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Onkologie

Medikamentöse Therapie im Wandel – Neue Standards und Innovationen

PD Dr. med. Florian Fuchs

Die medikamentöse Therapie des lokal fortgeschrittenen oder metastasierten nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms ohne behandelbare Treibermutation hat sich in den zurückliegenden zwei Jahren grundlegend gewandelt. Ausschlaggebend ist eine inzwischen überzeugende Studienlage für den breiten Einsatz der Immuntherapie in der Erstlinie sowie zielgerichtete Therapieansätze.

In der Therapie des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) gab es in den vergangenen Jahren diverse Neuerungen zu verzeichnen: Erstmals wurden im Oktober 2016 die Ergebnisse der Studie KEYNOTE-024 präsentiert. In dieser Studie wurden therapienaive Patienten mit metastasiertem NSCLC ohne Treibermutationen entweder mit einer platinbasierten Standard-Chemotherapie-Doublette oder mit Pembrolizumab (PD-1-Antikörper) behandelt. Voraussetzung war der Nachweis einer PD-L1-Expression der Tumorzellen in der Immunhistochemie von mindestens 50 %. Zusammenfassend zeigte sich, dass die Therapie mit Pembrolizumab zu einer Verlängerung des Gesamtüberlebens von 14,2 auf 30,0 Monate führte. Die Progressionsfreiheit konnte von 6,0 auf 10,3 Monate verbessert werden, und der Effekt konnte im Kontrollarm durch die Anwendung von Pembrolizumab in der Zweitlinie nicht mehr aufgeholt werden. Die Ansprechrate lag unter Pembrolizumab bei 45,5 %, die Dauer des Ansprechens konnte im Median noch nicht erreicht werden und lag nach 18 Monaten bei über 60 %.[1-3] Die Bestimmung des PD-L1-Status im Biopsat oder Resektat wird inzwischen flächendeckend durch den Pathologen angeboten, sodass diese Therapieoption als Standard bei metastasiertem NSCLC mit einem PD-L1-Status > 50 % unabhängig von der Histologie mit sehr guten Erfahrungen eingesetzt wird.

Ein weiterer Meilenstein ist die kombinierte Therapie aus Chemo- und Immuntherapie (CIT). In den vergangenen zwölf Monaten wurden die Ergebnisse von insgesamt sechs Phase-III-Studien veröffentlicht, bei denen in der Erstlinie die Wirksamkeit einer Kombination aus einer Chemotherapie und einem Immuntherapeutikum im Vergleich zur Chemotherapie alleine untersucht wurde. In der Tabelle sind die Studien und die wichtigsten Ergebnisse für Adeno- bzw. Plattenepithelkarzinome zusammengefasst.

Wesentliche Unterschiede zwischen den Studien sind die eingesetzten Antikörper (Pembrolizumab oder Atezolizumab) sowie die verwendete Chemotherapie. In allen Studien konnte der PD-1- bzw. PD-L1-Antikörper im Sinne einer Erhaltungstherapie nach Abschluss der Chemotherapie bis zum klinisch relevanten Progress oder therapielimitierender Nebenwirkungen fortgesetzt werden.

Basierend auf den Ergebnissen der Studie KEY­­NOTE-1894 ist die CIT mit Carboplatin, Peme­trexed und Pembrolizumab seit September 2018 für Adeno­karzinome der Lunge zugelassen. Von besonderer Bedeutung erscheint in der Subgruppenanalyse das konsistente Ergebnis für alle PD-L1-Expressions­grade (0 %, 1–49 %, ≥ 50 %). Somit kann die CIT mit Carboplatin, Pemetrexed und Pembrolizumab allen Patienten mit metastasiertem Adeno-Ca der Lunge angeboten werden, soweit sich keine Kontraindikationen für eine Immuntherapie ergeben. Als Limitation muss jedoch die kurze Nachbeobachtungszeit der Studie genannt werden (mittleres Follow-up: 10,5 Monate). Dies kann bei weiteren Analysen zu einem Anstieg der bislang sehr guten HR von 0,49 führen.

