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Allgemeinmedizin

Atypisches hämolytisch-urämisches Syndrom

Mehr Unabhängigkeit mit Ravulizumab

Dr. phil. nat. Claudia Schierloh

Das atypische hämolytisch-urämische Syndrom (aHUS) kann über eine Überreaktion des Komplementsystems zu schweren Schäden lebenswichtiger Organe, vor allem der Nieren, führen. Die Entwicklung von Komplement-Inhibitoren verbesserte die Therapieoptionen sowie die Lebensqualität der Betroffenen.

Eine thrombotische ­Mikroangiopathie (TMA) wie aHUS war vor zehn Jahren eine Rarität, die Prof. Dr. med. ­Hermann Haller* (Hannover) zufolge nicht immer erkannt wurde. Mit der Entwicklung von Therapieoptionen habe sich aber das Verständnis von HUS-Erkrankungen verbessert. So liegt beim aHUS eine Störung der Mikrozirkulation des Komplementsystems vor, bei der die Verletzung der Blutgefäßwände und die Bildung von Blutgerinnseln zu progressiven Schädigungen u. a. von Lunge, Herz oder zentralem Nervensystem, insbesondere aber der Nieren bis hin zum Funktionsverlust, führen kann. Bei Letzterem ist oft eine Transplantation notwendig und das Mortalitätsrisiko erhöht. Die Entstehung des aHUS bedingen immer zwei Komponenten: die genetischen Veränderungen im Komplement sowie ein Trigger, z. B. ein Infekt, eine Impfung oder auch eine Schwangerschaft.

Meilenstein Eculizumab

Nachdem Goodship 1997 die Beteiligung des Komplementsystems an aHUS erkannte, lag es nahe, hier therapeutisch anzusetzen. Der erste Behandlungsversuch mit 600 mg des monoklonalen Antikörpers Eculizumab durch Nürnberger in 2009 erzielte drama­tische Effekte, wie Prof. Dr. med. Thorsten Feldkamp* (Kiel) erläuterte. Die Kreatininwerte der Patientin besserten sich direkt und auch die für die Thrombozyten normalisierten sich. Schnell wurde jedoch klar, dass es kein nachhaltiger „One-Shot“ war, sondern eine lebenslange Behandlung mit ­Eculizumab bedeutete. Mittlerweile wurde die Therapie in prospektivischen Studien gut untersucht und viele Patienten profitieren davon. Die Erkrankung lässt sich damit gut kontrollieren und Widrigkeiten treten hauptsächlich als Lifestyle-Probleme auf, so  Feldkamp. Einige Patienten stören sich z. B. daran, dass sie alle zwei Wochen zur Infusion vorbeikommen müssen. Davon berichtete auch PD ­Dr. med. Martina Guthoff* (Tübingen): Eine ihrer Patienten hatte die erfolgreiche Behandlung mit Eculizumab abgebrochen, um ungestört längere Segeltörns unternehmen zu können. Das ging zwölf Monate gut, bis eine Grippeschutzimpfung ein fulminantes Rezidiv triggerte. Nach weiterer Eculizumabgabe und erneutem Therapiestopp trat nach nur vier ­Monaten ein erneutes Rezidiv durch einen Harnwegsinfekt auf.

Weniger Infusionen besser für Patienten

Doch auch für solche Patienten steht jetzt mit ­Ravulizumab eine Lösung zur Verfügung. Dieser monoklonale Antikörper entspricht der Grundstruktur von Eculizumab – bis auf ein paar Änderungen an einzelnen Aminosäuresequenzen. Mit der Modifikation konnte eine vierfach verlängerte Eliminationshalbwertszeit des Wirkstoffs erreicht werden, sodass dementsprechend weniger häufig indundiert werden muss. Die Wirkung von Ravulizumab wie auch von Eculizumab beruht darauf, dass es das C5-Protein in der terminalen Komplementkaskade zielgerichtet hemmt. Beide Wirkstoffe werden mit gebundenem Komplement im Endosom aufgenommen. Eculizumab wird dann über verschiedene Prozesse in den Lysosomen in Einzelteile zerlegt. Bei Ravulizumab kommt es hingegen zu einer pH-Wert-abhängigen Dissoziation: Die bei einem pH von 7,4 feste Bindung zwischen Ravulizumab und Komplement dissoziiert bei sinkendem pH-Wert, also bei einem pH-Wert von 6, wie er im Endosom vorliegt. Durch den Recycling-Mechanismus des endosomalen Fc-Rezeptors wird Ravulizumab wieder nach außen transportiert, wo es wieder an ein C5-Protein binden kann.

In der für die Zulassung von Ravulizumab relevanten Studie waren Patienten, die schon Eculizumab erhalten hatten, ausgeschlossen. Als primärer Endpunkt galt ein vollständiges TMA-Ansprechen: Normalisierung von Thrombozytenzahl und LDH(Lactat­dehydrogenase)-Spiegel sowie eine ≥ 25%ige Verbesserung des Kreatininwerts gegenüber Baseline. Im Verlauf von 26 Wochen realisierten 53,6 % der 56 Patienten ein komplettes Ansprechen (Abb.). „Die Thrombozyten stiegen dabei recht schnell – innnerhalb von acht Tagen – auf normale Werte“, erläuterte Guthoff. Die Niere benötige hingegen Zeit für die Erholung, daher sei hier eine konstante Verbesserung zu beobachten. Im Zuge der Studienverlängerung mit 49 der Probanden erreichten vier weitere den primären Endpunkt und andere  konnten einzelne Parameter verbessern.

Fazit:

Patienten mit aHUS konnten früher oftmals nur unzureichend mittels Plasmapherese behandelt werden. Mit Eculizumab lässt sich die Krankheit aber mittlerweile gut in den Griff bekommen. Die „Weiterentwicklung“ Ravulizumab erwies sich als ebenso effektiv und sicher. Der große Vorteil: Ravulizumab muss nur alle acht Wochen und nicht wie Eculizumab alle zwei Wochen infundiert werden.

* Symposium „State of the art: Behandlung von aHUS in 2020“ anlässlich der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie e.V. (Veranstalter: Alexion Pharma Germany GmbH), Oktober 2020

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