Bei Risikopatienten kann eine orale antivirale Therapie das Risiko schwerer Krankheitsverläufe, die zu Krankenhausaufenthalten oder zum Tod führen, reduzieren. Die Kombination aus Nirmatrelvir/Ritonavir sollte so früh wie möglich und spätestens fünf Tage nach dem Auftreten erster COVID-19-Symptome begonnen werden. Da das Arzneimittel als Tablette eingenommen wird, eignet es sich insbesondere für die Anwendung zu Hause [1].
Die aktuelle AWMF S3-Leitlinie „Empfehlungen zur Therapie von Patienten mit COVID-19“ und die DEGAM S2e-Leitlinie „SARS-CoV-2/COVID-19-Informationen & Praxishilfen für niedergelassene Hausärztinnen und Hausärzte“ geben folgende Empfehlung [2,3]: „Nirmatrelvir/Ritonavir kann bei erwachsenen Patienten mit COVID-19 und Risikofaktoren für einen schweren Verlauf innerhalb der ersten fünf Tage nach Symptombeginn eingesetzt werden. Insbesondere Personen ab 65 Jahren und/oder mit inkomplettem Impfschutz (vgl. STIKO-Empfehlungen) profitieren hierbei von dieser spezifischen antiviralen Therapie.“
Diese Einschätzungen spiegelt die Sicht der COVRIIN (Fachgruppe Intensivmedizin, Infektiologie und Notfallmedizin am Robert Koch-Institut) wider. In ihren, in Zusammenarbeit mit verschiedenen relevanten Fachgesellschaften, veröffentlichten interaktiven COVID-19-Therapieempfehlungen spricht sich die Fachgruppe bei Vorliegen von mindestens einem Risikofaktor für einen schweren COVID-19-Verlauf für eine frühe antivirale Therapie aus. Erste Wahl sind dabei orales Nirmatrelvir/Ritonavir oder intravenöses Remdesivir, wobei jeweils der Symptombeginn nicht länger als fünf bzw. sieben Tage zurückliegen sollte.
Als Risikofaktoren werden definiert [4]:
• Alter > 60 Jahre
• relevante Immundefizienz (medikamentös, durch Grunderkrankung bedingt oder angeboren)
• fehlende oder unvollständige Impfung bei vorliegenden weiteren Risikofaktoren
• terminale Niereninsuffizienz mit Notwendigkeit einer Hämodialyse
• Trisomie 21
• Adipositas (BMI > 35 kg/m2)
• relevante Vorerkrankungen, insbesondere Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Lungenerkrankungen, Diabetes Typ 1 und 2, Nierenerkrankungen, Lebererkrankungen, neurologisch-psychiatrische Erkrankungen, z. B. Demenz
Nirmatrelvir (oder PF-07321332) ist ein antiviraler Wirkstoff zur Behandlung von COVID-19, der speziell für die orale Verabreichung entwickelt wurde. Er blockiert die Aktivität der wichtigsten viralen Protease (3-CL oder Mpro, main protease), die das Coronavirus zur Replikation benötigt. Die gleichzeitige Gabe einer niedrigen Dosis Ritonavir (100 mg) hilft, den Abbau von Nirmatrelvir zu verlangsamen, damit es für längere Zeit in höheren Konzentrationen im Körper aktiv bleibt, um das Virus zu bekämpfen.
Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil von Nirmatrelvir/Ritonavir
Die Wirksamkeit und Sicherheit der Kombination Nirmatrelvir/Ritonavir wurden mit der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-II/III-Studie EPIC-HR (Evaluation of Protease Inhibition for COVID-19 in High-Risk Patients) mit weltweit 2246 Teilnehmern untersucht [5]. Die klinischen Daten der EPIC-HR-Studie zeigten, dass diese Arzneimittelkombination das Risiko einer Krankenhauseinweisung oder eines Todes aufgrund jeglicher Ursache um 88,9 % (wenn die Behandlung innerhalb von drei Tagen nach Symptombeginn begonnen wurde) und 86,3 % (wenn die Behandlung innerhalb von fünf Tagen nach Symptombeginn begonnen wurde) im Vergleich zu Placebo bei Patienten mit hohem Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf senkte (relative Risikoreduktion). Nirmatrelvir/Ritonavir reduzierte die Viruslast in der Hochrisikopatientenpopulation signifikant. Die Häufigkeit von unerwünschten Ereignissen während des Behandlungszeitraums war in der EPIC-HR-Studie in beiden Gruppen ähnlich (22,6 % unter Nirmatrelvir plus Ritonavir vs. 23,9 % unter Placebo). Geschmacksstörung (5,6 vs. 0,3 %) und Diarrhoe (3,1 vs. 1,6 %) traten unter Nirmatrelvir/Ritonavir häufiger auf als unter Placebo.
Liegt eine entsprechende Indikation vor, können Ärzte nach patientenindividueller Abwägung die Verschreibung für Nirmatrelvir/Ritonavir ausstellen. Zur Verordnung reicht ein Schnelltest aus, der durch einen PCR-Test abgesichert werden kann.
1 Fachinformation zu Paxlovid® https://www.fachinfo.de/suche/fi/023638
2 AWMF S3-Leitlinie ‒ Empfehlungen zur Therapie von Patienten mit COVID-19 https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/113-001LG
3 DEGAM S2e-Leitlinie ‒ SARS-CoV-2/ COVID-19-Informationen & Praxishilfen für niedergelassene Hausärztinnen und Hausärzte https://register.awmf.org/assets/guidelines/053-054l_S2e_SARS-CoV-2-Covid-19-Informationen-Praxishilfen-Hausaerztinnen-Hausaerzte_2022-12.pdf
4 RKI COVID-19-Therapieempfehlungen: Interaktive Orientierungshilfe für Ärztinnen und Ärzte, https://www.dgiin.de/covriin/index.html#/
5 Hammond J et al., New England Journal of Medicine 2022; 386: 1397‒1408. DOI 10.1056/NEJMoa2118542Centers
Presseinformation „Factsheet. Erhöhtes Risiko für schwere COVID-19-Verläufe“ und „Factsheet. Paxlovid®“, Pfizer Pharma GmbH