- Anzeige -
Allgemeinmedizin

Bicarbonat bei SARS-CoV-2-Infektion

Säure-Basen-Status im Zuge von COVID-19 stabilisieren

Dr. med. Dr. Public Health Herbert Stradtmann

25.7.2023

Im Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion kann es zu einer azidotischen Stoffwechsellage kommen. Zugleich erhöhen die Risikofaktoren für COVID-19 bzw. für einen schweren Verlauf der Erkrankung wiederum das Risiko für eine Azidose. Könnte eine Kompensation der Azidose die Prognose verbessern?

Die COVID-19-Pandemie startete im Dezember 2019 ihren Zug um die Welt. Inzwischen ist bekannt: COVID-19 hat ein breites Symptomspektrum. Man könnte das Virus und den Krankheitsverlauf quasi als Chamäleon bezeichnen. Der virologische Nachweis ist deshalb in der Diagnostik das Wichtigste.

Zu den Risikogruppen für eine SARS-CoV-2-Infektion zählen Adipöse, Raucher, Menschen mit chronischen Vorerkrankungen wie Hypertonie, Diabetes mellitus, KHK, Asthma, COPD und Malignomen sowie Personen unter immunsuppressiver Therapie.

Den Verlauf von COVID-19 unterteilt die WHO in mild, moderat, schwer und kritisch. Zu den kritischen Symp­tomen zählen niedrige Sauerstoffsättigung, Ateminsuffizienz, Milchglasmuster auf dem Röntgenbild oder im CT-Scan, Hypotension, Thrombosen und eine Azidose. Sie können bis zum Organversagen führen.

Risikofaktor Azidose

Im Laufe einer schweren SARS-CoV-2-Infektion kommt es nach der ohne Ausheilung verlaufenen viralen Phase zur hyperinflammatorischen Phase (bis hin zum Zytokinsturm), zu Problemen mit dem Gasaustausch in der Lunge und zu thromboembolischen Ereignissen. Das wiederum kann die Entstehung einer azidotischen Stoffwechsellage nach sich ziehen. Eine hohe Konzentration an gelöstem Kohlendioxid im Blut führt hierbei zur Verminderung des pH-Werts und hat dadurch einen indirekten Einfluss auf die Sauerstoffbindung von Hämoglobin. Die Hypo­xie erfordert, je nach Ausprägung, die Sauerstoffgabe per Nasensonde, die nasale High-Flow-Sauerstoffgabe, die (nicht) invasive Beatmung und bei Lungenversagen die Behandlung mit der ECMO (extrakorporale Membranoxygenierung).

Die für eine Infektion mit SARS-CoV-2 genannten Risikofaktoren gelten natürlich auch für die Entwicklung schwerer pulmonaler Komplikationen [1]. Darüber hinaus bedingen sie bereits per se ein höheres Risiko für die Entwicklung einer Azidose und somit auch für einen schweren COVID-19-Verlauf.

Der durch Entzündung und Mikrothrombosen bedingte Ausfall von Lungengewebe verursacht eine Hypoxie, die einen anaeroben Stoffwechsel induziert, der wiederum die Lactatentstehung erhöht – mit der Folge einer Lactatazidose. Allerdings ist die Lactaterhöhung nicht der einzige Grund für das Entstehen einer Azidose.

Eine Studie beschäftigte sich nun mit der Frage, ob die gezielte Prävention einer Azidose den Verlauf von COVID-19 von vornherein positiv beeinflussen könne [2]. Dabei betrachteten die Untersucher auch das Problem der Lactatazidose (Referenzbereich

Lactat: 0,6–2,4 mmol/l [5,46–21,84 mg/dl]). Die ­Autoren schlussfolgerten, dass der Entwicklung einer azidotischen Stoffwechselsituation im Zuge einer SARS-CoV-2-Infektion besondere Aufmerksamkeit zu widmen sei. Neben angepasster Ernährung und Zufuhr alkalischer Getränke komme der Erhöhung der Pufferkapazität Bedeutung zu.

Eine weitere Publikation stützt diese These. Sie befasste sich mit dem klinischen Outcome bei schwerem (kritischem) COVID-19 im Zeitraum von März 2020 bis Februar 2021 [3]. Von 465 auf der Intensivstation behandelten Patienten (48 % Frauen) im Alter zwischen 46 und 61 Jahren entwickelten 65 eine Azidose, 42 davon hatten eine Anionenlücke von über 17 mmol/l (Referenzbereich: 3–11 mmol/l). Der mittlere Lactatspiegel war mit 3,4 mmol/l (30 mg/dl) erhöht. Unter den Betroffenen verstarben 37 Personen [3]. Die Autoren schlussfolgerten, dass nach Auftreten einer Azidose im Zuge von COVID-19 die Prognose deutlich schlechter ausfalle als bei einem ausgeglichenen (n = 117) oder alkalischen (n = 283) Säure-Basen-Status.

Die Untersuchungen zeigen, dass die Beachtung und Kontrolle des Säure-Basen-Status bei Menschen mit COVID-19 wichtig ist. Prophylaktisch und auch therapeutisch erscheint neben der Zufuhr alkalischer Getränke und angepasster Ernährung die orale Gabe von Bicarbonat als körpereigene Puffersubstanz gerade für Risikogruppen als gute Möglichkeit, die Pufferkapazität zu erhöhen bzw. nach der Erkrankung wieder aufzufüllen. Ein Präparat mit magensaft­resistenter Galenik, das den Magen unverändert passiert, eignet sich dafür am besten. So gelangt die gesamte Dosis in den Dünndarm und von da in den Stoffwechsel. Die vollständige Abgabe erst im Dünndarm unterstützt außerdem die Verdauungstätigkeit.

Der Autor

Dr. med. Dr. PH Herbert Stradtmann
Arzt für Innere Medizin/Nephrologie,
Hypertensiologe-DHL® und ­Rehabilitationswesen
Im Wölftegrund 27
34537 Bad Wildungen

1 Li J et al., Diabetes Obes Metab 2020; 22: 1935–41
2 Nechipurenko YD et al., Biology 2021; 10: 852  
3 Zemlin AE et al., Ann Clin Biochem 2022; 0: 1–6

Lesen Sie mehr und loggen Sie sich jetzt mit Ihrem DocCheck-Daten ein.
Der weitere Inhalt ist Fachkreisen vorbehalten. Bitte authentifizieren Sie sich mittels DocCheck.
- Anzeige -

Das könnte Sie auch interessieren

123-nicht-eingeloggt