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Allgemeinmedizin

COPD

Neue Erkenntnisse zu Pathogenese und Pathophysiologie

Nicole Hein

2.4.2023

Immer mehr in den Fokus der Forschung rücken die nicht Tabak-assoziierten Risikofaktoren für eine COPD. Aktuelle Studien zeigen, dass z. B. Innenraum-Allergene und Umweltfaktoren wie Luftschadstoffe und eine erhöhte Außentemperatur zunehmend eine Rolle spielen.

Zur Pathogenese der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) gab es beim diesjährigen Update Pneumologie zahlreiche Studien. Prof. Dr. med. Claus Franz Vogelmeier (Marburg) ging darauf ein, dass ein schwerer Alpha-1-Antitrypsin-Mangel potenziell mit einer schlechten Prognose vergesellschaftet wäre. Beim sehr häufigen heterozygoten Phänotyp MZ liegt offenbar bei Rauchern ein gesteigertes Risiko für die Entwicklung einer COPD vor. Nicht bekannt ist allerdings, ob Patienten mit MZ mit einer COPD sich phänotypisch von Personen mit MM-Phänotyp mit COPD unterscheiden. Vogelmeier führte an, dass Ghosh et al. in drei voneinander unabhängigen Studien 290 MZ-Patienten mit COPD und 6 184 MM-Patienten mit COPD evaluiert hätten [1]. „Die Daten legen nahe, dass rauchende MZ-Patienten nicht nur ein erhöhtes Risiko haben, eine COPD zu entwickeln, sondern dass diese dann auch mit schwerwiegenderen Befunden vergesellschaftet sein kann als bei MM-Patienten“, resümierte er. Außerdem erklärte er, dass diese Befunde noch einmal unterstrichen, wie wichtig ein Beenden des Rauchens wäre, wenn ein Alpha-1-Antitrypsin-Mangel entdeckt worden wäre.

Auch bei COPD bei Nichtrauchern gibt es neue Erkenntnisse: Yang et al. zeigten in einer Übersichtsarbeit, dass ungefähr die Hälfte aller COPD-Fälle weltweit durch nicht Tabak-assoziierte Risikofaktoren ausgelöst würden, die je nach geografischer Region variabel seien [2]. Die Faktoren wären unter anderem: Luftverschmutzung, berufliche Belastungen, schlecht kontrolliertes Asthma, Tabakrauch in der Umgebungsluft, infektiöse Erkrankungen und ein niedriger sozioökonomischer Status. Außerdem wäre ein eingeschränktes Lungenwachstum während der Kindheit mit einem gesteigerten Risiko für eine COPD vergesellschaftet.

Die potenziellen Pathomechanismen bei Nierauchern beinhalteten Entzündungen, oxidativen Stress, Remodeling der Atemwege und eine beschleunigte Lungenalterung. Allerdings hätten laut Vogelmeier Nieraucher im Vergleich zu Rauchern mit einer COPD in der Regel relativ milde chronische respiratorische Symptome, wenig oder kein Emphysem, eine geringere Einschränkung des Atemflusses und weniger Komorbiditäten. Weiterhin sagte er, dass aber viele Fragen noch ungeklärt wären. So wäre es grundsätzlich sehr schwierig, einzelne Risikofaktoren herauszuarbeiten, weil typischerweise ein ganzes Konvolut von Problemen bestünde. Beispielsweise hätte eine Person, die beruflich potenziell krankmachenden Agenzien ausgesetzt wäre, häufig auch einen niedrigeren sozioökonomischen Status und oft infektiöse Belastungen.

Ein eingeschränktes Lungenwachstum bei Kindern begünstigt eine COPD.