Die Studie IMpower130 stellt bezüglich der verwendeten Chemotherapie eine interessante Alternative dar, da hier kein Pemetrexed verwendet wurde. Ein Alleinstellungsmerkmal innerhalb dieser Studienlandschaft hat die Studie IMpower1505, da nur in dieser zusätzlich auch ein antiangiogenetisches Konzept in Form des VEGF-Antikörpers Bevacizumab eingesetzt wurde. Weiterhin wurde nach Vorliegen einer Lebermetastasierung stratifiziert. Außerdem wurden auch Patienten mit EGFR-Mutation oder ALK-Translokation eingeschlossen, wenn diese vorbehandelt waren. Dabei zeigte sich ein erheblicher Vorteil bei diesen Subgruppen im Gesamtüberleben. Interessanterweise konnte im Vergleich von Arm A (Carboplatin, Paclitaxel und Atezolizumab) und Arm C (Carboplatin, Paclitaxel und Bevacizumab) kein Unterschied gesehen werden, sodass der beschriebene Effekt auf der gleichzeitigen Gabe eines antiangiogenetischen und eines PD-L1-Antikörpers beruht. Dies galt auch für Patienten mit Lebermetastasen. Als ursächlich hierfür werden verschiedene Hypothesen diskutiert, ohne dass bislang eine eindeutige Begründung für die Ergebnisse gefunden wurde. Eine gewisse Bestätigung der Wirksamkeit einer CIT mit Bevacizumab und Atezolizumab kann auch aus der Studie IMpower130 abgeleitet werden, in der ohne Bevacizumab kein Vorteil bei EGFR-Mutation oder Lebermetastasierung gezeigt werden konnte.

Der bunte Strauß an Studienergebnissen hinterlässt zahlreiche Fragen. So wurde bislang nicht untersucht, ob bei Patienten mit Adeno-Ca und einer PD-L1-Expression > 50 % die CIT der Monotherapie mit Pembrolizumab überlegen ist. Es erscheint weiterhin legitim, diese Patienten auch angesichts des größeren Nebenwirkungspotenzials der CIT mit einer Monotherapie zu behandeln. Sprechen Patienten primär nicht auf Pembrolizumab an, so ist eine Eskalation der Therapie hin zu einer CIT zwar die logische Konsequenz, aber ebenfalls nicht in Studien untersucht. Soweit es zu weiteren Zulassungen kommt, so bleibt die Frage offen, welches die besten Kombinationspartner in der CIT sind. Diese Frage muss v. a. dann neu diskutiert werden, wenn die abschließenden Auswertungen der Stu­dien vorliegen.

Bei Plattenepithalkarzinomen kann bei einer PD-L1-Expression ≥ 50 % basierend auf der Studie KEYNOTE-024 ebenfalls eine Monotherapie mit Pembrolizumab erfolgen. Die Zulassung einer CIT aufgrund der Ergebnisse der Studie KEYNOTE-4076 steht kurz bevor. Auch in dieser Studie zeigte sich ein positiver Effekt auf das Gesamtüberleben unabhängig vom PD-L1-Status, sodass ab dem Zeitpunkt der Zulassung auch für Patienten mit metastasiertem Plattenepithelkarzinom der Lunge eine CIT verfügbar ist.

Metastasiertes NSCLC mit Treibermutationen

Ca. 15–20 % der metastasierten Adenokarzinome der Lunge zeigen eine behandelbare Treibermutation. Zielgerichtete Therapieoptionen existieren für die EGFR- und BRAF-Mutation sowie die ALK-Translokation und die ROS1-Fusion. Für Patienten mit EGFR-mutiertem Lungenkarzinom standen bislang in der Erstlinie die EGFR-TKIs Gefitinib, Erlotinib und Afatinib zur Verfügung. Bei Nachweis einer resistenzvermittelnden Mutation am Exon 20 vom Typ T790M besteht eine Zulassung für den 3.-Generations-TKI Osimertinib. Aufgrund der Ergebnisse der FLAURA-Studie wurde Osimertinib nun auch für die Erstlinie zugelassen. In der Studie wurde Osimertinib gegen Gefitinib oder Erlotinib verglichen.[7] Dabei zeigte sich ein Anstieg des progressionsfreien Überlebens von 10,2 auf 18,9 Monate (HR: 0,46; p < 0,001). In der Subgruppenanalyse zeigte sich ein homogenes Bild, sodass die Gabe von Osimertinib in der Erstlinie für alle Patienten mit EGFR-Mutation geeignet erscheint. Bemerkenswert ist noch, dass im Gegensatz zu asiatischen Patienten eine noch bessere Wirksamkeit bei nicht-asiatischen Patienten gezeigt werden konnte (HR: 0,55 vs. 0,34). Von großer Relevanz erscheint dabei, dass der Effekt von Osimertinib gleichermaßen bei Patienten mit und ohne Hirnmetastasen bei Studieneinschluss nachgewiesen werden konnte. Angesichts des deutlich erhöhten Risikos von Patienten mit EGFR-mutiertem Lungenkarzinom für die Entwicklung von Hirnmetastasen ist die ZNS-Wirksamkeit ein wesentliches weiteres Charakte­ristikum von EGFR-TKIs. Auch im Gesamtüberleben zeigte sich ein tendenzieller Vorteil für die Therapie mit Osimertinib im Vergleich zu Erlotinib oder Ge­finitib, wobei noch keine ausreichende Reife der Ergebnisse für eine abschließende Einschätzung gegeben ist.

