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Allgemeinmedizin

Nicht medikamentöse Therapieverfahren bei Migräne

Der Einfluss der Ernährung

Dr. med. Robert Fleischmann und Christine Klötzer

19.7.2024

Migräne betrifft weltweit etwa 15 % der Bevölkerung und stellt eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen dar. Neben der teils erheblichen Beeinträchtigung des Lebens ergeben sich gesellschaftliche und ökonomische Belastungen. Doch über die Ernährung ist eine evidenzbasierte Migräneprophylaxe möglich.

Die Behandlung der Migräne profitiert von bedeutenden Fortschritten in der pharmakologischen Akuttherapie (v. a. Triptane, Ditane) und prophylaktischen (v. a. CGRP-Rezeptor-/Liganden-Antikörper, Gepante) Therapie. Gemäß den Leitlinien sollten nicht medikamentöse Therapieverfahren allen Betroffenen angeboten werden [1]. Einerseits kann bei deren Wirksamkeit auf eine Pharmakotherapie verzichtet werden, andererseits gibt es Situationen, in denen eine Pharmakotherapie kontraindiziert oder unzureichend wirksam ist. Neben regelmäßig durchgeführten Verfahren, wie Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen (PMR) oder Autogenes Training, erlangen die Ernährung und Ernährungsumstellung eine zunehmend bedeutendere Rolle.

Pathophysiologie der Migräne

Die Ernährungsmaßnahmen sind in der Migräneprophylaxe pathophysiologisch begründet. Denn oft liegt auch außerhalb der Attacke eine erhöhte Empfindlichkeit auf normale sensorische Inputs vor [2]. Dieser Zustand kann durch unterschiedliche Faktoren ausgelöst werden, darunter genetische Prädispositionen und Umweltfaktoren. Es wird davon ausgegangen, dass diese erhöhte Exzitabilität mit einem verstärkten Energiebedarf zur regelhaften Wiederherstellung des zur Funktionsfähigkeit benötigten Membranpotenzials verbunden ist. Neuronen sind hochgradig abhängig von einem konstanten Energiefluss. Eine andauernde Überaktivität kann den mitochondrialen Energiestoffwechsel stören, was zu einer verminderten Produktion von Adenosintriphosphat (ATP) führt, der Hauptenergiequelle der Zelle.

Diätetische Maßnahmen zur Prophylaxe

Es liegen einer Reihe evidenzbasierter diätetischer Maßnahmen vor. So kann eine Kombination aus Magnesium, Riboflavin und Coenzym Q10 Migränesymptome lindern [3]. Eine Glyx-Diät kann sich darüber hinaus positiv auf die Migräneprävention auswirken. Dabei ist nicht eine Verknappung an Kohlenhydraten mit einem möglicherweise resultierenden ketogenen Effekt gemeint, sondern die Aufnahme von Nahrungsmitteln mit einem niedrigen glykämischen Index, welche zu einer langsameren und stetigeren Freisetzung von Glucose ins Blut und so zu einer stabilisierten Blutzuckerregulierung beiträgt [4]. Aktuell wird dazu in Studien eine digitale Gesundheitsanwendung untersucht [5].

Trigger von Migräneattacken

Die Unterscheidung zwischen Ernährungstriggern und Symptomen der Prodromalphase stellt eine besondere Herausforderung dar. Betroffene berichten oft von spezifischen Bedürfnissen oder Änderungen des Essverhaltens, bevor eine Migräne auftritt, was die Identifikation von tatsächlichen Triggern erschwert. Die Prodromalphase kann Tage vor einer Attacke beginnen, was die Abgrenzung zwischen ursächlichen und symptomatischen Ernährungsfaktoren erschwert. Mögliche auslösende Lebensmittel sind z. B. Rotwein, Schokolade, Käse oder Kaffee. Allerdings sind Trigger individuell, weswegen sie mittels Kopfschmerz-/Ernährungstagebüchern validiert werden sollten. Danach sollte systemisch überprüft werden, ob eine Elimination oder Desensibilisierung der Trigger stattfinden sollte [6]. Eine pauschale Vermeidung ist nicht sinnvoll und führt zu einer lebensqualitätsbeeinträchtigenden Einschränkung.

Ernährungstipps und Flüssigkeitszufuhr

Die aktuelle Leitlinie empfiehlt, dass Migränebetroffene auf eine ausreichende tägliche Flüssigkeitsaufnahme achten [1]. Dehydration kann als Trigger für Migräneattacken wirken, daher ist eine regelmäßige und angemessene Flüssigkeitszufuhr (mind. 1,5 l/Tag) wesentlich. Gewöhnlicher Koffeinkonsum scheint keine negativen Auswirkungen zu haben [7]. Exzessiver Koffeinkonsum kann jedoch die Reizfilterung negativ beeinflussen [8]. Längere Essenspausen oder Fasten können ebenfalls Attacken auslösen. Regelmäßige Mahlzeiten können dem entgegenwirken, wobei ein konstanter Erhalt einer Substratzufuhr im Mittelpunkt steht. Zudem sollte metabolischer Stress vermieden werden.

Mehr praxisrelevantes Wissen finden Fachkreise ­online im Migräne- und Kopfschmerz-Guide unter www.mk-guide.org, einem Projekt der DMKG Initia­tive „Attacke! Gemeinsam gegen Kopfschmerzen“.

Korrespondierender Autor

Dr. med. Robert Fleischmann
Oberarzt
Universitätsmedizin Greifswald
Klinik und Poliklinik für Neurologie

kopfschmerz@med.uni-greifswald.de

  1. Diener H et al., DGNeurologie 2023; 6: 202–22
  2. Goadsby PJ et al., Physiol Rev 2017; 97: 553–622
  3. Gaul C et al.,  J Headache Pain 2015; 16: 516
  4. Evcili G et al., Agri 2018; 30: 8–11
  5. Schroder T et al., Trials 2022; 23: 997
  6. Martin PR et al., Behav Res Ther 2014; 61: 1–11
  7. Mittleman MR et al., Headache 2024; 64: 299–305
  8. Ghisolfi ES et al., Eur Neuropsychopharmacol 2006; 16: 204–10
Weitere Artikel aus dieser Serie finden Sie hier

Bildnachweis: privat

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