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Onkologie

Vielfältige Einsatzmöglichkeiten

PARP-Inhibitoren für das primäre und das rezidivierte Ovarialkarzinom

Dr. med. Carina Zumdick

In der medikamentösen Erstlinientherapie des Ovarialkarzinoms gab es über ca. 15 Jahre keine neuen medikamentösen Ansätze. Doch jetzt eröffnen die PARP-Inhibitoren mit ihrem günstigen Nebenwirkungsprofil zunehmend eine individualisierte Therapie unter Erhalt der Lebensqualität.

Jährlich erkranken in Deutschland rund 7.400 Frauen an einem Ovarialkarzinom. Das Ovarialkarzinom ist das siebthäufigste Karzinom der Frau. In der gynäkologischen Onkologie ist es nach dem Endometriumkarzinom das zweithäufigste Karzinom der weiblichen Genitalorgane. Bei den prozentualen Anteilen der Krebssterbefälle liegt es an fünfter Stelle mit 5,6 %. Die Prävalenz des Ovarialkarzinoms steigt ab dem 50. Lebensjahr stetig an. Eine effektive Früherkennungsmethode existiert bis heute nicht. Daher werden ca. 2/3 der Fälle erst in fortgeschrittenen Stadien aufgrund der typischen sekundären Symptome wie der meist vorhandene Aszites und der Bauchumfangszunahme entdeckt.

Operative Therapie

Die stadiengerechte operative Therapie des Ovarialkarzinoms umfasst neben einer radikalen Hysterektomie mit Adnexektomie beidseits, Omen­tektomie und Peritonektomie eine bis hin zur Multiviszeralresektion ausgedehnte gynäkologisch-onkologische Strategie. Bezüglich der systematischen pelvinen und paraaortalen Lymphonodektomie kam es nach Veröffentlichung der LION-Studie zu einem Paradigmenwechsel. Einen Überlebensvorteil wird nur in frühen Stadien gesehen. Somit sollte in fortgeschrittenen Stadien nur die Entfernung der klinisch auffälligen Lymphknoten erfolgen. Der wichtigste Prognosefaktor liegt weiterhin in der makroskopischen maximalen Tumorreduk­tion (Tumorrest = 0). Trotz einer bis zum heutigen Tage stetig optimierten operativen Therapie liegt die 5-Jahres-Überlebensrate bei unter 40 %. Die medikamentöse Systemtherapie rückt damit weiter in den Fokus.

Systemtherapie

In der medikamentösen Erstlinientherapie des Ovarialkarzinoms gab es über einen Zeitraum von ca. 15 Jahren keine neuen medikamentösen Ansätze. Als Goldstandard gilt weiterhin die Kombination einer Carboplatin- mit einer Taxan-haltigen Chemotherapie. Als Erhaltungstherapie wurde über 15 Monate der Angiogenesehemmer Bevacizumab appliziert. Gemäß der AGO Phase-III-Studie rezidiviert das Ovarialkarzinom auch nach optimaler operativer (Tumorrest 0) und medikamentöser Therapie in 59,9 % innerhalb von sechs bis zwölf Monaten und in weiteren 37,2 % nach über zwölf Monaten.

Risikofaktoren im Fokus

Als Risikofaktoren werden neben Nulliparität die Anzahl der Ovulationen, Ernährung und verschiedene Umweltfaktoren vor allem die Familienanamnese und damit indirekt das Risiko für eine sogenannte BRCA1/2-Mutation angesehen. Mutationsträgerinnen haben ein ca. 40- bzw. 20%ig erhöhtes Risiko in ihrem Leben an einem Ovarialkarzinom zu erkranken. Die Mutation auf Chromosom 17 bzw. 13 begünstigt aufgrund der gestörten Funktion im DNA-Reparatursystem die Entstehung von Doppelstrangbrüchen. Die DNA-Stabilität wird durch diese fehlende Reparaturfunktion mittels homologer Rekombination gestört. Die Folge sind weitere Mu­tationen und damit steigt die Wahrscheinlichkeit der Entstehung einer Krebszelle. Die BRCA-Mutation kann hierbei somatisch (am Tumor) bzw. in der Keimbahn auftreten.