Für Patienten mit ALK-Translokation standen bislang für die Erstlinie Crizotinib und Ceritinib zur Verfügung. Die ALEX-Studie[8] hat den bisherigen Erstlinien-Standard Crizotinib mit Alectinib, einem hochselektiven ALK-TKI, verglichen, der bereits für eine Therapie nach Crizotinib-Versagen zugelassen war. Hier zeigte sich ein deutlicher Vorteil im PFS für Alectinib. Hervorzuheben ist hier die exzellente ZNS-Wirksamkeit. So lag die kumulative 1-Jahres-Inzidenz einer ZNS-Progression unter Crizotinib bei 41,4 %, unter Alectinib nur bei 9,4 %. Wie auch in der FLAURA-Studie liegen aktuell noch keine abschließenden Gesamtüberlebensdaten vor.

Metastasiertes SCLC

Die Therapie des kleinzelligen Lungenkarzinoms (SCLC) ist seit vielen Jahren von Stagnation gekennzeichnet. Therapie der Wahl in der metastasierten Situation ist eine Kombination aus Cis- oder Carboplatin und Etoposid. Zahlreiche Studien, die zum Ziel hatten, die schlechte Gesamtprognose der Erkrankung zu verbessern, waren negativ.

Die Studie IMpower1339 ist die erste Studie, bei der eine Verbesserung des Gesamtüberlebens gezeigt werden konnte. Durch Kombination der Standard-Chemotherapie bestehend aus Carboplatin und Etoposid mit dem PD-L1-Antikörper Atezolizumab in der Erstlinie konnte die mittlere Überlebenszeit von 10,3 auf 12,3 Monate gesteigert werden (HR: 0,70; p = 0,0069). Somit steht erstmals eine Therapieoption für Patienten mit SCLC zur Verfügung, bei der die Hinzunahme eines Immuntherapeutikums einen Überlebensvorteil bei dieser schwierig behandelbaren und von einer grundsätzlich schlechten Prognose gekennzeichneten Erkrankung erbracht hat. Die Zulassung wird Mitte 2019 erwartet.

NSCLC im Stadium III

Auch bei NSCLC im lokal fortgeschrittenen und nicht-operablen Stadium gelang es viele Jahre nicht, das Gesamtüberleben nach initialer Radiochemotherapie zu verbessern. Hier liegt nun seit Kurzem die Zulassung mit dem PD-L1-Antikörper Durvalumab vor. In der PACIFIC-Studie wurde untersucht, ob die adjuvante Gabe von Durvalumab über ein Jahr im Vergleich mit Placebo einen Vorteil für das Gesamtüberleben bringt.[10] Voraussetzung war ein Ansprechen vom Ausmaß Krankheitsstabilisierung (stable disease) oder besser als Ergebnis einer definitiven Radiochemotherapie im Stadium III. Hierbei zeigte sich eine erhebliche Verbesserung der gesamten Progressionsfreiheit um das Dreifache von 5,6 auf 16,8 Monate (HR). Das Gesamtüberleben konnte ebenfalls deutlich verbessert werden und lag im Placebo-Arm bei 28,7 Monaten, während im Durvalumab-Arm der Median noch nicht erreicht wurde (HR: 0,68; p = 0,0025). Auch konnte die Wahrscheinlichkeit für ein Versterben oder die Entwicklung von Fernmetastasen relevant gesenkt werden (16,2 vs. 28,3 Monate; HR: 0,53). Von großer Bedeutung erscheint hier eine frühe Trennung der Kurven, sodass die Gabe von Durvalumab das schnelle Auftreten von Fernmetastasen effektiv verhindern konnte. Dies ist insofern von großer klinischer Bedeutung, weil ein Lokalrezidiv nach definitiver Radiochemotherapie einer erneuten Lokaltherapie zugänglich ist, eine Metastasierung aber in der Regel das Vorliegen einer palliativen Krankheitssituation bedeutet.

