Burnout-Erkrankungen nehmen in unserer auf Leistung ausgerichteten Gesellschaft stetig zu. Die wirtschaftlichen, existenziellen und psychischen Herausforderungen, die mit der Corona-Pandemie einhergehen, tragen zusätzlich dazu bei. Wichtig ist, diesem Trend mit entsprechend ausgebildeten Hausärzten zu begegnen.
Den typischen Burnout-Patienten gibt es nicht. Nicht nur gestresste Karrieremenschen (Wirtschafts- und Bankenkrise), selbsternannte „Prominente“ oder auch Leistungssportler, die dem emotionalen, körperlichen, psychischen oder auch Karrieredruck besonders in COVID-19-Zeiten nicht standhalten, können daran erkranken. Sondern auch Ärzte und Lehrer sind gefährdet. Die Diagnose „Burnout-Syndrom“ (BOS) stellt dann allerdings nicht nur ein gesundheitliches Problem dar, denn sie kann auch einen Ausschluss der Erstattung bei Privatpatienten oder ein Hinderungsgrund für die Verbeamtung bedeuten.
Allen Erklärungen zur Entstehung des BOS gemeinsam ist das Missverhältnis zwischen Anforderungen und Ressourcen, was nicht immer messbar ist und individuell unterschiedlich (Erziehung, soziales Umfeld, Zeitgeist …) empfunden wird (Abb.). Der Übergang in eine Depression ist fließend und gehört zum BOS. Typisch für BOS und Depression sind die täglich vorkommenden Probleme im Umgang mit der Krankheit: Der Patient erkennt sie nicht, verleugnet sie oder will sie nicht wahrhaben. Ärzte denken nicht immer daran oder haben zu wenig Zeit/Angebote, den Patienten abzuholen und sich um ihn zu kümmern. Zudem verfügen sie zu selten über schnelle Interventionsmöglichkeiten im interdisziplinären Therapeutenteam. Trotzdem sollten psychisch angeschlagene Patienten immer auf mögliche Ursachen angesprochen werden – insbesondere auch, um das Problemfeld Suizidalität zu thematisieren.
Durch die besonderen Umstände der COVID-19-Pandemie erwarten Experten in diesem Jahr noch mehr Fälle von Depressionen als die 2017 im DESTATIS (statistisches Bundesamt) angegebenen 266 000 vollstationär behandelten Patienten. Da Depressionen nicht immer Folge oder Differenzialdiagnose eines BOS sind, sollte von ca. 100 000 BOS-Fällen jährlich mit zumindest zeitweiliger Arbeitsunfähigkeit ausgegangen werden. Der MEDSCAPE-Report „BOS und Depression bei Ärzten“ zählt 2020 eine Häufigkeit von 55 %, die in den dunklen Monaten und bei Zunahme der Corona-Pandemie-Folgen eher noch steigen dürfte.
Zur Verbesserung des Verbraucherschutzes wurde von der Politik eine bessere Transparenz ärztlicher Fähigkeiten und der Berufsausübung gefordert. So wurde ein Curriculum zum Erwerb des Tätigkeitsschwerpunktes (TSP) „Burnout-Berater“ (BOB) gemäß § 27 (4–3) der Berufsordnung entwickelt. Dies erfolgte mit Dr. med. Axel Schüler-Schneider (Frankfurt), Prof. Dr. med. Albert Diefenbacher (Berlin), Prof. Herwig Scholz (Villach-Klagenfurt) und PD Dr. med. habil. Dipl-Psych. Georg Nikisch (Fulda-Bad Wildungen). Ein TSP darf (u. a. auf dem Praxisschild) geführt werden, wenn er
• curricular erworben,
• nicht in Konkurrenz zur Weiterbildungsordnung steht sowie
• regelmäßig angewandt wird. Weitere mögliche TSP sind z. B.:
• Männergesundheit (ggf. mit Zusatz des Veranstalters/Ausbilders)
• Gesundheitsförderung und Prävention
• Tabakentwöhnung (regional unterschiedlich auch als „Raucherberatung“)
• „selbstgestrickte“ Themen, die man aber von seiner Ärztekammer anerkennen lassen sollte
Einzelne Landesärztekammern (LÄK) verstehen die regelmäßige Anwendung als 20 % der ärztlichen Tätigkeit, weswegen maximal fünf TSP gleichzeitig geführt werden dürfen (LÄK Thüringen). Kurse zum Erwerb dieser TSP werden unter www.der-privatarzt.de/fortbildungen-cme angekündigt.
Wo der Begriff Burnout herkommt
Burnout ist ein Begriff aus der Kernenergie und bezeichnet das Durchbrennen von Reaktorbrennstäben bei Überhitzung. Der amerikanische Psychotherapeut Herbert Freudenberger verwendete ihn 1974 erstmals zur Beschreibung von Erschöpfungszuständen in Pflegeberufen, später auch bei Personen mit hohen Idealen und „Opferbereitschaft“. Das Burnout-Syndrom ist eine Metapher für eine Entwicklung, bei der die emotionale, geistige und körperliche Überforderung, also das Missverhältnis von Ressourcen und Anforderungen, das Selbstwertgefühl minimieren, die Persönlichkeit verändern und unbehandelt zu Erschöpfung, innerer Leere und Depressionen führen.
Der Autor
Dr. med. Wolfgang Grebe
Facharzt für Allgemeinmedizin
Sportärztliche Untersuchungs- und Beratungsstelle
LK Waldeck-Frankenberg
Privatpraxis (Internist-Sportmedizin)*
*Tätigkeitsschwerpunkte gem. § 27 (4–3) der Berufsordnung: Burnout-Berater; Gesundheitsförderung und Prävention, Tabakentwöhnung und Männergesundheit-cmi
Literatur beim Autor
Bildnachweis: privat