Xeroderma pigmentosum (XP) gilt als Orphan Disease, die weniger als einen unter 1 Million Menschen betrifft. Durch einen Defekt in der DNA-Reparatur besteht eine extreme Lichtempfindlichkeit und ein hohes Hautkrebsrisiko. Doch die Lebenserwartung der Betroffenen steigt – dank neuer Therapieansätze.
Bei Gesunden repariert der Nukleotidexzisions-Reparaturmechanismus alle groben Veränderungen der DNA-Doppelhelix, z. B. Cyclobutan-Pyrimidin-Dimere, die die DNA-Struktur verändern. Ist dieser Reparaturmechanismus beschädigt, wie bei der XP, werden DNA-Schäden repliziert und die Mutation festgeschrieben. Es entsteht ein Mutatorphänotyp. Die Betroffenen leiden unter trockener Haut, Poikilodermie, Neurodegeneration und Katarakten und haben ein bis zu 1 000-fach erhöhtes Hautkrebsrisiko.
Erste medikamentöse Ansätze – und ihr Versagen
Mit einem der ersten oralen Retinoide, Isotretinoin, habe man bereits 1988 die Zahl der Tumoren bei XP reduzieren können, berichtete Prof. Dr. med. Mark Berneburg (Regensburg). Es habe sich jedoch nicht durchsetzen können, da die Betroffenen den Wirkstoff wegen ihrer trockenen Haut kaum vertrügen.
Eine Creme mit liposomal verkapseltem Reparaturenzym aus Algen (T4NV) habe sich in einer Studie 2001 als sehr wirksam erwiesen und aktinische Keratosen verglichen mit Placebo dramatisch reduziert. Selbst langsam wachsende Basalzellkarzinome seien über einen Beobachtungszeitraum von einem Jahr signifikant seltener gewesen. Da zu diesem Zeitpunkt jedoch seltene Erkrankungen weniger im Fokus standen, sei die Zulassung von T4NV durch die FDA zunächst nicht erfolgt und der Hersteller bankrottgegangen. Mittlerweile sei der Wirkstoff Bestandteil von kommerziell erhältlichen Sonnenschutzpräparaten, erklärte der Experte.
Lebensverlängernd: Sonnenlicht meiden
Ein Wechsel des Tag-Nacht-Rhythmus, um das Sonnenlicht zu meiden, sei heute nicht mehr notwendig, betonte Berneburg. Die konsequente Nutzung von Sonnencreme, UV-protektiver Kleidung und UV-Schutzmaßnahmen auch in Innenräumen verhindere die Entstehung multipler Tumoren. Allein mit diesen Maßnahmen kämen die Erkrankten relativ gut durchs Leben. Die Lebenserwartung sei von ehemals 25 bis 30 Jahren weltweit gestiegen und zunehmend mehr Betroffene erreichten mittlerweile ein hohes Alter.
PD-1-Immuncheckpoint-Inhibition
Eine Arbeit aus dem Jahr 2013 habe gezeigt, dass die Last charakteristischer UV-Mutationen in Melanomen am höchsten sei, so Berneburg. Man habe deshalb angenommen, dass sie die höchste Immunogenität aufweisen und in der Dermatologie begonnen, PD-1-Inhibitoren einzusetzen, die die Aktivität des Immunsystems gegen körpereigenes (Tumor-)Gewebe erhöhen.
Anhand eines XP-Patientenfalls mit einem metastasierten Melanom zeigte Berneburg, dass unter einer Therapie mit dem PD-1-Inhibitor Pembrolizumab die Melanommetastasen deutlich regredient waren. Darüber hinaus seien aktinische Keratosen, spinozelluläre Karzinome und Basalzellkarzinome zurückgegangen und das Hautbild besser geworden. Die Analyse von XP-Basalzellkarzinomen des Patienten habe gezeigt, dass sie im Vergleich zu sporadischen Basalzellkarzinomen tatsächlich einen Mutatorphänotyp hatten, also eine stark erhöhte Mutationslast.