Wirkungsweise der PARP-Inhibitoren

PARP steht für Poly(ADP-ribose)-Polymerase und ist ein essenzielles DNA Reparaturenzym. Es sorgt in gesunden, aber auch in potenziellen Tumor­zellen für die Reparatur von DNA-Einzelstrang­brüchen. Durch die Inhibition dieser Reparatursysteme kommt es in den replizierten Zellen zu einem DNA Doppelstrangbruch. Die Tumorzelle kann nach diesem Second Hit nicht überleben und leitet den programmierten Zelltod (Apoptose) ein. Den Prozess aus einer durch Replikation entstehenden nicht überlebensfähigen Zelle nennt man synthe­tische Letalität. Nach Entdeckung des oben beschriebenen Enzyms wurden gezielt Inhibitoren dieses Systems erforscht und in die klinische Anwendung eingeführt. 2014 wurde Olaparib (Lynparza®) als erster PARP-Inhibitor beim platinsensiblen high grade Ovarialkarzinomrezidiv und nachgewiesener BRCA-Muta­tion zugelassen. Als Grundlage diente die Studie 19 als randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte multizentrische internationale Phase-II-Studie. Primärer Studienendpunkt war das progressionsfreie Überleben, sekundäre Endpunkte die Zeit bis zur Progression (mittels CA-125/GCIG Kriterium oder RECIST, Response Evaluation Criteria In Solid Tumors), das Gesamtüberleben, eine objektivierte Ansprechrate (mittels RECIST) und die Sicherheit/Verträglichkeit der Therapie. Die Analyse zeigt einen statistisch signifikanten Vorteil in der Olaparib-Gruppe vs. Placebo (PFS HR = 0,35; 95 %-KI: 0,25–0,49; p 

PARP-Inhibitoren auf dem Vormarsch

Aufgrund dieser Daten folgten weitere Studien zur Effektivität und Sicherheit der PARP-Inhibitoren. Die Phase-III-Studie SOLO-1 (NCT01844986) untersuchte Olaparib in der Erstlinien-Erhaltungstherapie von Patientinnen mit einem neu diagnostizierten, fortgeschrittenen, BRCA-mutierten (BRCAm) Ovarialkarzinom, die auf die primäre platinbasierte Chemotherapie vollständig oder partiell angesprochen haben. Die Daten zeigen eine statistisch signifikante und klinisch relevante Verbesserung des progressionsfreien Überlebens (PFS) unter Olaparib im Vergleich zu Placebo. Im Olaparib-Therapiearm wurde das Risiko für eine Krankheitsprogression oder Tod um insgesamt 70 % (HR = 0,30; 95 %-KI: 0,23–0,41; p 

Aktuell gilt die generelle Empfehlung der somatischen BRCA-Testung am Primärtumor, um die Möglichkeiten einer Erhaltungstherapie in der Erstlinie mittels PARP-Inhibitor zu prüfen und gegebenenfalls einzuleiten. Neben Olaparib existieren weitere PARP-Inhibitoren mit unterschiedlichem Zulassungsstatus. Die folgenden Texte sind Auszüge aus der aktuellen modifizierten Version der S3-Leitlinie zur Therapie des Ovarialkarzinoms. Die Effektivität von Niraparib (Zejula®) wurde in der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-AGO-OVAR-2.22/ENGOT-OV16/NOVA-Studie (NCT01847274) als Erhaltungstherapie nach erfolgreicher platinbasierter Chemotherapie in der Rezidivsituation und mindestens zwei platinhaltigen Vortherapien untersucht. Die Patientinnen wurden in zwei Gruppen unterteilt (positiv oder negativ für eine BRCA-Keimbahnmutation: gBRCA bzw. non-gBRCA) und danach 2:1 randomisiert und erhielten bis zum Erkrankungsprogress entweder Niraparib (300 mg einmal täglich) oder Placebo.

