Durch die Fortschritte in der Diagnostik und der Therapie ist die krebsspezifische Mortalität beim Mammakarzinom in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken. Auch 2021 wurden auf den internationalen onkologischen Kongressen wieder eine Reihe vielversprechender Studienergebnisse präsentiert.
Die Systemtherapie des Mammakarzinoms befindet sich in einem permanenten Umbruch. Jeder biologische Subtyp erfuhr im vergangenen Jahr relevante Veränderungen. Lange nach dem HER2+-Mammakarzinom scheint die zielgerichtete Therapie jetzt auch bei anderen Subtypen angekommen zu sein. Die Zahl der Veröffentlichungen ist so groß, dass hier nur eine – in meinen Augen relevante – Auswahl vorgestellt werden kann.
HR+-Mammakarzinom – Dauer der adjuvanten Aromatasehemmertherapie
Der Stellenwert der adjuvanten Therapie mittels Aromataseinhibitoren (AI) bei postmenopausalen Patientinnen mit Hormonrezeptor-positivem Mammakarzinom ist unbestritten und vielfach belegt. In der täglichen Praxis stellen sich jedoch Nebenwirkungen dar, die es zu behandeln gilt und die häufig die Verträglichkeit und in der Folge die Therapie-Compliance begrenzen. Ferner ist immer noch unzureichend geklärt, wie lange eine Aromatasehemmertherapie durchgeführt werden sollte.
Aus diesem Grund untersuchten die Kollegen der Austrian Breast and Colorectal Cancer Study Group (ABCSG) innerhalb der ABCSG-16-Studie diese Fragestellung genauer. Im Zuge einer großen prospektiv randomisierten Phase-III-Studie wurden schlussendlich die Daten von 3 208 Patientinnen ausgewertet [1]. Alle Patientinnen waren postmenopausal, wiesen einen Hormonrezeptor-positiven Tumortyp auf und waren bereits fünf Jahre lang adjuvant endokrin therapiert worden (Tamoxifen und/oder AI). Innerhalb der Studie erhielt nun im Zuge einer 1 : 1-Randomisierung eine Gruppe eine Behandlung mit dem Aromatasehemmer Anastrozol (Arimidex®) für weitere zwei Jahre (insgesamt sieben Jahre adjuvante Therapie) und eine andere Gruppe eine Anastrozol-Therapie für fünf Jahre (insgesamt zehn Jahre adjuvante Therapie). Dabei konnte gezeigt werden, dass es keinen Unterschied zwischen den Behandlungsarmen im Hinblick auf Krankheitsprogression oder Tod (Abb. 1) gab. Das Frakturrisiko hingegen war signifikant erhöht unter den Patientinnen, die insgesamt zehn Jahre eine Aromatasehemmertherapie erhalten hatten (Hazard Ratio 1,35). Die Autoren schlussfolgern aus ihren Daten, dass eine erweiterte adjuvante endokrine Therapie länger als sieben Jahre keinen zusätzlichen Benefit für postmenopausale Patientinnen mit Hormonrezeptor-positivem Mammakarzinom bringt und dass im Gegenteil die Nebenwirkungs- bzw. Komplikationsrate deutlich zunimmt. Auch wenn diese Daten noch intensiv diskutiert werden, sollten die Ergebnisse bereits jetzt bei der Beratung und der Nachsorge dieser Patientinnen mit berücksichtigt werden.
HER2-positives Mammakarzinom
Die Erstpublikation der Daten der KATHERINE-Studie hatte bereits 2020 eindrucksvoll den Stellenwert einer postneoadjuvanten Therapie mit dem Antibody-Drug-Konjugat T-DM1 (Kadcyla®) bei Patientinnen mit primärem HER2-positivem Mammakarzinom und Tumorrest nach neoadjuvanter Chemotherapie belegt [2]. In der Folge war diese Therapieoption von der AGO Organkommission Mamma im klinischen Setting mit einer „+“-Empfehlung versehen worden. 2021 wurde nun eine detaillierte Subgruppenanalyse publiziert, die die Bedeutung dieser postneoadjuvanten Therapieoption weiter untermauert [3].
