Mit Talimogen laherparepvec (T-VEC) ist das erste onkolytische Immuntherapeutikum zugelassen zur Therapie von Erwachsenen mit metastasiertem Melanom, das operativ nicht entfernt werden kann, jedoch nicht in viszerale Organe gestreut hat.[1]
Der Name Talimogen laherparepvec setzt sich entsprechend den von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für gentherapeutische Arzneistoffe vorgegebenen Wortstämmen zusammen:
Bei der Substanz handelt es sich um ein gentechnisch modifiziertes Herpes-simplex-Virus Typ 1. Der zugrunde liegende Virusstamm JS1 zeichnet sich durch eine hohe zytolytische Aktivität aus. Die beiden Gene ICP34.5 und ICP47 wurden deletiert, mit dem Ziel, dass das Virus selektiv Tumorzellen infiziert und sich in diesen verstärkt repliziert. Im Gegensatz zu gesunden Zellen sind Tumorzellen besonders anfällig für den lytischen Vermehrungszyklus des ICP34.5-defizienten Virus mit nachfolgendem Zelltod. Das Gen ICP47 bewirkt im Wildtyp-Virus einen „immune-escape“-Mechanismus, indem die Expression des MHC-I-Proteinkomplexes auf der Oberfläche von Zellen herunter reguliert wird. Die Beseitigung von ICP47 bewirkt somit eine verstärkte MHC-Expression und damit eine effektivere Antigen-Präsentation. Zusätzlich kommt es zu einer vermehrten US11-Expression, die eine verstärkte Virusreplikation nach sich zieht. Die starke Virusvermehrung führt zu eine Zelllyse, sodass die freiwerdenden Viren wieder benachbarte Tumorzellen infizieren können – zudem werden auch Tumorantigene (TDAs) freigesetzt. Als weitere Modifikationen wurde an zwei Stellen die für den humanen Granulozyten-Makrophagen-koloniestimulierenden Faktor (GM-CSF) kodierende Gensequenz eingefügt, sodass nach Infektion in den Tumorzellen GM-CSF gebildet wird und nach Lyse der Melanomzellen freigesetzt wird. GM-CSF ist ein hämatopoetischer Wachstumsfaktor, der insbesondere bei der Reifung und Entwicklung dendritischer Zellen eine wichtige Rolle spielt. Daneben begünstigt es auch die Aktivierung und Proliferation von T-Zellen, sodass eine tumorantigenspezifische Effektor-T-Zell-Antwort induziert wird. Diese ist prinzipiell in der Lage, Tumorzellen auch an anderen Stellen im Körper zu erkennen und abzutöten.[2-4]
Durch die genetischen Modifikationen infiziert das Virus relativ selektiv Tumorzellen und wird durch körpereigene immunologische Abwehrmechanismen regelhaft eliminiert. In präklinischen Studien konnte gezeigt werden, dass bei 90 % der behandelten Patienten transient Virus-DNA im Blut und bei 20 % im Urin nachweisbar waren, ohne dass es zu einer Symptomatik im Sinne einer Herpes-Infektion kam. Sollte es doch zu einer klinisch manifesten Herpes-Infektion kommen, kann mit gängigen virustatischen Medikamenten (z. B. Aciclovir) behandelt werden. Es sind keine Resistenzen für T-VEC bekannt.[5]
In der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie (OPTiM, NCT00769704) wurde die Wirksamkeit von T-VEC intratumoral im Vergleich zu GM-CSF subkutan im Verhältnis 2:1 untersucht. Insgesamt wurden 436 Patienten mit nicht-resezierbarem malignen Melanom (Stadium IIIB bis IV) in diese offene, randomisierte Studie eingeschlossen. Zu jedem Behandlungstermin wurden in der T-VEC-Gruppe maximal 4 ml des Medikaments verabreicht. Dabei wurde nach Metastasengröße ein definiertes Volumen injiziert. Der primäre Endpunkt der Studie war die dauerhafte Ansprechrate, definiert als ein Ansprechen, das mindestens für sechs