Der primäre Endpunkt war das PFS und zeigte einen signifikanten Vorteil zugunsten der Niraparib-Er­haltungstherapie in beiden Gruppen (PFS Median gBRCA-positiv: 21,0 Monate vs. 5,5 Monate, HR = 0,27; 95 %-KI: 0,17–0,41; gBRCA-negativ: 9,3 Monate vs. 3,9 Monate, HR = 0,45; 95 %-KI: 0,35–0,61). Die häufigsten schweren Nebenwirkungen (> Grad 3) unter Niraparib waren Thrombozytopenie (33,8 % vs. 0,6 %) und Anämie (25 % vs. 0 %).

Die aktuelle Zulassung von Rucaparib (Rubraca®) in der EU basiert auf zwei multizentrischen, einarmigen Studien – Studie 10 (NCT01482715) und ARIEL2 (NCT01891344) – bei Frauen mit fortgeschrittenem BRCA-mutiertem Ovarialkarzinom, die nach zwei oder mehr vorherigen Chemotherapien progredient waren. Alle Patientinnen erhielten Rucaparib in einer Dosis von 600 mg zweimal täglich als Monotherapie. Die Behandlung wurde bis zur Progression der Erkrankung oder bis zur inakzeptablen Toxizität fortgesetzt. Der primäre Studienendpunkt war die objektive Ansprechrate nach RECIST.

Basierend auf der Beurteilung des Ansprechens durch den Prüfer zeigte Rucaparib eine objektive Ansprechrate (ORR) von 54,7 % (n = 106) in der eher platinresistenten und 64,6 % in der platinsensitiven Population (n = 79). Eine kombinierte Analyse mehrerer Studien zu Rucaparib zeigte bei Monotherapie mit Rucaparib 600 mg bei Patientinnen mit einer BRCA-Mutation ein medianes PFS von zehn Monaten. Eine übersichtliche Zusammenfassung für die Praxis gibt Tabelle 1.

Ausblick

Aktuell im Rahmen der PAOLA-1-Studie wird der bereits lange geforderte Vergleich mit der Standarderhaltungstherapie Bevacizumab +/-Olaparib unabhängig vom BRCA-Status untersucht. Erste Ergebnisse werden noch dieses Jahr erwartet. Seit April 2019 ist Olaparib nach Veröffentlichung der Ergebnisse der OlympiaAD-Studie zusätzlich in der Therapie des lokal fortgeschrittenen oder metastasierten, HER2-negativen Mammakarzinoms von BRCA-Mutationsträgerinnen zugelassen. In dieser Indikation wird Olaparib als Monotherapie angewendet. Die Patientinnen sollten bereits eine Anthrazyklin/Taxan-basierte Chemotherapie und gegebenenfalls eine endokrine Therapie erhalten haben, wenn keine medizinischen Gründe dagegengesprochen haben.

Fazit

Die PARP-Inhibitoren entsprechen mit ihrem günstigen Nebenwirkungsprofil zunehmend dem Ruf nach einer individualisierten Therapie unter Erhalt der Lebensqualität. Im klinischen Alltag sehen wir selbst nach multiplen Vortherapien ein langfristiges Ansprechen und eine deutliche Verlängerung der chemotherapiefreien Zeit – und damit ein sehr gutes Annehmen der Therapie auf Seiten der Patientinnen.

Die Autorin

Dr. med. Carina Zumdick
Klinik für Gynäkologie und
Gynäkologische Onkologie
Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken
Wiesbaden

carina.zumdick@helios-gesundheit.de

[1] Ledermann J et al., N Engl J Med 2012; 366: 1382–1392

Bildnachweis: rendixalextian, Sylverarts (iStockphoto); privat

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