Hormonelle Kontrazeptiva beeinflussen den Kohlenhydratstoffwechsel. Das hat bei gesunden Frauen kaum klinische Relevanz. Bei Patientinnen mit Diabetes mellitus sollte dieser Aspekt jedoch unbedingt berücksichtigt werden. Im hier vorgestellten Fall war Drospirenon mono für eine Patientin mit Typ-1-Diabetes die passende orale Kontrazeption.
Eine 41-jährige Patientin mit einem seit ihrer Kindheit bekannten insulinpflichtigen Typ-1-Diabetes und zwei anamnestisch unauffälligen Schwangerschaftsverläufen und Spontangeburten stellt sich mit der Frage der Kontrazeption vor. Die Patientin hatte bisher immer mit hormonfreien Methoden verhütet. Seit den Geburten bevorzugt sie Barrieremethoden.
Die Patientin wünscht sich jetzt eine möglichst sichere orale Kontrazeptionsmethode. Intrauterine Kontrazeptionsmethoden werden explizit abgelehnt, da die Patientin vor einigen Jahren zwischen den Schwangerschaften negative Erfahrungen mit einem Kupfer-IUD hatte (Hypermenorrhöen). Anamnestisch bekannt ist ein Hypertonus (145/95 mmHg), der medikamentös behandelt wird. Die Patientin hat ein leichtes Übergewicht (BMI 28 kg/m2). Die Blutungen sind regelmäßig, die Blutungsstärke hat in den vergangenen Jahren allerdings etwas zugenommen.
Kontrazeption und Diabetes
Hormonelle Kontrazeptiva beeinflussen den Kohlenhydratstoffwechsel. Es gibt Hinweise, dass Glucosetoleranz und Insulinresistenz beeinflusst werden können [1,2], die beide als Risikofaktoren für die Entwicklung eines manifesten Diabetes mellitus Typ 2 beschrieben wurden [3]. Es gibt jedoch – laut Leitlinie – keine Anhaltspunkte dafür, dass hormonelle Kontrazeptiva bei Frauen das Risiko für die Entwicklung eines Diabetes mellitus erhöhen [4]. Untersuchungen an Frauen mit Typ-1-Diabetes haben zudem gezeigt, dass die Verwendung kombinierter hormoneller Kontrazeptiva nicht mit einem erhöhten Risiko für mikrovaskuläre Komplikationen wie Nephropathie oder Retinopathie verbunden war [5,6]. Die WHO stuft somit die Anwendung von KOK bei Diabetikerinnen (sowohl Typ 1 als auch Typ 2) ohne vaskuläre Erkrankung zwar in Gruppe 2 ein, sieht – wie die Deutsche Leitlinie zur hormonellen Kontrazeption – jedoch eine Kontraindikation, wenn zusätzliche Risikofaktoren wie Hypertonie oder Rauchen vorliegen [4,7].
Wenn die Patientin bereits an vaskulären Folgeerkrankungen eines Diabetes leidet, wie Nephro-, Neuro- oder Retinopathie, gilt die Anwendung von KOK als Kontraindikation [4,7]. Das Gleiche gilt für vaskuläre Erkrankungen anderen Ursprungs, oder wenn die Patientin seit über 20 Jahren an Diabetes mellitus leidet. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass bereits mikrovaskuläre Schäden entstanden sind [8,9]. Gestagen-Monopräparate stuft die WHO für Diabetikerinnen sowohl mit als auch ohne vaskuläre Erkrankung in die zweite Gruppe ein, lediglich die DMPA-Injektion bildet hier eine Ausnahme und sollte vermieden werden [7].
Überlegungen zur Kontrazeption
Bei Patientinnen mit Typ-1-Diabetes sind prinzipiell kombinierte orale Kontrazeptiva möglich. Hier empfiehlt sich die Einnahme von Präparaten, die im Langzyklus eingenommen werden können, um eine Verschlechterung des Stoffwechsels während der Menstruation zu vermeiden.
Im vorliegenden Fall wurde zunächst eine sorgfältige Anamnese der Patientin erhoben. Sekundärschäden des Diabetes mellitus (Nephro-, Neuro- oder Retinopathien) waren zwar nicht bekannt, aufgrund der multiplen VTE-Risikofaktoren (Diabetes mellitus seit über 20 Jahren, milder Hypertonus, Übergewicht, Alter über 40 Jahre) sind kombinierte orale Kontrazeptiva letztlich aber doch relativ kontraindiziert. Daher wird mit der Patientin die Verwendung einer Gestagen-Monopille besprochen. Trotz des bereits lange bestehenden Diabetes mellitus besteht darunter kein erhöhtes vaskuläres Risiko [7].
Aufgrund seiner antimineralokortikoiden Wirkung sind Drospirenon-Monopräparate in den meisten Fällen gewichtsneutral. Damit ist nicht davon auszugehen, dass sich der BMI der Patientin durch die Einnahme zusätzlich erhöht. Zudem ist bei Vorliegen eines milden Hypertonus bekannt, dass Drospirenon sich günstig auswirken kann [10]. Die Partialwirkungen von Drospirenon sind somit vorteilhaft. Aufgrund der doch zunehmenden Hypermenorrhö ist bei der Patientin ein günstigeres Blutungsprofil mit Drospirenon als bei der Anwendung von Desogestrel zu erwarten.
Nach einer Anwendungszeit von 6 Monaten zeigten sich bei der Patientin sehr gute Blutungsprofile, nur initial waren in den ersten 2 Monaten noch an 2 Tagen Zwischenblutungen aufgetreten. Es kommt zu regelmäßigen Abbruchblutungen. Die Blutungsstärke ist insgesamt nach 6 Monaten geringer geworden. Die Glucose- und Insulinwerte sind unverändert geblieben, eine Gewichtszunahme trat nicht auf. Der milde Hypertonus hat sich geringgradig verbessert, sodass für die Patientin die Anwendung von Drospirenon mono jetzt eine optimale Option darstellt.
Drospirenon mono stellt eine gute Option auch bei Patientinnen mit länger bestehendem Typ-1-Diabetes dar, insbesondere wenn weitere Risikofaktoren hinzukommen. Im vorliegenden Fall ist Drospirenon aufgrund der möglichen günstigen Auswirkungen auf den Blutdruck, die Gewichtsneutralität und dem nicht erhöhten thromboembolischen Risiko günstig. Auch unter dem Aspekt eines stabilen Blutungsverhaltens ist Drospirenon dem Desogestrel vorzuziehen.
Der Autor
Prof. Dr. med. Thomas Römer
Chefarzt der Frauenklinik in Köln-Weyertal
Herausgeber des Journals DER PRIVATARZT GYNÄKOLOGIE
Impressum
Bericht: Prof. Dr. med. Thomas Römer I Redaktion und Konzept: Dr. rer. nat. Reinhard Merz
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