Monate anhielt. Sekundäre Endpunkte waren neben dem Gesamtüberleben die Gesamtansprechrate, die Zeit bis zum Ansprechen, die Dauer des Ansprechens und die Zeit bis zum Therapieversagen. Unter der Behandlung mit T-VEC konnte eine dauerhafte Ansprechrate von 16,3 % erreicht werden. Mit GM-CSF lag diese im Vergleich dazu nur bei 2,1 %. Auch die Gesamtansprechrate lag mit 26,4 % deutlich höher als im Vergleichsarm mit 5,7 %. In Bezug auf das Gesamtüberleben war der Unterschied mit 23,3 zu 18,9 Monaten statistisch nicht signifikant. In den explorativen Subgruppenanalysen zeigte sich, dass insbesondere Patienten ohne viszerale Metastasen (Stadium IIIB–IV M1a) und therapienaive Patienten von einer Behandlung mit T-VEC profitieren konnten. In der Studie wurde zudem beobachtet, dass 34,2 % der Hautmetastasen und 11,3 % der viszeralen Filiae, die nicht mit T-VEC behandelt worden waren, sich im Behandlungszeitraum jeweils um mindestens die Hälfte zurückbildeten. Dies wurde mit der Induktion einer systemischen Immunreaktion durch T-VEC erklärt. Wichtig für die Patientenaufklärung ist der Hinweis auf die Zeit bis zum kompletten Ansprechen, die im Median bei 8,6 Monaten lag (2,1–42,3 Monate). Es kann auch während der Behandlung zunächst zu einer Größenzunahme der bestehenden und zum Auftreten von neuen Läsionen kommen (sogenannter Pseudoprogress). Die häufigsten in der Studie beobachteten Nebenwirkungen unter T-VEC, die bei mehr als einem Viertel berichtet wurden, waren Fatiguesymptomatik, Schüttelfrost, Fieber, Übelkeit, grippeähnliche Erkrankungen sowie Schmerzen im Bereich der Injektionsstellen. Dabei waren die Nebenwirkungen in aller Regel mild oder mäßiggradig. Die häufigste schwere unerwünschte Wirkung (Grad 3 oder 4) war eine Weichteilentzündung, die bei 2,1 % der Behandelten beobachtet wurde.[6]
Das Konzept der onkolytischen Immuntherapie stellt auch einen möglichen Kombinationspartner, insbesondere für Checkpoint-Inhibitoren dar. In einer klinischen Phase-II-Studie wurde die Wirksamkeit der Kombination des CTLA4-Inhibitors Ipilimumab mit T-VEC im Vergleich zu einer Ipilimumab-Monotherapie bei Patienten mit nicht-resezierbarem Melanom der Stadien IIIB–IV M1c verglichen (NCT01740297). Es wurden 198 Patienten in die Studie rekrutiert und im Verhältnis 1:1 randomisiert. Der primäre Endpunkt war die Gesamtansprechrate, sekundäre Endpunkte waren u. a. Gesamtüberleben, Dauer des Ansprechens und progressionsfreies Überleben. In der ersten Analyse lag das Gesamtansprechen im Kombinationsarm bei 39 % im Vergleich zu 18 % im Ipilimumab-Vergleichsarm, das mediane progressionsfreie Überleben lag bei 8,2 Monaten und war damit um fast zwei Monate im Vergleich zum Ipilimumabarm verlängert.[7] Aktuell wird in einer weiteren Phase-III-Studie der zusätzliche Nutzen beim Einsatz von T-VEC mit dem PD-1-Inhibitor Pembrolizumab untersucht (NCT02263508). Die Ergebnisse dieser Studie stehen noch aus.
Der Autor
Dr. med. Felix Kiecker
Facharzt für Dermatologie
Leitung Hauttumorzentrum
Charité (HTCC)
Charité Universitätsmedizin Berlin
[1] Fachinformation Imlygic®
[2] Hoeller C et al., Cancer Immunol Immunother 2016; 65: 1015–1034
[3] Liu BL et al., Gene Ther 2003; 10: 292–303
[4] Kaufman HL, Bines SD, Future Oncol 2010; 6: 941–949
[5] Senzer NN et al., J Clin Oncol 2009; 27: 5763–5771
[6] Andtbacka RHI et al., J Clin Oncol 2015; 33: 2780–2788
[7] Chesney J et al., J Clin Oncol 2018; 36(17): 1658–1667