt 18 Zyklen fortgeführt werden, insbesondere bei hohem Rezidivrisiko. Die meisten Studien in der neoadjuvanten Situation waren statistisch nicht gepowert, um einen Überlebensvorteil zu zeigen.
Bereits 2005 konnte gezeigt werden, dass durch die Hinzunahme von Trastuzumab zur bisherigen Standardtherapie mit einem Taxan nach Therapie mit Anthrazyklinen und Cyclophosphamid sowohl das Gesamtüberleben verbessert als auch die Rezidivrate drastisch gesenkt werden konnte.[10,11] In den Phase-III-Studien NSABP B-31 und NCCTG N9831 konnte das 10-Jahres-Gesamtüberleben durch die Hinzunahme von Trastuzumab von 75,2 % auf 84 % (HR 0,63; 95%-KI 0,54–0,73; p
Bei Patientinnen, die keine pCR nach neoadjuvanter Trastuzumabhaltiger Therapie erreichen konnten, wurde das Rezidivrisiko durch die anschließende Gabe von T-DM1 im Vergleich zu Trastuzumab in der KATHERINE-Studie deutlich gesenkt. Das 3-Jahres-iDFS konnte von 77 % auf 88,3 % (HR 0,50; 95%-KI 0,39–0,64; p < 0,001) gesteigert werden.[14] Die ALLTO-Studie untersuchte die Wirksamkeit von Trastuzumab und Lapatinib als Monotherapie, sequenziell sowie in Kombination.[15] Es zeigte sich kein Vorteil im Vergleich zur Trastuzumab-Monotherapie. Die ExteNET-Studie untersuchte schließlich die adjuvante Gabe von Neratinib. Das iDFS wurde von 91,6 % auf 93,9 % gering gesteigert (HR 0,67; 95%-KI 0,50–0,91).[16] Neratinib erhielt daher die Zulassung durch die FDA als adjuvante Therapie nach Behandlung mit Trastuzumab bei Risikopatientinnen. Die Therapie wird über ein weiteres Jahr verabreicht.
Bereits 2001 konnte gezeigt werden, dass die Kombination von Trastuzumab mit konventioneller Chemotherapie das progressionsfreie Überleben beim metastasierten HER2/neu-positiven Mammakarzinom von 4,6 auf 7,4 Monate verlängerte (p
Die MARIANNE-Studie untersuchte T-DM1 mit oder ohne Pertuzumab in der Erstlinie der metastasierten Situation im Vergleich zu Trastuzumab plus Taxan.[19] Das mediane Überleben war in einer Post-hoc-Analyse in allen drei Studienarmen ähnlich bei etwa 50 Monaten. Hier fiel das Nebenwirkungsprofil etwas zu Gunsten der Monotherapie mit T-DM1 aus – eine Option für Patientinnen, die ungeeignet für eine Taxan-haltige Chemotherapie sind.
Ebenso zeigten die Ergebnisse der EMILIA-Studie, dass T-DM1 in der Zweitlinie hocheffektiv wirksam ist und das Konjugat das mediane Gesamtüberleben der Patientinnen um 5,8 Monate (30,9 vs. 25,1; HR 0,68; p
Die Wirksamkeit sowie Sicherheit von T-DM1 wurden durch die KAMILLA-Studie bestätigt,[21] T-DM1 ist seither ein Standard in allen Therapielinien in der metastasierten, fortgeschrittenen Situation. Die TH3RESA-Studie zeigte, dass T-DM1 auch bei progredienter Erkrankung nach zwei oder mehr Therapielinien in der Drittlinie nach Trastuzumab und Lapatinib wirksam ist. Das Gesamtüberleben mit T-DM1 betrug 22,7 Monate vs. 15,8 Monate (HR 0,68; 95%-KI 0,54–0,85; p = 0,0007) bei Therapie nach Wahl des behandelnden Arztes.[22]
FAZIT FÜR DIE PRAXIS:
Seit Einführung der zielgerichteten Substanzen hat sich die Prognose für Patientinnen mit HER2/neu-positivem Mammakarzinom dramatisch verbessert (s. Abb. 1). In allen Krankheitsstadien gehören HER2/neu-gerichtete Kombinationstherapien seither zum Therapiestandard (s. Abb. 2). Ihre Verträglichkeit ist vergleichbar mit den bisherigen Therapien. Der Einsatz zielgerichteter Therapien ist bei Patientinnen mit Mammakarzinom hocheffektiv, aber auch kostenintensiv, insbesondere bei Kombinationstherapien. Weltweit stehen die hochpreisigen Präparate nur einem kleinen Teil der Patientinnen zur Verfügung. Die Einführung von Trastuzumab-Biosimilars nach Ablauf des Patents hat bereits zu einer breiteren Anwendung geführt. Zukünftige Studien werden zeigen, inwiefern Kombinationen der bisherigen Substanzen sowie neuer Ansätze die Prognose der Patientinnen weiter verbessern können. Laufende Studien zu neuen Angriffspunkten, wie dem PI3K/Akt/mTOR-Signalweg oder CDK4/6-Inhibitoren sowie Kombinationen mit Checkpoint-Inhibitoren zeigen vielversprechende Ergebnisse.
Weitere Fragen betreffen die Möglichkeit einer Therapiedeeskalation bei Kombinationstherapien, um Chemotherapie-assoziierte Komplikationen und Spätfolgen zu verringern sowie die Wirksamkeit einer systemischen Therapie bei ZNS-Metastasen. Am Beispiel des HER2/neu-positiven Mammakarzinoms zeigt sich eindrücklich, wie Fortschritte auf dem Gebiet der molekularen Tumorbiologie unmittelbaren Eingang in den klinischen Alltag gefunden haben – zum Nutzen der Patientinnen.
Die Autorin
Dr. med. Marie Herden
Klinik für Innere Medizin I
Klinik für Tumorbiologie Hämatologie, Onkologie und Stammzelltransplantation
Universitätsklinikum Freiburg
marie.herden@uniklinik-freiburg.de
Der Autor
Prof. Dr. med. Cornelius Waller
Klinik für Innere Medizin I
Klinik für Tumorbiologie Hämatologie, Onkologie und Stammzelltransplantation
Universitätsklinikum Freiburg
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