Einsatz bekannter Präparate: α-Melanozyten-stimulierendes Hormon
Afamelanotid, ein α-MSH-Analogon, werde bereits bei erythropoetischer Protoporphyrie erfolgreich eingesetzt, erklärte Berneburg weiter. Es verstärkt nicht nur die Pigmentierungen, sondern wirkt sich direkt auf die DNA-Reparatur und den Schutz vor oxidativen Schäden aus, konkret auf die XPC-/XPA-Proteine, also jene Eiweißmoleküle, die bei XP defekt sind.
Nun erbrachte eine erste monozentrische Phase-IIa-Studie zur Afamelanotid-Wirkung mit 3 Teilnehmenden interessante Ergebnisse: Nach intensiver Abwägung mit den Betroffenen und den Selbsthilfegruppen und nach Freigabe durch die Ethikkommission wurde in der Studie nicht die spontane Entstehung von Tumoren abgewartet, sondern eine Fototestung vorgenommen. Sie sollte zeigen, ob Afamelanotid die typischerweise rasch eintretende UV-induzierte Rötung und die DNA-Schäden reduziert. Nach 3-jähriger Anwendungsbeobachtung und Nachbeobachtung zeigte sich eine hohe Verträglichkeit – und das Ausbleiben von spinozellulären Karzinomen, Basalzellkarzinomen und Melanomen.
Anders als bei der erythropoetischen Protoporphyrie erzeugt die Afamelanotid-Therapie bei XP keine Nachpigmentierung der Vitiligo-artigen Herde. Jedoch nahm die Pigmentierung der normalen Haut sowie der Lentigines oder Nävi deutlich zu. Während der 3-monatigen Afamelanotid-Exposition ließ sich also keine ebenmäßige Pigmentierung generieren. Nach Therapieende stellte sich das vor Studienbeginn bestehende Hautkolorit wieder ein.
Nach UV-B-Exposition (311 nm) mit einer Dosis von 112 mJ/m2 auf einem Areal von 2 cm Durchmesser trat nach 24 Stunden bei allen Untersuchten ein Erythem auf, bei 2 der 3 Untersuchten allerdings deutlich reduziert. Bei ihnen scheine es tatsächlich einen Schutz vor der Rötung nach UV-B-Exposition gegeben zu haben, folgerte Berneburg.
Unter verschiedenen immunhistochemischen Färbungen zeigte vor allem der wichtigste Marker für direkte DNA-Schäden nach UV-Bestrahlung, die Bildung von Cyclobutan-Pyrimidin-Dimeren, dass die DNA-Schäden unter einer Afamelanotid-Therapie deutlich zurückgingen, und zwar um 4,5–48 % – trotz der großen Spanne ein vielversprechendes Ergebnis. Auch interessant: Innerhalb der Epidermis waren von oberflächlich nach tief weniger DNA-Schäden zu beobachten. Bei einer systemischen Therapie, die die DNA-Reparatur bessere, hielt Berneburg dies für schlüssig.
Auf Basis dieser Rohdaten aus der Pilotstudie wurden mehrere Zentren, u. a. in Frankreich und Spanien, eröffnet, an denen weitere an XP Erkrankte dieser Therapie zugeführt werden können. Den Kontakt könne Berneburg vermitteln.
Für Menschen mit XP gibt es Therapien, die die Haut verbessern können – ob dies kausal geschieht, ist aber noch unklar. Drug Repurposing wird künftig jedenfalls eine wichtige Rolle spielen. Und manchmal kann die Forschung an seltenen Erkrankungen auch der gesunden Bevölkerung helfen – wie beim Thema Sonnenschutz.
Vortrag „Neue kausale Therapien bei seltenen genetischen Hauterkrankungen“ anlässlich der Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie e. V., München, Juli 2024