Zu der Rolle der Atemwegsallergien für eine COPD forschten Putcha et al. [3]: Sie evaluierten die Prävalenz und die Assoziationen von Typ-I-Allergien mit einer Exposition gegenüber üblichen Innenraum-Allergenen und verglichen diese mit Symptomen und dem Exazerbationsrisiko bei COPD. Vogelmeier gab zu bedenken, dass die in der Studie evaluierte Patientenzahl limitiert wäre, die Befunde seines Erachtens nach dennoch relevant wären. Die Autoren zeigten, dass Allergen-Expositionen bei COPD-Patienten mit schlechterem Outcome verbunden sein könnten, sofern diese gegenüber den entsprechenden Allergenen sensibilisiert wären. „Man sollte bei Patienten mit rezidivierenden Exazerbationen auch die potenzielle Rolle von Typ-I-Allergien in Erwägung ziehen und den Allergiestatus erheben“, sagte Vogelmeier.

Pathophysiologische Faktoren

Zu den geschlechtlichen Unterschieden bei COPD legten Bhatt et al. eine Analyse aus der COPD-Gene-Kohorte vor [4]. Die gewonnenen Daten wurden u. a. adjustiert für Alter, Körpergröße, ethnischen Hintergrund, Body-Mass-Index, Rauchbelastung, aktuellen Rauchstatus und totale Lungenkapazität. Vogelmeier kommentierte, dass die Autoren zeigten, dass die weiblichen Atemwege nach entsprechender Adjustierung nicht nur kleiner wären als die der Männer, sondern dass diese Unterschiede auch mit einer gesteigerten respiratorischen Morbidität und Mortalität vergesellschaftet wären. Sein Fazit: „Die Daten machen verständlich, warum Frauen mit COPD mehr Symptome haben als Männer mit dieser Erkrankung.“

Mit den Auswirkungen einer extremen Frühgeburtlichkeit und einem extrem niedrigen Geburtsgewicht beschäftigten sich Bårdsen et al. [5]. Sie analysierten drei populationsbasierte Kohorten, die in einem Alter von maximal 28 Wochen oder mit einem Gewicht von maximal 1 000 g geboren wurden. „Aufbauend auf diese Daten stellt Frühgeburtlichkeit einen wichtigen Risikofaktor für ein eingeschränktes Lungenwachstum und für eine Konstellation dar, die zumindest nach spirometrischen Kriterien wie eine COPD aussieht“, erläuterte Vogelmeier.

Große Bedeutung kam auch den Umweltfaktoren zu. Vogelmeier verwies auf drei Studien, die sich mit den Faktoren beschäftigten, die als potenzielle Auslöser für eine Exazerbation in Betracht kommen. „Eine erhöhte Konzentrationen an Luftschadstoffen und eine erhöhte Außentemperatur sind mit einer gesteigerten Zahl an schweren COPD-Exazerbationen verbunden“, erklärte Vogelmeier. Er verwies auf die digitale Medizin, die eine Real-Time-Messung von z. B. Luftschadstoffen und Temperatur in direkter Umgebung von Patienten ermöglichten.

Fazit

Das diesjährige Update Pneumologie fasste die wichtigsten internationalen Publikationen des zurückliegenden Jahres  mit Fokus auf klinische Studien zusammen. Beim Schwerpunkt COPD ging es unter anderem um aktuelle Erkenntnisse über geschlechtliche Unterschiede, neue Informationen über Risikofaktoren bei Nierauchern, den Einfluss von Frühgeburtlichkeit und die zunehmende Auswirkung von Umweltfaktoren wie eine hohe Konzentration von Luftschadstoffen und eine erhöhte Außentemperatur.

1 Ghosh AJ et al., Am J Respir Crit Care Med 2022; 205: 313–323
2 Yang I et al., Lancet Respir Med 2022; 10: 497–511
3 Putcha N et al., Am J Respir Crit Care Med 2022; 205: 412–420
4 Bhatt SP et al., Radiology 2022; 212985
5 Bårdsen T et al., Thorax 2022; 77: 790–798
Vortrag von Prof. Dr. med. Claus Franz Vogelmeier „COPD“, Pneumo Update 2022, Mainz (hybrid), November 2022

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