Es tut sich viel im Bereich der Immuntherapien und zielgerichteten Therapien bei BRAF-Mutationen. Über die aktuellsten Studienergebnisse zu ihrem Einsatz in der adjuvanten, neoadjuvanten und nicht resektablen Situation berichten
Das maligne Melanom gehört zu den aggressivsten Hauttumoren, weltweit versterben jährlich bis zu 55 000 Menschen daran [1]. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei etwa 59–64 Jahren [2]. Die alterstandardisierte Rate an Neuerkrankungen in Deutschland beträgt ca. 20,5 pro 100 000 Personen [3], somit gehört Deutschland zu den weltweit zehn Nationen mit der höchsten Melanominzidenz.
Risikofaktoren und Pathogenese
Bekannte Risikofaktoren für die Entstehung eines Melanoms sind unter anderem eine erhöhte, v. a. intermittierende UV-Exposition, der Besuch von Solarien, ein heller Hauttyp (Fitzpatrick Typ I–II) sowie eine positive Familien- und Eigenanamnese [4]. Mit intermittierender starker Sonnenexposition sind vor allem superfiziell spreitende Melanome am Stamm jüngerer Patienten assoziiert [5]. UV-Strahlung hat eine direkt mutagene Wirkung mit Bildung von Punktmutationen und strukturellen Veränderungen des Erbguts (copy number variation, CNV). Außerdem kommt es unter UV-Exposition zur Bildung freier Radikale, die für weitere genetische Veränderungen sorgen. Durch die maligne Transformation werden Proto-Onkogene wie BRAF und Zellzyklus-Kontrollgene dauerhaft aktiviert, was in Folge zu einer anhaltenden Aktivierung von zellulären Signalwegen wie dem Mitogen-aktivierten-Proteinkinase(MAPK)-, Phosphoinositol(PI3K)- und mTOR-Signalweg führt [1].
Klinik und Diagnostik
Neben der Einteilung der Melanome nach Lokalisation (kutan, mukosal, okulär, Melanom mit unklarem Primarius [MUP]) oder Subtyp (superfiziell spreitend, nodulär, akrolentiginös, Lentigo-maligna, amelanotisch) [6] können Melanome auch molekulargenetisch eingeteilt werden. So liegt bei der Hälfte der Melanome eine BRAF-Mutation vor, 25 % weisen eine NRAS- und 15 % eine NF1-Mutation auf [1,7]. Das Melanom zeichnet sich durch ein frühzeitiges invasives Wachstum mit Neigung zur lymphogenen und hämatogenen Metastasierung aus. Eine Früherkennung suspekter Hautveränderungen ist für Krankheitsverlauf und Prognose daher entscheidend. Melanome mit geringerer Tumordicke sind dabei prognostisch deutlich besser als Melanome mit höherer Tumordicke. Zur Diagnostik haben sich die Anwendung der ABCDE-Regel und des Auflichtmikroskops bewährt [8-10]. Zudem können auch unterstützende Verfahren wie die konfokale Lasermikroskopie, die Impedanzspektroskopie (EIS) oder die optische Kohärenztomografie (OCT) angewendet werden [11]. Bei Verdacht auf ein Melanom erfolgt die Exzision der suspekten Hautveränderung in toto mit anschließender histologischer Untersuchung. Neben einer Ganzhautinspektion sind weiterführende diagnostische Schritte leitliniengerecht und in Abhängigkeit vom Tumorstadium durchzuführen [11-13]. In Zusammenschau von histologischem Befund, Tumormarkern (S100, LDH) und weiteren bildgebenden Verfahren (Ultraschalluntersuchung der Lymphabflusswege und der Lymphknotenstationen, Schnittbildgebung mittels MRT oder CT) erfolgt die prognostische Eingruppierung der Patienten gemäß aktuellster Auflage der Klassifikation des American Joint Committee on Cancer (AJCC).
Therapie
Ein verbessertes Verständnis der molekularpathologischen Mechanismen bei der Melanomentstehung führte zur Entwicklung systemischer Therapien mit signifikanter Verbesserung des rezidivfreien, progressionsfreien und Gesamtüberlebens. Zum Einsatz kommen derzeit Systemtherapien in der adjuvanten und nicht resektablen Tumorsituation und ganz aktuell auch in der adjuvanten Therapie in den Tumorstadien IIB/C. Der neoadjuvante Einsatz von Systemtherapeutika steht im Fokus aktueller Studien.
Adjuvante Therapie
Patienten mit Melanomen der Stadien III und IV nach definitiver operativer Resektion und ohne klinischen Nachweis der Melanomerkrankung (no evidence of disease) haben ein hohes Rezidivrisiko [13-15]. Bei Vorliegen einer BRAF-Mutation konnte in klinischen Studien ein signifikant verlängertes rezidivfreies Überleben in Stadium III unter adjuvanter Immuntherapie (ICI) oder zielgerichteter Therapie (TT) gezeigt werden [16-18]. Die Zulassung der adjuvanten Therapien durch die FDA und EMA erfolgte zwischen Dezember 2017 und Februar 2019 für Nivolumab, Pembrolizumab, Dabrafenib und Trametinib bei Vorliegen einer BRAF-Mutation.
