Seit Anfang Mai 2021 kann Natalizumab auch subkutan appliziert werden. Die Anwendung ist in Wirksamkeit und Sicherheit mit der intravenösen Applikation vergleichbar. Das bestätigte die REFINE-Studie von April 2021 [1].
Die Multiple Sklerose (MS) ist mit mehr als 250.000 Erkrankten in Deutschland die häufigste chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems bei jungen Menschen zwischen 20 und 40 Jahren. Für die Schubtherapie werden hoch- oder höchstdosierte Glukokortikosteroide eingesetzt. Die Immuntherapie der schubförmigen MS wird abgestuft entweder mit Beta-Interferonen oder Cladribin, Fingolimod und Ozanimod bzw. mit Alemtuzumab oder CD-20-Antikörpern durchgeführt.
Der humanisierte monoklonale IgG4-Antikörper Natalizumab wird seit 15 Jahren als Infusion eingesetzt. Natalizumab bindet an das Adhäsionsmolekül α-Integrin auf den Lymphozyten, verhindert dadurch die Diapedese und die Einwanderung von Leukozyten in das ZNS. Geeignet ist der Antikörper für Erwachsene mit hochaktiver, schubförmig wiederkehrender Multipler Sklerose (RRMS), trotz Behandlung mit einem vollständigen und angemessenen Zyklus mit mindestens einer krankheitsmodifizierenden Therapie oder bei erwachsenen Patienten mit rasch fortschreitender RRMS.
Die subkutane Darreichungsform wurde am 26. März 2021 zugelassen. Wie die aktuelle REFINE-Studie zeigte, waren 300mg Natalizumab subkutan, alle 4 Wochen verabreicht, vergleichbar mit 300mg des ebenfalls alle 4 Wochen intravenös applizierten Wirkstoffs. Das betraf die Wirksamkeit und Sicherheit, die Pharmakokinetik und Pharmakodynamik. Bei allen Patienten, die 300mg Natalizumab s.c. oder i.v. erhielten, betrug die durchschnittliche kumulative Anzahl der kombinierten eindeutigen aktiven Läsionen in der Magnetresonanztomografie nach 60 Wochen 0,23 bzw. 0,02. Die jährlichen Rückfallraten betrug 0,07 bzw. 0,08. Vergleichbar waren die Natalizumab-Serumspiegel und die α-Integrin-Sättigung.
In der Praxis werden zwei Fertigspritzen à 150mg Natalizumab für die vollständige 300-mg-Dosis eingesetzt. Die Injektionen werden subkutan innerhalb einer halben Stunde verabreicht, und dann im Vier-Wochen-Rhythmus wiederholt. Das spart im Vergleich zur Infusion Zeit und Raum, läuft doch die Infusion über eine Stunde und benötigt einen speziellen Infusionsplatz. Zumindest während der ersten sechs Applikationen muss der Patient eine Stunde lang nachbeobachtet werden.
1 Trojano M et al., Mult Scler 2021 Apr 6; 13524585211003020, doi: 10.1177/13524585211003020. Online ahead of print.