Im Zuge des KATHERINE-Trials waren 1 486 Patientinnen in einem multizentrischen, prospektiv-randomisierten Phase-III-Studiendesign behandelt worden. In einer 1 : 1-Verteilung erhielten die Patientinnen entweder standardgemäß Trastuzumab (Herceptin®) über 14 Zyklen postneoadjuvant oder T-DM1 ebenfalls über 14 Zyklen. Dabei war eine 50%ige Reduktion des Risikos für ein Rezidiv sowie für das Versterben der Patientinnen durch den Einsatz von T-DM1 gefunden worden, verglichen mit dem Standardarm. Die aktuelle Subgruppenanalyse konnte jetzt bestätigen, dass diese Risikoreduktion sowohl für Patientinnen galt, die anthrazyklinhaltige Chemotherapien erhalten hatten, wie auch für Patientinnen mit anthrazyklinfreien Regimen in der Vorbehandlung. Darüber hinaus konnte der Prognosevorteil auch für Patientinnen mit kleinen Tumoren (pT1 pN0) belegt werden, sowie für Patientinnen mit besonderen high-risk Karzinomtypen. In Bezug auf das Risiko im Verlauf sekundär eine Hirnmetastasierung zu erleiden, lag der Anteil der betroffenen Patientinnen zwar etwas höher in der T-DM1-Gruppe (5,9 % vs. 4,3 %), der Unterschied war jedoch statistisch nicht signifikant. Zusammenfassend belegt diese Subgruppenanalyse nach Meinung der Autoren den klinischen Benefit einer postneoadjuvanten T-DM1-Therapie, ohne dass das Risiko für sekundäre ZNS-Metastasen dadurch klinisch relevant erhöht wurde.
HER2-negatives, BRCA-mutiertes Mammakarzinom
Patientinnen mit einer Keimbahnmutation der Brustkrebssuppressorgene BRCA1 oder BRCA2 haben ein hohes Lebenszeitrisiko, ein Mammakarzinom zu entwickeln. Diese Tumoren zeichnen sich biologisch oft durch eine homologe Rekombinationsdefizienz (HRD) aus. Die OlympiA-Studiengruppe geht seit mehreren Jahren in ihren klinischen Forschungsprojekten der Frage nach, inwieweit durch einen gezielten Einsatz von PARP-Inhibitoren bei diesen Patientinnen durch die „synthetische Letalität“ ein Therapieeeffekt an vermuteten Tumoreinzelzellen und damit eine Prognoseverbesserung für die betroffenen Patientinnen erzielt werden kann.
Die OlympiA-Studie stellt eine internationale, multizentrische, doppelblinde randomisierte Phase-III-Studie dar, bei der Patientinnen mit HER2-negativem primärem Mammakarzinom eingeschlossen waren, die eine Keimbahnmutation der Gene BRCA1 oder BRCA2 auswiesen. Alle Patientinnen hatten eine abgeschlossene lokale Primärbehandlung sowie eine neoadjuvante oder adjuvante Therapie erhalten. Nach Studieneinschluss wurden die Patientinnen dann im Verhältnis 1 : 1 randomisiert und erhielten entweder über ein Jahr eine orale Therapie mit 300 mg/Tag Olaparib (Lynparza®) oder eine gleich lang dauernde Behandlung mit Placebo. Insgesamt konnten 1 836 Patientinnen randomisiert werden. Nach 2,5 Jahren erfolgte eine Interims-Analyse [4].
Dabei konnte festgestellt werden, dass das 3-Jahres-„invasive disease-free survival“ bei den Patientinnen, die Olaparib erhalten hatten, bei 85,9 % lag, wohingegen in der Placebo-Gruppe diese Rate bei 77,1 % lag. Der Unterschied von 8,8 % war statistisch hoch signifikant mit einer Hazard Ratio für „invasive disease“ oder Tod von 0,58 (p < 0,001). Das 3-Jahres-„distant disease-free survival“ war ebenfalls signifikant besser für Patientinnen, die Olaparib erhalten hatten (87,5 % vs. 80,4 %; p < 0,001). Darüber hinaus waren signifikant weniger Todesfälle im experimentellen Therapiearm festzustellen (59 vs. 86). Die Verträglichkeit bzw. das Nebenwirkungsspektrum war konsistent zu den Vorerfahrungen mit Olaparib, ohne dass es zu exzessiven serious adverse events (SAE) oder adverse events (AE) of special interest gekommen wäre.