Aktuelle Langzeitdaten belegen den Vorteil einer adjuvanten ICI-Therapie [19,20] und bei BRAF-mutierten Melanompatienten im Stadium III zeigten auch die TT einen langfristigen klinischen Nutzen [21]. Beim diesjährigen ASCO-Kongress wurde eine Analyse der COMBI-AD-Studie präsentiert, die eine höhere Rate an fernmetastasenfreiem Überleben (DMFS) für BRAF-mutierte Patienten in den Tumorstadien IIIB–D unter adjuvanter TT im Vergleich zu Patienten mit Placebo ergab [22]. In einer multizentrischen Real-World-Kohortenstudie konnte gezeigt werden, dass sich 76,9 % der Melanompatienten im Stadium III/IV mit Indikation zur adjuvanten Therapie auch für eine solche entscheiden [23]. Aktuelle Daten der KEYNOTE-716-Studie mit Pembrolizumab als adjuvante Therapie im Stadium IIB/C zeigen ein signifikant verlängertes fernmetastasenfreies und rezidivfreies Überleben im Vergleich zu Placebo [24]. Nach 24 Monaten wiesen 81,2 % der mit Pembrolizumab Therapierten und 72,8 % derer unter Placebo kein Rezidiv auf (Hazard Ratio [HR] 0,64; 95%-Konfidenzintervall [95%-KI] 0,5–0,84). Basierend auf den Ergebnissen der KEYNOTE-716-Studie hat die amerikanische Zulassungsbehörde FDA Pembrolizumab zur adjuvanten Therapie von Melanompatienten im Stadium IIB und C ab 12 Jahren zugelassen. Im Juni 2022 folgte dann auch die Zulassung durch die EMA. Weitere klinische Studien zum Nutzen einer adjuvanten Therapie im Tumorstadium II laufen.
Im Juli 2020 wurde die NivoMela-Studie initiiert [25], eine Phase-III-Studie mit Biomarker-basierter Risikostratifizierung. Eingeschlossen werden Melanompatienten im Stadium IIA–C in der adjuvanten Tumorsituation. Die Rekrutierung von Patienten läuft derzeit noch. Mithilfe des Biomarker-Scores „MelaGenixTM GEP“ werden die Patienten gescreent und bei Vorliegen eines erhöhten Risikos für die Entwicklung eines Rezidivs (> 0,0; HR 1,48 bis 1,98) 2 : 1-randomisiert auf den Verumarm mit adjuvantem Nivolumab oder den Beobachtungsarm verteilt. Zusätzlich werden explorative Analysen anhand von Parametern aus peripherem Blut und Tumorgewebe sowie von klinischen Verlaufsparametern durchgeführt. Im Mai 2022 wurde die Phase-III-COLUMBUS-AD-Studie initiiert. BRAF-mutierte Melanompatienten im Stadium IIB/C können in diese Studie eingeschlossen werden. Es erfolgt eine 1 : 1-Randomisierung für eine adjuvante Therapie mit Encorafenib und Binimetinib vs. Placebo.
Nicht resektable Tumoren
Eine Immuntherapie mit der Kombination aus Ipilimumab und Nivolumab (CTLA-4/PD-1-Inhibition) oder eine alleinige Nivolumab-Therapie (PD-1-Inhibition) bei fortgeschrittener, nicht resektabler Tumorsitutation führt zu einem signifikant verlängerten progressionsfreien und Gesamtüberleben. Dies konnte in der aktuellen 6,5-Jahres-Outcome-Analyse der Studie CheckMate 067 erneut demonstriert werden [26]. Auch die zielgerichtete Therapie zeigt einen signifikanten Vorteil im progressionsfreien und Gesamtüberleben bei Melanompatienten mit nicht resektabler, fortgeschrittener Erkrankung [27-29].
Aktuell stehen Fragen zur Sequenztherapie bei BRAF-mutierten Melanompatienten mit nicht resektabler Tumorsituation im Vordergrund. Die DREAMseq-Studie zeigte, dass Patienten mit fortgeschrittenem BRAF-mutierten Melanom von einer Sequenztherapie, beginnend mit Ipilimumab/Nivolumab und bei Progress mit anschließender zielgerichteter Therapie, ein längeres Gesamtüberleben aufweisen als unter einer Sequenztherapie, die mit der zielgerichteten Therapie beginnt [30].