Die Zulassung verlangt das Vorliegen einer PD-L1-Expression von mindestens 1 % der Tumorzellen. Somit ist die Bestimmung des PD-L1-Status nicht mehr nur im Stadium IV des NSCLC von Bedeutung. Ein weiteres wichtiges Signal der PACIFIC-Studie ist der Stellenwert eines frühzeitigen Therapiebeginns auf das Gesamtüberleben (Start Durvalumab

Nebenwirkungsmanagement

In allen bisher dargestellten Studien, in denen Immuntherapeutika zum Einsatz kamen, führte dies zu einer erhöhten Rate an Nebenwirkungen. Dabei zeigte sich gerade nicht eine relevante Potenzierung von Nebenwirkungen der Chemotherapie (Hämatotoxizität, gastrointestinale Nebenwirkungen) oder einer Bestrahlung der Lunge (Pneumonitis). Vielmehr konnten die schon aus der Monotherapie bekannten Nebenwirkungen gesehen werden. Diese sind insbesondere endokrinologische Ausfälle (Hypothyreose, Nebenniereninsuffizienz, Hypophyseninsuffizienz), Hepatitis, Colitis oder Pneumonitis. Grundsätzlich muss aber immer mit autoimmunen Phänomenen unter Immuntherapie gerechnet werden. Daher ist das frühzeitige Erkennen und die Behandlung von Immuntherapie-bedingten Nebenwirkungen eine neue und komplexe Herausforderung. Die regelmäßige Bestimmung einer Reihe von Laborparametern sowie eine gründliche Anamnese sind daher vor jeder Applikation unverzichtbar. Daneben hat für die Erkennung einer Pneumonitis oder Colitis die Anamnese einen zentralen Stellenwert.

FAZIT:

Bei metastasiertem NSCLC liegen für alle Histologien positive Studienergebnisse vor; bei ­einer PD-L1-Expression ≥ 50 % für eine Monotherapie mit Pembrolizumab und in Form einer CIT für alle Patienten unabhängig vom PD-L1-Status. Soweit keine Kontraindikationen für eine Immuntherapie vorliegen, führt dies zu einem Paradigmenwechsel: Es stellt sich nicht mehr die Frage, wer in der Erstlinie mit einer Immuntherapie anstatt einer Chemotherapie behandelt werden kann, sondern wer zu einer obligat zu verabreichenden Immuntherapie noch zusätzlich eine Chemotherapie benötigt. Im Moment sind dies alle Patienten mit einem PD-L1-Status

Bei der Therapie des NSCLC mit Treibermutationen habe sich durch die Erstlinien-Zulassung von Osimertinib bei EGFR-Mutation und Alectinib bei ALK-Translokation eine wichtige Erweiterung der Therapieoptionen ergeben.

Beim kleinzelligen Lungenkarzinom konnte mit der Kombination aus Carboplatin, Etoposid und Atezolizumab erstmals seit langer Zeit eine Verbesserung des Gesamtüberlebens in einer Phase-III-Studie erreicht werden.

Das Fehlen von Prognose-verbessernden Therapieoptionen nach definitiver Radiochemotherapie im Stadium III des NSCLC gehört durch die PACIFIC-Studie und die adjuvante Behandlung mit Durvalumab über ein Jahr der Vergangenheit an.

Das Nebenwirkungsmanagement unter Immuntherapie stellt eine neue und komplexe Herausforderung dar.

Der Autor

PD Dr. med. Florian Fuchs
Facharzt für Innere Medizin,
Pneumologie
91054 Erlangen

florian.fuchs@uk-erlangen.de

[1] Brahmer JR et al., WCLC 2017; Abstract OA 17.06
[2] Reck M et al., NEJM 2016; 375(19): 1823–1833
[3] Brahmer JR et al., J Clin Oncol 2017; 35(suppl; Abstract 9000)
[4] Ghandi L et al., NEJM 2018; 378(22): 2078–2092
[5] Socinski MA et al., NEJM 2018; 378(24): 2288–2301
[6] Paz-Ares L et al., NEJM 2018; 379(21): 2040–2051
[7] Soria JC et al., NEJM 2018; 378(2): 113–125
[8] Peters S et al., NEJM 2017; 377(9): 829–838
[9] Horn L et al., NEJM 2018; doi: 10.1056/NEJMoa1809064
[10] Antonia SJ et al., NEJM 2018; doi: 10.1056/NEJMoa1809697

Bildnachweis: alex-mit (iStockphoto); privat

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