Die Ergebnisse der OlympiA-Studie belegen, dass eine BRCA-abhängige Ausrichtung der adjuvanten Therapie prognoserelevant ist. Es kann jetzt mit Spannung die weitere Diskussion auch im Hinblick auf die Zulassung des Medikaments erwartet werden.
Triple-negatives Mammakarzinom
Das triple-negative Mammakarzinom stellt immer noch eine der größten Herausforderungen für die gynäkologische Onkologie dar. Aufgrund der Aggressivität dieses Tumortyps und des Mangels an Ansprechbarkeit durch endokrine und HER2-gerichtete Therapieansätze stellt die zytostatische Therapie immer noch das Rückgrat der Behandlung dar. Es ist daher weiterhin dringend geboten, neue nutzbare Targets zu identifizieren und innvovative Behandlungen zu erforschen.
Einen in dieser Richtung höchst viel versprechender Ansatz stellt die Therapie mit dem Antibody-Drug-Konjugat (ADC) Sacituzumab-Govitecan (Trodelvy®, Abb. 2) dar. Dabei handelt es sich um einen IgG1-Antikörper, der spezifisch für das Trop-2-Protein ist und in seinem Fc-Teil an das Zytostatikum SN-38 gekoppelt ist. SN-38 ist der aktive Metabolit von Irinotecan und stellt einen potenten Topoisomerasehemmer dar.
Im Zuge der ASCENT-Studie, einer multizentrischen, prospektiv randomisierten Phase-III-Studie, wurden 468 Patientinnen mit metastasiertem, triple-negativem Mammakarzinom behandelt. Die Patientinnen waren im Median 54 Jahre alt und litten an einem fortgeschrittenen und vorbehandelten Mammakarzinom. Insbesondere eine Therapie mit Taxanen war bereits bei allen Betroffenen erfolgt. Während der ASCENT-Studie erhielten 235 Patientinnen das Studienmedikament Sacituzumab-Govitecan und 233 Patientinnen eine Chemotherapie nach Entscheidung der behandelten Ärzte (treatment of physician’s choice). Die Ergebnisse nach einem medianen Follow-up von 17,7 Monaten waren beeindruckend und wurden unlängst final publiziert [5]. Das mediane progressionsfreie Überleben betrug in der Studiengruppe 5,6 Monate gegenüber 1,7 Monaten bei den Patientinnen, die gemäß treatment of physician’s choice behandelt wurden (Abb. 3). Beim Gesamtüberleben ergab sich ein Unterschied von 12,1 Monaten versus 6,7 Monate. Ähnlich deutlich stellte sich der Unterschied im Bereich der Ansprechraten dar. So konnte durch den Einsatz von Sacituzumab-Govitecan eine Overall response rate (ORR) von 35 % erzielt werden, wohingegen in der Kontrollgruppe nur bei 5 % eine entsprechende Response festzustellen war. Die wesentlichen Nebenwirkungen lagen für das Studienmedikament auf dem Gebiet der Hämatotoxizität (Neutropenie, Leukopenie) sowie bei der Diarrhoe. Dies war aufgrund des eingesetzten Zytostatikums (Irinotecan) erwartbar und schien im Zuge der Studie unter Kontrolle.
Sacituzumab-Govitecan stellt somit eine sehr wichtige und hoffnungsvolle neue Ergänzung der Behandlungsmöglichkeiten insbesondere in der multi-line dar. Die FDA hatte daher bereits 2020 eine Eilzulassung von Sacituzumab-Govitecan zur Behandlung von Patientinnen mit metastasiertem, triple-negativem Mammakarzinom ausgesprochen. Die weitere Entwicklung in Europa und Deutschland sollte daher mit spannender Erwartung verfolgt werden.
Der Autor
Prof. Dr. med. Michael Eichbaum
MHBA, Direktor der Klinik für Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie
Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken, Wiesbaden
1 Gnant M et al., N Engl J Med 2021; 385: 395–405
2 von Minckwitz G et al., N Engl J Med 2019; 380: 617–628
3 Mamounas EP et al., Ann Oncol 2021; 32: 1005–1014
4 Tutt ANJ et al., N Engl J Med 2021; 384: 2394–2405
5 Bardia A et al., N Engl J Med 2021; 384: 1529–1541
Bildnachweis: privat