Die SECOMBIT-Studie untersucht ebenfalls die Sequenztherapie. Patienten im Arm A erhalten eine zielgerichtete Therapie mit Encorafenib/Binimetinib und bei Progress eine Immuntherapie mit Ipilimumab/ Nivolumab. Im Arm B wird zu Beginn die Immuntherapie mit Ipilimumab/Nivolumab verabreicht, im Arm C erhalten die Patienten über acht Wochen Encorafenib/Binimetinib, im Anschluss Ipilimumab/Nivolumab und bei Progress erneut Encorafenib/Binimetinib. In einer aktuellen Subgruppenanalyse konnte gezeigt werden, dass Patienten aus den Armen B und C höhere Raten an progressionsfreiem und Gesamtüberleben aufweisen [31]. In der ImmunoCobiVem-Studie erhalten alle Patienten zunächst eine 3-monatige Therapie mit Vemurafenib und Cobimetinib. Im Anschluss daran werden diejenigen ohne Progress 1 : 1 randomisiert und setzen die zielgerichtete Therapie fort (Arm A) oder wechseln zu einem Anti-PD-1-Inhibitor (Atezolizumab, Arm B). Eine Interimsanalyse zeigte bereits, dass in Arm A das progressionsfreie Überleben bis zum Auftreten des ersten Progresses signifikant verlängert ist, das progressionsfreie Überleben vom ersten Progress zum erneuten Progress oder Versterben jedoch signifikant verkürzt ist [32].
Anfang des Jahres wurden erste Ergebnisse der Studie RELATIVITY-047 publiziert [33]. Patienten mit nicht resektablem, fortgeschrittenem Melanom haben unter einer Kombinationstherapie bestehend aus dem LAG-3-Inhibitor Relatlimab und dem PD-1-Inhibitor Nivolumab ein signifikant verlängertes progressionsfreies Überleben im Vergleich zu einer PD-1-Monotherapie [33]. Das Nebenwirkungsprofil von LAG-3/PD-1-Inhibition zeigt sich in der Studie als gut, nur 18,9 % der Patienten weisen Nebenwirkungen der Grade 3 und 4 auf. In einer auf dem ASCO präsentierten Subgruppenanalyse konnten die bisherigen Ergebnisse bestätigt werden [34].
In allen Subgruppen ist die Kombinationstherapie der Monotherapie überlegen. Die Kombination aus LAG-3/PD-1-Inhibition ist möglicherweise eine gute Alternative zur bisherigen CTLA-4/PD-1-Inhibition. Insbesondere das gute Nebenwirkungsprofil unter der LAG-3/PD-1-Hemmung stellt einen Vorteil der Kombinationstherapie dar. Jedoch fehlen noch Langzeitdaten.
Neoadjuvante Therapie
Ein weiterer Fokus der Systemtherapie beim fortgeschrittenen Melanom liegt im neoadjuvanten Ansatz. Hierbei erfolgt zuerst eine Systemtherapie und im Anschluss daran dann die operative Resektion. Dadurch soll ein früher systemischer Effekt erreicht werden [35]. In der OpACIN-neo-Studie erhielten Patienten im Stadium III zwei neoadjuvante Zyklen mit Ipilimumab und Nivolumab in unterschiedlichen Dosierungen [36]. Im Anschluss daran erfolgte die Resektion des Index-Lymphknotens, anhand dessen die histologische Untersuchung zur Einschätzung der pathologischen Response auf die neoadjuvante Systemtherapie erfolgte. Mit einer pathologischen Response-Rate von 77 % zeigten sich Ipilimumab in einer Dosierung von 1 mg/kg und Nivolumab mit 3 mg/kg am effektivsten. In der PRADO-Studie, ebenfalls im Juni auf dem ASCO präsentiert, konnten die Ergebnisse aus der OpACIN-neo-Studie bestätigt werden [37]. Die Patienten erhielten nach Markierung des Index-Lymphknotens zwei neoadjuvante Gaben von Ipilimumab/Nivolumab. Im Anschluss daran erfolgte die Resektion des Index-Lymphknotens und in Abhängigkeit vom Ergebnis eine ausschließliche Nachsorge, eine Lymphknotendissektion oder eine Lymphknotendissektion mit anschließender adjuvanter Therapie. Patienten mit vollständiger pathologischer Response im Index-Lymphknoten (≤ 10 % vitale Tumorzellen nachweisbar) ohne weitere Systemtherapie wiesen ein rezidivfreies Überleben von 93,3 % nach zwei Jahren und zu 100 % ein fernmetastasenfreies Überleben auf [37]. Durch den neoadjuvanten Therapieansatz kann bei einer Subgruppe von Patienten daher möglicherweise auf eine aufwendige Lymphknotendissektion verzichtet werden. Weitere Studien müssen die bisherigen Ergebnisse aber noch stützen.
Der klinische Verlauf von Patienten mit fortgeschrittener Melanomerkrankung konnte mit der Immuntherapie und der zielgerichteten Therapie inzwischen deutlich verbessert werden. Die Erweiterung der Therapieoptionen – auch auf frühe Stadien der Erkrankung und im neoadjuvanten Bereich – führt zu einer immer individuelleren Therapiestrategie für Melanompatienten und einer Ausdehnung des rezidiv- und progressionsfreien Überlebens.
Die Autorin
Prof. Dr. med. Selma Ugurel
Klinik für Dermatologie,
Venerologie und Allergologie
Universitätsklinikum Essen
45122 Essen
Der Autor
Prof. Dr. med. Dirk Schadendorf
Direktor der Klinik für Dermatologie und Direktor des Westdeutschen
Tumorzentrums (WTZ)
Universitätsklinikum Essen
Der Autor
Dr. med. Georg Lodde
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Universitätsklinikum Essen
Literatur beim Autor